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       # taz.de -- Maßnahmen gegen Corona: Wie die Maskenpflicht befolgt wird
       
       > Seit Montag gilt in fast allen Bundesländern eine Maskenpflicht. Aber
       > halten sich die Leute auch daran? Unsere Korrespondent*innen haben
       > nachgeschaut.
       
   IMG Bild: Die Polizei in Baden-Württemberg kümmert sich um die Einhaltung der Maskenpflicht
       
       Um das Coronavirus einzudämmen, sollen die Deutschen Maske tragen – seit
       Montag sind sie in den meisten Bundesländern sogar dazu verpflichtet. Ohne
       Mund-Nasen-Bedeckung darf man weder einkaufen noch Straßenbahn oder Bus
       fahren. Verstöße wirken sich nicht nur negativ auf das Infektionsgeschehen
       aus, sondern auch auf den Geldbeutel, denn vielerorts drohen Geldstrafen.
       Aber zeigt das auch Wirkung?
       
       ## Bochum, Nordrhein-Westfalen
       
       Am Montagmorgen um kurz nach zehn ist der Bochumer Hauptbahnhof leer. Nur
       vereinzelt laufen Menschen durch Eingangshalle und zu den Gleisen, eine
       Maske vor Mund und Nase trägt etwa die Hälfte. Andere lassen den Schutz
       lieber ums Kinn baumeln – dabei weist schon die digitale Fahrplantafel auf
       die seit dem heutigen Montag geltende „Verpflichtung zur
       Mund-Nase-Bedeckung“ hin.
       
       Die Pflicht gilt in Nordrhein-Westfalen im Nahverkehr, beim Einkaufen, in
       Praxen von Ärzt*innen – eben überall dort, wo der vorgeschriebene
       Corona-Sicherheitsabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. In
       der leeren Bahnhofshalle aber halten viele die Maske anscheinend für
       unnötig.
       
       Anders sieht es auf den Bahnsteigen aus: An Gleis drei Richtung Düsseldorf
       haben plötzlich fast alle etwas vor Mund und Nase – notfalls ein Tuch oder
       einen Schal. Ein Paar, das ein Gleis weiter mit Kleinkind im Buggy ohne
       Masken in die „Glückauf-Bahn“ des privaten Betreibers Abellio springt,
       fällt auf: Direkt werden sie von einem Mitarbeiter angesprochen. Hektisch
       ziehen sie Masken aus der Tasche, winken damit.
       
       In der Fußgängerzone lässt die überwältigende Mehrheit die Maske dagegen
       vor dem Gesicht baumeln, hält sie in der Hand – oder hat sie vielleicht in
       der Tasche.
       
       Vor Geschäften wie dem Fahrradladen „Balance“ bilden sich lange,
       auseinandergezogene Schlangen. Und im Rewe-Supermarkt gilt nicht nur
       Einkaufswagenpflicht – „Einkaufen nur mit Maske“ mahnt schon ein Schild an
       der Eingangstür. Ein Mitarbeiter mit Maske und Handschuhen spricht alle
       Kund*innen an, die ohne Mund-Nase-Schutz in den Laden wollen. Fast alle
       zaubern dann etwas hervor – im Notfall reicht auch ein Tuch.
       
       Einzelne tragen den Schutz aber nach Art von CDU-Ministerpräsident Armin
       Laschet: Der hatte es vor einigen Wochen geschafft, sich beim Besuch des
       Klinikums Aachen mit einer Maske fotografieren zu lassen, aus der seine
       Nase herausschaute.
       
       von Andreas Wyputta 
       
       ## Rendsburg, Schleswig-Holstein
       
       Ein Rinderschädel, das Symbol des Wacken Open Air, ziert die Stoffmaske,
       mit der sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auf
       der Internetseite der Staatskanzlei präsentiert. Dabei gilt die Pflicht zur
       Bedeckung im Nord-Bundesland erst ab Mittwoch: Schleswig-Holstein ist damit
       das letzte Land, das den Maskenzwang einführt.
       
       Gelten soll die Regelung dann in Läden, Bussen und Taxen. Der späte
       Zeitpunkt solle „den Bürgerinnen und Bürgern Zeit geben, sich auf die neue
       Situation einzustellen“, so Günther. Auch ohne Pflicht sind schon jetzt
       viele Menschen mit verdeckter Mund- und Nasenpartie unterwegs. Supermärkte
       bieten ihren Kund*innen Einweg-Masken für den Einkaufsbummel an.
       
       von Esther Geißlinger 
       
       ## Karlsruhe, Baden-Württemberg
       
       Das Leben ist nach Karlsruhe zurückgekehrt, wenn auch verhalten. Die Stadt
       ist im Umland beliebt für ihre Fußgängerzone, doch am Montag sind die
       Straßenbahnen Richtung Innenstadt leer. Immerhin die meisten der
       verstreuten Insassen tragen ein Stück Stoff oder Flies vor dem Mund. Die
       Kontrollen scheinen am ersten Tag der Mundschutzpflicht noch locker
       gehandhabt zu werden.
       
       Auch in den Geschäften sind Masken nun vorgeschrieben. In einem Musikladen
       hat ein Mitarbeiter sein schwarzes Halstuch deshalb in Biker-Manier über
       die Nase gezogen.
       
       Professionellere Masken bekommt man etwa in der „Tragware“, einem Geschäft
       für nachhaltige Produkte von der Handtasche bis zur Bratpfanne. Die Masken,
       die man hier erwerben kann, stammen aus regionaler Produktion, der Preis
       von 10 Euro liegt dafür aber auch im oberen Segment.
       
       Auch Einmalschutzmasken werden vielerorts angeboten. Im Stadtbild
       dominieren aber die „Stofflappen“, deren Wirkung teils angezweifelt wird.
       
       Das Gegenteil ist aber auch nicht besser: Ein Argument gegen eine
       Maskenpflicht ist, dass damit ohnehin knappe Maskenbestände weiter
       schrumpfen könnten. Läuft man durch Karlsruhe, drängt sich der Verdacht
       auf, dass da durchaus was dran sein könnte: Vor allem Ältere tragen
       auffallend oft Masken in Krankenhaus-Blau.
       
       von Benno Stieber 
       
       ## Erfurt, Thüringen
       
       Im Eingangsbereich der Erfurter Edeka-Filiale steht eine Schaufensterpuppe.
       Sie trägt ein knallgelbes Poloshirt, einen Einkaufskorb zu ihrer Linken –
       und einen Mundschutz. Vor ihr thront ein großes Schild: „Einkaufen nur mit
       Korb und Mundschutz möglich“.
       
       Das Mannequin scheint Wirkung zu zeigen – auch wenn es nur halb so
       respekteinflößend aussieht wie manch ein Sicherheitsmitarbeiter, der
       derzeit in anderen Geschäften auf Coronaschutzmasken kontrolliert: In
       diesem Supermarkt trägt jedenfalls jede*r einen Gesichtsschutz.
       
       von Luisa Kuhn 
       
       ## Frankfurt am Main, Hessen
       
       An diesem Montag sind deutlich mehr Menschen mit Gesichtsmasken unterwegs,
       als in den Vortagen. Viele tragen sie „auf Halbmast“, also unter dem Kinn.
       Erst unmittelbar vor dem Einsteigen in Busse und Bahnen oder beim Betreten
       der Geschäfte wird dann der Atemschutz hochgezogen. Vor allem bei Männern
       ist das Model „Halstuch“ beliebt. Ein stylisches Tuch um dem Hals gebunden,
       das sich leicht über Mund und Nase hochziehen lässt.
       
       Auf der Zeil, der in besseren Zeiten umsatzstärksten Verkaufsmeile in
       Deutschland, schlendert ein Mittfünfziger im Busines-Outfit; an der rechten
       Hand baumelt die Maske. Er hält sie am Gummiband, das eigentlich hinter die
       Ohren gehört.
       
       Im Asiashop drückt sich in den ohnehin engen Gängen eine Mitarbeiterin
       vorbei, den Mundschutz nach unten geschoben. Auf einer Bank sitzt ein
       junger Mann mit einem Kaffee to go, er hat die Maske neben sich gelegt.
       
       Trotz der „Teilöffnng“ ist an diesem Montag wenig los. Den Parfumladen an
       der Ecke darf man nur mit Maske betreten. Der freundliche Verkäufer bittet,
       zunächst die Hände zu waschen und zu desinfizieren, erst dann beginnt er
       das Verkaufsgespräch.
       
       Sehr viel laxer geht es in der legendären Kleinmarkthalle zu, in der
       Gourmets und Gastronomen Obst, Gemüse und Fleisch einkaufen. An einem Stand
       arbeitet ein Metzger, die Maske hängt an einem Ohr, weil sie ihn so weniger
       behindert. Sein Nachbar hält offensichtlich gar nichts von Schutzmaßnahmen.
       Er zeigt unbeeindruckt sein Gesicht.
       
       Nebenan bietet ein Copyshop Masken zu Verkauf. Zehn Stück der einfachen
       kosten zehn Euro. Gegen Mehrpreis kann man edlen Mundschutz individuell
       bedrucken lassen. Zum Beispiel mit der Botschaft „Abstand halten!“ Vor der
       traditionsreichen Samenhandlung in der Töngesgassse warten schon am frühen
       Morgen Kunden. Nur vier dürfen auf einmal rein. „Batavia-Pflanzen sind für
       Wochen ausverkauft“, sagt der Chef. Dank Corona haben die Menschen Zeit zum
       Gärtnern. Ob er Menschen ohne Schutzmaske wieder wegschickt? „Nein, das ist
       nicht mein Job,“ sagt er und verweist auf die Kompetenzn der
       Ordnungskräfte.
       
       von Christoph Schmidt-Lunau 
       
       ## Helmsbach, Bayern
       
       Ein Baumarkt in der oberbayerischen Kleinstadt Miesbach südlich von
       München. Der Landkreis Miesbach galt zeitweise als einer der
       Corona-Hotspots Bayerns. Die Einkaufswagen vor dem Eingang sind abgezählt.
       Wer reinwill, muss sich einen nehmen, pro Wagen sind nicht mehr als zwei
       Kunden erlaubt. So ist gewährleistet, dass die maximale Kundenzahl im Markt
       nicht überschritten wird.
       
       An diesem Montagmittag sind alle Einkaufswagen im Einsatz. An der Tür wird
       man freundlich begrüßt: „Darf ich bei Ihnen desinfizieren?“, fragt ein
       Baumarktmitarbeiter und wischt über den Griff des Wagens. Auf Wunsch werden
       sogar die Hände desinfiziert. „Sie müssen nur die Maske aufsetzen“, sagt
       seine Kollegin zu einem Kunden, „sonst wird’s teuer.“ In der Tat: Mit 150
       Euro Buße aufwärts müssen Kunden seit heute rechnen, die gegen die Auflagen
       verstoßen, beim Ladenbesitzer geht es sogar in die Tausende.
       
       Hier im Baumarkt nimmt man es schon seit der Wiedereröffnung vor einer
       Woche sehr ernst mit allen Auflagen. Die Angestellten trugen von Beginn an
       Mundschutz. Sogar der Gabelstablerfahrer draußen auf dem Parkplatz trägt
       jetzt eine Maske. Auch die Kunden halten sich an das Vermummungsgebot.
       „Leit, gebt’s Obacht“, schallt zudem in regelmäßigen Abständen eine Ansage
       durch den Markt und bittet darum, möglichst bargeldlos zu zahlen und einen
       gewissen Abstand zum Gegenüber einzuhalten.
       
       Das ist der Punkt, der offensichtlich am schwersten fällt. Die Auslegung
       von 1,5 Metern Mindestabstand variiert stark. Oft sind es nur 50 Zentimeter
       – teils weil die Gänge zu schmal sind, teils weil die Menschen nicht bereit
       sind, auch mal an einer breiteren Stelle zu warten, um andere
       vorbeizulassen.
       
       In den Supermärkten ist die Veränderung noch stärker zu spüren. Beispiel
       Hausham, eine Gemeinde noch ein paar Kilometer weiter im Süden: Hier trugen
       vergangene Woche nur vereinzelte Kunden Maske oder Schal, von den
       Mitarbeitern niemand – trotz „Mundschutzgebots“. Jetzt, wo aus dem Gebot
       eine Pflicht geworden ist, halten sich fast alle an die Regel.
       
       Ein Mann, der den Supermarkt ohne Mundschutz betreten hat, erschrickt nach
       ein paar Metern, als er die vermummten Gestalten um sich herum sieht, kramt
       in seiner Tasche und holt eine Skimaske heraus. Nur an der Kasse steht eine
       Kundin unmaskiert. Sie unterhält sich mit der Kassiererin, die zwar eine
       Maske trägt, sie sich aber nicht über die Nase gezogen hat. Sie klagt, wie
       anstrengend die Maske sei, wenn man den ganzen Tag reden müsse. Eine Kundin
       habe sich schon beschwert, dass sie die Maske nicht ordentlich trage. Der
       habe sie gesagt: „Dann setzen Sie sich mal hierher.“
       
       von Dominik Baur 
       
       Aktualisiert am 28.04.2020 um 18:06 Uhr
       
       27 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
   DIR Esther Geißlinger
   DIR Benno Stieber
   DIR Luisa Kuhn
   DIR Christoph Schmidt-Lunau
   DIR Dominik Baur
       
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