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       # taz.de -- UN-Klimachefin zum 50. Earth Day: „Das Paris-Abkommen ist in Gefahr“
       
       > Jahrestag des Umweltschutzes: Die frühere UN-Klimachefin Christiana
       > Figueres fordert angesichts Corona und Klimawandel „sturen Optimismus“.
       
   IMG Bild: Sturer Optimismus beim Klimaabkommen: Die USA treten aus und in Kalifornien brennt der Wald
       
       taz: Frau Figueres, der [1][Umweltjahrestag Earth Day wird 50], Sie fordern
       in Ihrem neuen Buch Optimismus in Sachen Klimaschutz. Angesichts der
       globalen Lage überraschend, oder nicht? 
       
       Christiana Figueres: Wir haben in dem Buch den Begriff des „sturen
       Optimismus“ geprägt. Es geht uns darum, die Ernsthaftigkeit der Lage voll
       zu verstehen und trotzdem mutige Entschlossenheit an den Tag zu legen. Nur
       so können wir die Herausforderung in Angriff nehmen.
       
       Und die ist groß. Sie erfordert den kompletten Umbau unserer Wirtschaft. 
       
       Wir tendieren dazu zu überschätzen, was wir in einem Jahr erreichen können,
       und dafür unterschätzen wir, was in zehn Jahren möglich ist. Wir haben zehn
       Jahre, um die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen zu halbieren, um die
       schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden. Das entspricht einer
       jährlichen Reduktion um 7,6 Prozent von jetzt an bis 2030.
       
       Das folgt einer Studie des [2][UN-Umweltprogramms] zufolge daraus, dass wir
       die Erhitzung der Erdatmosphäre möglichst bei 1,5 Grad begrenzen wollen. 
       
       Und es übersteigt alles, was die Menschheit jemals geschafft hat. Aber wir
       haben die Lösungen, die Technologien und das Geld dafür zur Hand. Es wird
       jedoch nur passieren, wenn wir uns auf allen auf allen gesellschaftlichen
       Ebenen enorm anstrengen, sowohl in Politik und Wirtschaft als auch
       individuell.
       
       Und Sie glauben, dass das bisher an der mentalen Einstellung scheitert? 
       
       Im Buch argumentieren wir, dass es Beweise im Überfluss dafür gibt, wie
       desaströs die Folgen des Klimawandels sein werden. Aber wir sind überzeugt,
       dass wir uns voreilig zu handlungsunfähigen Opfern verdammen, wenn wir über
       diesem Wissen nur in Verzweiflung, Pessimismus, Hilfslosigkeit und
       Hoffnungslosigkeit abgleiten.
       
       Einige Staaten wie Japan und Russland wollen ihre Klimaziele für 2030
       dieses Jahr nicht oder kaum verschärfen, obwohl das im Paris-Abkommen
       eigentlich verabredet wurde. Die USA treten ganz aus. 
       
       Es ist jetzt fünf Jahre her, dass das Paris-Abkommen unterschrieben wurde –
       und der darin vorgezeichnete Kurs ist in ernsthafter Gefahr.
       Allerspätestens müssen wir im Jahr 2050 klimaneutral sein. Keine Regierung,
       die sich darauf nicht jetzt einstellt, glaubt ernsthaft, dass sie sich an
       das Paris-Abkommen hält.
       
       Die Coronapandemie hat auch eine Debatte darüber angestoßen, wie wir
       generell mit globalen Krisen umgehen. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser
       Krise? 
       
       Erstens haben alle nüchtern gemerkt, dass wir nur so sicher sind wie die
       verletzlichsten unter uns. Niemand von uns ist immun gegen katastrophale
       Ereignisse. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir sowohl politische Maßnahmen
       brauchen, die systematisch verordnet werden, als auch individuelle
       Bereitschaft, das eigene Verhalten zu ändern – und wir haben jetzt gesehen,
       dass beides recht schnell möglich ist.
       
       Und die zweite Erkenntnis? 
       
       Wir Menschen sind zur Solidarität fähig. Wir können gerade viel
       Selbstlosigkeit beobachten: Junge Menschen unterstützen ältere in der
       Isolation. Diejenigen, die im Gesundheitssystem arbeiten, sind sogar zu
       großen Opfern bereit. Sie setzen sich dem Risiko aus, durch ihre Arbeit
       krank zu werden oder zu sterben. Die unmittelbaren Folgen der aktuellen
       Gesundheitskrise sind qualvoll. Es wird viel Leiden geben und wir werden
       viele Leben verlieren, aber die globale Gesundheit wird letztendlich wieder
       zu einem Zustand kommen, der unserer Vorstellung von Normalität ähnelt. Die
       Klimakrise aber wird sich nie wieder umkehren lassen. Was wir brauchen,
       ist der bewusste Entschluss, auch dieser Krise mit Weisheit, den nötigen
       politischen Entscheidungen und der größtmöglichen Anstrengung zu begegnen.
       
       22 Apr 2020
       
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