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       # taz.de -- Neue Studie zur Verbreitung von Wölfen: Raubtiere brauchen keine Wildnis
       
       > In Deutschland gibt es 700 bis 1.400 potenzielle Reviere für Wölfe, sagt
       > eine Studie. Das Bundesamt für Naturschutz fordert ein besseres
       > Management.
       
   IMG Bild: Lebt nicht nur im Wald: ein Wolf in einer Fotofalle in Schleswig-Holstein
       
       Berlin taz | In Deutschland gibt es noch viel Platz für neue Wölfe. [1][Das
       ist das Ergebnis einer Studie], die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) an
       diesem Mittwoch in Bonn veröffentlicht. Demnach könnten sich die Tiere in
       700 bis 1.400 Revieren fest ansiedeln. „Die Studie gibt Aufschluss darüber,
       wo es geeignete Lebensräume für Wölfe gibt“, sagt BfN-Präsidentin Beate
       Jessel. Sie sei weder als Prognose künftiger Entwicklungen zu lesen noch
       als Wunschvorstellung – und sage auch nichts darüber aus, wie viele Wölfe
       in Deutschland Platz hätten. Zurzeit sind in der Bundesrepublik 105 Rudel,
       29 Paare und 11 Einzeltiere nachgewiesen.
       
       Laut der Studie stehen in Deutschland zwischen 700 und 1.400 potenzielle
       Wolfsreviere zur Verfügung, von den Alpen und dem Alpenvorland über die
       jetzigen Verbreitungsgebiete in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt bis
       etwa nach Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Frühere Untersuchungen
       waren davon ausgegangen, dass Wölfe Wälder als Lebensraum bevorzugen. Die
       Autoren kommen aber jetzt zu der Erkenntnis, dass sie auch in agrarisch
       genutzten Gebieten leben können. „Wölfe brauchen keine vom Menschen
       unberührte Wildnis“, sagt Jessel, „es reichen störungsfreie Rückzugsgebiete
       aus.“
       
       Für die Studie werteten Wissenschaftler des Leibniz Instituts für Zoo- und
       Wildtierforschung Berlin und des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und
       Ökologie Wien Daten von Wölfen aus, die zu Forschungszwecken mit Sendern
       versehen wurden. Diese sogenannten Telemetriedaten zeigen, wie Wölfe ihre
       Lebensräume nutzen. Die Forscher setzten sie mit Informationen über
       Lebensräume in Verbindung, also etwa über das Vorkommen von Straßen,
       Wäldern oder Siedlungen. Heraus kommen Deutschlandkarten, die potenzielle
       Lebensräume für Wölfe anzeigen.
       
       Gewünscht hatten die Studie die für Naturschutz zuständigen Bundesländer.
       Es sei wichtig, dass diese „ein vorausschauendes und auf ihre Bedarfe
       abgestimmtes Wolfsmanagement betreiben“, sagt Jessel. Hier liegt allerdings
       noch einiges im Argen. Kürzlich hatte der Umweltverband Nabu eine Übersicht
       über das Wolfsmanagement der Länder erstellt. Während er Brandenburg,
       Sachsen und Thüringen gute Arbeit bescheinigte, sieht er etwa in
       Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern Defizite.
       
       ## Große Teile NRWs sind als Wolfsrevier ungeeignet
       
       „Es ist wichtig, dass Herden nicht erst dann durch geeignete Elektrozäune
       oder gut ausgebildete Herdenschutzhunde geschützt werden, wenn sich Wölfe
       etabliert haben“, sagt Marie Neuwald, Wolfsexpertin des Nabu. Es sei klug,
       damit schon vorher zu beginnen, „ehe die Wölfe gelernt haben, dass
       Herdentiere leichte Beute sind“.
       
       Unter anderem der Deutsche Jagdverband fordert „wolfsfreie Zonen“, in denen
       Rudel nicht geduldet werden, etwa alpine Regionen, urbane Zentren oder
       Deiche. „Solche Zonen sind weder rechtlich zulässig noch praktikabel“, sagt
       Jessel. Der Wolf ist nach dem europäischen und deutschen Naturschutzrecht
       streng geschützt. [2][Wenn in bestimmten Gebieten Wölfe gejagt würden],
       drängten andere Wölfe nach. „Ein effektiver Herdenschutz und
       Entschädigungen im Falle von Rissen sind sinnvoller“, so Jessel.
       
       Dicht besiedelte Regionen wie große Teile NRWs oder Halle-Leipzig sind laut
       Studie zum Wolfsrevier sowieso nicht geeignet. Dass auch in der Nähe großer
       Städte bisweilen Wölfe gesichtet würden, sei kein Wunder, sagt Jessel. Sie
       könnten bis zu 70 Kilometer am Tag wandern. Wenn sie am Stadtrand
       auftauchen, bedeutet das also nicht, dass sie sich dort auch niederlassen.
       
       6 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript530.pdf
   DIR [2] /Nord-Flaechenlaender-lassen-schiessen/!5566947
       
       ## AUTOREN
       
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