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       # taz.de -- EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Perfider Quatsch
       
       > Das Bundesverfassungsgericht beschädigt mutwillig den Ruf der EZB –
       > allein um sich selbst mit Bedeutung zu umwehen.
       
   IMG Bild: Ein Spiegel der deutschen Gesellschaft? Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle
       
       Das [1][Urteil des Bundesverfassungsgerichts] ist verstörend. Ihm ist
       anzumerken, dass die Karlsruher Richter gaaaaanz wichtig sein wollen – und
       dafür gern bereit sind, die Europäische Zentralbank und den Europäischen
       Gerichtshof zu beschädigen.
       
       Die Richter hatten zu bewerten, ob die [2][Europäische Zentralbank
       Staatsanleihen ankaufen] darf, um die Zinsen nach unten zu drücken. Konkret
       ging es dabei um 2,1 Billionen Euro, die die EZB zwischen 2015 und 2019
       ausgegeben hatte, um die Wirtschaft in der Eurozone anzukurbeln.
       
       Gegen dieses Kaufprogramm hatten die deutschen Richter nicht viel
       einzuwenden. Aber einfach nicken wollten sie auch nicht, sondern setzten
       sich maximal in Szene. Bedeutungsschwer dekretieren sie, dass die
       Kaufprogramme teilweise nicht verfassungsgemäß seien.
       
       Diesem schweren Vorwurf folgte eine erstaunlich lächerliche Begründung: Die
       EZB hätte die „Verhältnismäßigkeit“ ihrer Maßnahmen nicht dargelegt. Sie
       hätte nicht ausreichend begründet, was ihre Beschlüsse für Aktionäre,
       Mieter, Immobilienbesitzer, Sparer und Versicherungsnehmer bedeuten würden.
       Dieser Vorwurf ist abwegig. Die EZB ist permanent damit beschäftigt, die
       makroökonomischen Folgen ihrer Geldpolitik abzuschätzen.
       
       ## Ökonomischer Nationalismus
       
       Im Kern verlangt das Bundesverfassungsgericht also, dass die EZB bei allen
       Analysen das Wort „verhältnismäßig“ hineinklebt. Leider ist dieser Quatsch
       nicht lustig, sondern perfide: Das Bundesverfassungsgericht beschädigt
       mutwillig die Reputation der EZB, um sich selbst mit Bedeutung zu umwehen.
       
       Genauso rabiat gehen die Karlsruher Richter mit dem Europäischen
       Gerichtshof um, der im Dezember 2018 befunden hatte, dass die EZB-Ankäufe
       in Ordnung seien. Dieses Urteil sei „willkürlich“, behauptet das
       Bundesverfassungsgericht – und signalisiert damit erneut, dass die oberste
       Deutungshoheit in Karlsruhe zu residieren hat.
       
       Das Bundesverfassungsgericht war schon immer ein Spiegel der deutschen
       Gesellschaft. Momentan spiegelt es den [3][ökonomischen Nationalismus], der
       hierzulande grassiert.
       
       5 May 2020
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Corona-Folgen-fuer-Suedeuropa/!5668519/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Herrmann
       
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