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       # taz.de -- Türkei und Völkermord an den Armeniern: Erster Ort des Gedenkens
       
       > Vor 105 Jahren begann der Völkermord an den Armeniern. Der Journalist
       > Hrant Dink wollte Dialog – und wurde ermordet. Auch seiner wird gedacht.
       
   IMG Bild: Gedenken an Hrant Dink vor der Redaktion von Agos in Istanbul im Januar 2020
       
       Istanbul taz | Weltweit gedenken am Freitag Armenier des Genozids an der
       armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich. Am 24. April 1915 wurde
       hunderte führende Mitglieder der armenischen Gemeinde in Istanbul verhaftet
       und verschleppt. Von den meisten hörten ihre Angehörigen nie wieder etwas.
       
       Doch in diesem Jahr ist alles anders – auch in Istanbul, wo das Verbrechen
       seinen Anfang nahm. Seit 2005, als es erstmals auch in Istanbul eine
       öffentliche Veranstaltung zum Genozid gab, hatten sich jedes Jahr unter den
       misstrauischen Augen der Polizei einige hundert Menschen auf dem zentralen
       Taksim-Platz versammelt und mit einer Schweigeminute der Ermordung und
       Vertreibung der Armenier gedacht. Dieses Jahr bleibt der Platz leer.
       
       Auch wenn die türkische Regierung bis heute bestreitet, dass es einen
       Genozid gab und stattdessen von irregulären Massakern in Zeiten des Krieges
       spricht, haben in den vergangenen 15 Jahren immer mehr Türken gemeinsam mit
       den letzten in Istanbul lebenden Armeniern eine offene Diskussion über
       dieses dunkle Kapitel der Vergangenheit gefordert.
       
       Der bekannteste von ihnen war der Journalist [1][Hrant Dink], der am 19.
       Januar 2007 von türkischen Nationalisten ermordet wurde, gerade weil er
       öffentlich gefordert hatte: „Lasst uns reden“.
       
       ## Plattform des Dialogs
       
       Hrant Dink, ein Armenier, der sich in der türkischen Linken engagiert
       hatte, gründete 1997 gemeinsam mit türkischen und armenischen Freunden die
       zweisprachige Wochenzeitung [2][Agos], die zur Plattform des Dialogs wurde.
       Dink wurde auf der Straße direkt vor der Tür des Hauses, in dem die
       Redaktion logierte, erschossen. Seitdem ist dieser Ort ein Symbol und Platz
       des Protestes, an dem sich jedes Jahr am 24. April tausende Menschen
       versammeln.
       
       Um aus diesem Erinnern einen Weg in die Zukunft zu weisen, haben die
       Mitarbeiter der [3][Hrant Dink-Stiftung] in den ehemaligen Redaktionsräumen
       der Zeitung auf zwei Etagen des großbürgerlichen Wohnhauses im zentralen
       Istanbuler Stadtteil Sisli vor einem Jahr eine Gedenkstätte für Hrant Dink
       eingerichtet. Ohne das ausdrücklich so zu benennen, ist sie gleichzeitig
       der erste permanente öffentliche Ort des Gedenkens an den armenischen
       Völkermord in der Türkei geworden.
       
       Hrant Dink wurde ermordet, weil er in der Türkei den Völkermord zum Thema
       machte. Entsprechend wird in der Gedenkstätte – auch sie ist derzeit wegen
       Corona geschlossen – der Völkermord nun zum Thema der Ausstellung. „Vom
       April 2019 bis heute hatten wir ein sehr erfolgreiches Jahr“, sagt Zeynep
       Taskin, Mitinitiatorin der Gedenkstätte und Mitarbeiterin der
       Hrant-Stiftung. „Es kamen viele Besucher und wir konnten etliche
       erfolgreiche Workshops veranstalten“.
       
       Dabei geht es um armenische Erinnerungsorte insgesamt bis zu den
       Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien. Die Gedenkstätte soll, wie
       auch alle anderen Aktivitäten der Hrant Dink-Stiftung, zur Verständigung
       zwischen Armenien und der Türkei beitragen. Es gibt ein Austauschprogramm
       zwischen armenischen und türkischen Journalisten, bei dem die
       unterschiedlichen Sichtweisen diskutiert werden können.
       
       Bei der Einweihung der Gedenkstätte hatte Rachel Dink, die Witwe von Hrant
       gesagt, sie hoffe, eines Tages noch diplomatische Beziehungen zwischen den
       beiden Ländern zu erleben. Noch ist es nicht soweit. Aber Künstler haben
       für die Gedenkstätte bereits Bronzeschilder mit der Aufschrift „Botschaft
       des Staates Armenien“ und „Botschaft der Türkei“ angefertigt – für den Tag,
       wenn es diese Botschaften geben wird.
       
       24 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mordprozess-Hrant-Dink/!5478612
   DIR [2] /Journalist-zu-Armenien-Resolution/!5309697
   DIR [3] http://www.hrantdink.org/tr
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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