URI: 
       # taz.de -- Ausweitung der Notbetreuung in Kitas: Kita-Eltern weiter unter Druck
       
       > Viele Eltern von Kita-Kindern sind am Limit. Jetzt prescht Niedersachsen
       > mit seinen Wiederöffnungsplänen vor. Doch glücklich machen auch die
       > nicht.
       
   IMG Bild: Wer wann wieder in der Kita herum flitzen darf, ist unklar
       
       Hannover taz | Eigentlich hätte es nur eine kleine Umfrage für interne
       Zwecke sein sollen, sagt Christine Heymann-Splinter von der
       Landeselternvertretung der niedersächsischen Kindertagesstätten (Kita LEV
       NDS). Dann explodierten die Zugriffszahlen. [1][46.749 Teilnehmer
       verzeichnete die Online-Umfrage] innerhalb von einer Woche.
       
       „Die Eltern wollen endlich gehört werden“, schlussfolgert Heymann-Splinter.
       Die Elternvertreter hatten ganz offenbar einen Nerv getroffen – und den
       richtigen Zeitpunkt. Als die Umfrage startete, diskutierte alle Welt die
       Wiederaufnahme von Bundesligaspielen. Als die Elternvertreter die Umfrage
       schlossen und am 4. Mai erste Ergebnisse präsentierten, legte die
       niedersächsische Landesregierung ihren Stufenplan zur Kita-Öffnung vor.
       
       Der Leidensdruck ist hoch, wie die Umfrage zeigt. Die meisten Eltern
       versuchen immer noch, Kinderbetreuung und Job zu Hause irgendwie unter
       einen Hut zu bekommen – die meisten im Homeoffice (31,28 Prozent), einige
       auch über Minusstunden oder eine Reduzierung der Arbeitszeit (8,32
       Prozent), bezahlten (1,85 Prozent) oder unbezahlten (3,68 Prozent) Urlaub.
       
       Zusammen macht diese Gruppe 45,13 Prozent der Befragten aus – und es ist
       absehbar, wie schnell diese Eltern an ihre Grenzen kommen werden oder genau
       da schon sind.
       
       Deshalb plädieren hier auch besonders viele für [2][eine Wiedereröffnung
       der Kitas] vor den Sommerferien (73 Prozent) und 59 Prozent würden es
       begrüßen, wenn es ein [3][Corona-Elterngeld oder Ähnliches] gäbe, das es
       ihnen möglich macht, sich zwischen Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit zu
       entscheiden, statt sich zu zerreißen.
       
       Allerdings zeigen die Daten, die mit der Umfrage erhoben wurden, auch, wer
       hier eigentlich spricht: Die Mehrheit lebt in einer klassischen
       Kleinfamilie aus Mama, Papa und zwei Kindern. Die wenigen
       Alleinerziehenden, die geantwortet haben, stufen ihre Belastung noch einmal
       erheblich höher ein.
       
       Interessant ist, dass eine Option, die die Landesregierung ganz schnell
       möglich gemacht hat, für viele keine Lösung ist: Die Betreuung in privat
       organisierten Kleingruppen können sich 51 Prozent für ihre Familie nicht
       vorstellen.
       
       Über die Gründe kann Heymann-Splinter nur spekulieren. Sie vermutet aber,
       dass es gerade für Familien mit zwei Kindern oft schwierig ist, die
       passenden Partner zu finden. Wen nimmt man da, die Freunde des älteren oder
       des jüngeren Kindes? Außerdem wird die Koordinierungs- und
       Beziehungsarbeit, die hier nötig ist, schnell zur zusätzlichen Belastung.
       
       Der Stufenplan der Landesregierung sieht außerdem eine deutliche
       [4][Ausweitung der Notbetreuung] vor. Auf bis zu 40 Prozent landesweite
       Betreuungsquote möchte man ab 18. Mai kommen, auf bis zu 50 Prozent ab 8.
       Juni. Zusätzlich soll es dann nachmittags Spielgruppen für Vorschulkinder
       und andere geben.
       
       Ob und vor allem welche Eltern damit glücklich werden, steht noch in den
       Sternen. Denn darüber, wer einen Platz in der Notbetreuung bekommt,
       bestimmen in Niedersachsen die Träger. Das Land gibt nur Hinweise, einen
       Rechtsanspruch gibt es nicht.
       
       Einen Platz in der Notbetreuung sollen Eltern bekommen, bei denen
       mindestens ein Elternteil in einem „Berufszweig von allgemeinem
       öffentlichen Interesse in betriebsnotwendiger Stellung“ arbeitet. Vorher
       war an dieser Stelle von Jobs in der kritischen Infrastruktur die Rede. Die
       Liste der Berufe ist damit noch einmal ein Stückchen länger geworden.
       
       Zudem wurden eine Reihe von Härtefällen definiert: Kindeswohlgefährdung,
       Alleinerziehende, die Familie und Beruf sonst nicht mehr vereinbaren
       können, gemeinsame Betreuung von Geschwisterkindern, drohende Kündigungen
       und erheblicher Verdienstausfall. Wie streng diese Voraussetzungen geprüft
       werden und welche Nachweise verlangt werden, bestimmen wiederum die
       Kommunen oder Landkreise.
       
       ## Der Spagat ist nicht vorbei
       
       Die kommunalen Spitzenverbände hätten sich hier klarere Vorgaben gewünscht,
       um den zuständigen Stellen Diskussionen und Konflikte zu ersparen. Das
       Kultusministerium und Landespolitiker halten das nicht für sinnvoll, weil
       die Voraussetzungen vor Ort zu unterschiedlich seien.
       
       Von den durch die Elternvertretung befragten Eltern nutzen bisher nur 10,52
       Prozent die Notbetreuung – obwohl 42 Prozent angeben, dass ein Elternteil
       in einem systemrelevanten Beruf arbeitet. Die Verteilung zwischen Stadt und
       Land ist zudem sehr unterschiedlich und die Betreuungszeiten nicht immer
       bedarfsgerecht, merkt Heymann-Splinter an. Mit fünf Stunden zwischen 8 und
       13 Uhr ist nicht jedem geholfen.
       
       Die Praktiker vor Ort warten nun noch auf die Details – und vertrösten
       Eltern, die gern eine Auskunft hätten. Für nicht wenige Eltern zeichnet
       sich jetzt schon ab: Die Übung im Spagat ist noch lange nicht vorbei.
       
       7 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.kita-lev-nds.de/aktuell08f637f9
   DIR [2] /Coronavirus-in-Deutschland/!5682493/
   DIR [3] /-Corona-News-vom-5-Mai-/!5682930&s=Corona+Elterngeld/
   DIR [4] /Lockerung-der-Corona-Einschraenkungen/!5677151/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
   DIR Eiken Bruhn
       
       ## TAGS
       
   DIR Kita
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Niedersachsen
   DIR Kinderbetreuung
   DIR Alleinerziehende
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Kinder
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Corona Live-Ticker
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kritik an Kita-Öffnung in Berlin: Kitas zunehmend ratlos
       
       Kita-Träger kritisieren den Stufenplan der Jugendverwaltung für die
       Wiederöffnung der Kitas. Die Vorgaben seien nicht zu schaffen.
       
   DIR Fahrplan für Kita-Öffnungen in Berlin: Maximal vier Stunden pro Tag
       
       Innerhalb von 10 Wochen sollen die Kitas „hin zu einem Regelbetrieb“, heißt
       es in einem Stufenplan der Verwaltung. Betreuungszeit wird begrenzt.
       
   DIR Bündnis kritisiert Kita-Notbetreuung: „Alle Eltern brauchen Perspektive“
       
       Die Ausweitung der Kitanotbetreuung in Berlin läuft an den Bedürfnissen der
       Eltern vorbei, kritisiert Corinna Balkow vom Landeselternauschuss Kita.
       
   DIR Kita-Öffnung in Hamburg: Die Kleinsten warten am längsten
       
       Sozialsenatorin legt Zeitplan vor: Ab 18. Mai dürfen die Fünfjährigen
       wieder in die Kita, die Krippenkinder aber frühestens Mitte Juli.
       
   DIR Elternwünsche in Coronazeiten: Selbst gemachtes Leid
       
       Nach einer Umfrage in Niedersachsen kann sich die Hälfte der befragten
       Eltern nicht vorstellen, Kinder privat zu betreuen. Das ist fantasielos.
       
   DIR +++ Corona News vom 7. Mai +++: Rosenheimer Obergrenze hinfällig
       
       Corona-Obergrenze in Rosenheim unterschritten. Kreis Greiz in Thüringen ist
       neuer Infektions-Hotspot. Die Nachrichten zum Coronavirus im Live-Ticker.
       
   DIR Weitgehende Corona-Lockerungen: Deutschland nicht mehr ganz dicht
       
       Viele Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie werden nun aufgehoben. Doch
       die Kanzlerin hat mit den Ländern einen „Notfallmechanismus“ vereinbart.
       
   DIR Vor der Bund-Länder-Konferenz zu Corona: Öffnung mit Notbremse
       
       Das Corona-Infektionsgeschehen hat sich gut entwickelt, sagt die Kanzlerin,
       man könne über Lockerungen reden. Die Vorschläge des Bundes im Überblick.
       
   DIR Kita-Öffnungspläne in NRW: Klassenkampf von oben
       
       Nordrhein-Westfalen will die Kitas so schnell wie möglich wieder öffnen,
       obwohl valide Daten für die Ansteckungsrisiken fehlen. Das ist voreilig.