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       # taz.de -- Ergebnisse des Koalitionsausschusses: Neue Ungerechtigkeiten
       
       > Die Koalition streitet sich wieder – gut. Dennoch regieren Union und SPD
       > in der Krise weiter an den Ärmsten vorbei.
       
   IMG Bild: Große Einigkeit: Finanzminister Scholz und Kanzlerin Merkel am Kabinettstisch
       
       Die Koalition streitet wieder. Das ist in diesen Tagen eine Nachricht, und
       zwar eine gute. Die rigiden Maßnahmen der Pandemiebekämpfung wurden im
       Gleichschritt getroffen. Dort gab es zwar kleine Differenzen zwischen
       einzelnen Beteiligten, aber im Grunde herrschte große Einigkeit.
       
       Das war bei den Beschlüssen anders, die [1][die Koalition in der Nacht
       fasste]. Die Unterschiede waren klar erkennbar: Die SPD wollte für die
       Krisenbekämpfung mehr Geld in die Hand nehmen, die Union warnte vor zu viel
       Freigiebigkeit, weil der Staat handlungsfähig bleiben müsse. Diese
       Renaissance des Streits ist wichtig. [2][Eine Demokratie braucht Dissens],
       um lebendig zu bleiben.
       
       Die Beschlüsse der Koalition enthalten Sinnvolles, aber sie lassen auch
       große Lücken. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ist zum Beispiel
       angemessen, sie nimmt vielen Familien einen Teil ihrer Sorgen. Aber wie bei
       allen sozialen Verbesserungen steckt der Teufel im Detail. Wenn die einen
       etwas bekommen, können sich andere mit Recht beschweren. Aufschläge hier
       provozieren anderswo Ungerechtigkeiten.
       
       Ein gut verdienender BMW-Facharbeiter mit abbezahltem Eigenheim, der in
       Kurzarbeit geht, bekommt in Zukunft bis zu 80 Prozent seines Nettogehaltes
       vom Staat – sogar 87 Prozent, wenn er Kinder hat. Eine schlecht verdienende
       Kellnerin, der gekündigt wurde, bekommt Arbeitslosengeld I. Das liegt nur
       bei 60 Prozent des Nettogehaltes, bei 67 Prozent mit Kind.
       
       Dann wären da die Beschäftigten im großen Niedriglohnsektor, etwa Leute im
       Sicherheitsgewerbe, FriseurInnen oder Reinigungskräfte. Wenn sie von ihren
       Firmen auf Kurzarbeit gesetzt werden, bekommen sie oft weniger als den
       gesetzlichen Mindestlohn. Die Schwachen auf dem Arbeitsmarkt fallen also in
       Hartz IV. Ist das gerecht? Adäquate Antworten finden sich in den
       Beschlüssen nicht.
       
       Die [3][Gastronomie leidet ohne Zweifel besonders] unter der Corona-Krise.
       Aber die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen, die der Branche
       helfen soll, könnte wirkungslos verpuffen. Viele Gastronomiebetriebe machen
       im Moment keinen einzigen Euro Umsatz, entsprechend profitieren sie
       überhaupt nicht von dem Steuernachlass. Anders gestaltete Stützlinien wären
       besser gewesen.
       
       Auch die Hilfe für SchülerInnen aus armen Familien greift zu kurz. 150 Euro
       für ein Gerät, um beim digitalen Unterricht mitmachen zu können: Einen
       gebrauchten Laptop mag man dafür bei Ebay Kleinanzeigen bekommen. Aber
       angesichts der existentiellen Sorgen, die die Krise Hartz IV-BezieherInnen
       bereitet, ist diese Hilfe ein Witz. Für arme Familien ist das Leben gerade
       noch härter, als es eh schon war.
       
       Der Regelsatz in der Grundsicherung reichte schon vorher kaum zum Leben.
       Jetzt schließen in ganz Deutschland Tafeln, die kostenlos Lebensmittel
       verteilen. Das kostenlose Mittagessen für Kinder in Schulen und Kitas fällt
       weg. Dennoch weigert sich die Koalition, die Regelsätze zumindest befristet
       zu erhöhen. Union und SPD regieren in der Krise weiter an den Ärmsten
       vorbei, leider.
       
       23 Apr 2020
       
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