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       # taz.de -- Angriff auf Team der ZDF-„heute show“: Woher diese Gewalt?
       
       > Laut Polizei soll der Angriff auf das ZDF-Team von Linken ausgegangen
       > sein. Die Frage nach Tätern und Motiv ist aber komplizierter.
       
   IMG Bild: Rohe Gewalt – Nach der Attacke liegt die Ausrüstung des ZDF-Teams auf dem Boden des Tatorts
       
       Berlin taz | Wie in einem Zombiefilm sei das gewesen, nur dass die Zombies
       in diesem Film rennen können. Bis zur letzten Sekunde habe er gedacht, dass
       die Gruppe von 15 bis 20 Personen gar nicht auf ihn und sein Team zurenne,
       sondern weg von der Polizei – so beschreibt Satiriker Abdelkarim Zemhoute
       den Angriff.
       
       Der ZDF-Kollege, der ihn interviewt, fragt nach den Tätern. „Hauptsächlich
       schwarz gekleidete, vermummte Leute“, antwortet Zemhoute, er würde aber
       keinen wiedererkennen können. Was waren das für Leute? „Ich kann das echt
       nicht sagen“, antwortet Zemhoute auf die Nachfragen. Er frage sich aber,
       was die Angreifer getrieben habe. Auch eine Woche nach dem [1][Angriff auf
       ein Team der „heute show“] gibt es noch keine Antworten auf diese Fragen.
       
       Der Tatort hinter dem S-Bahn-Bogen zwischen Alexanderplatz und Hackescher
       Markt ist eine ausgestorbene Gasse. Motorrad-Museum, Steak-House, Pub – bis
       auf ein Café hat die touristische Infrastruktur in Zeiten von Corona
       geschlossen. Die ruhige Ecke in der Nähe vom Rosa-Luxemburg-Platz war
       Rückzugsort für das ZDF-Team, das dort bei einer Kundgebung von
       Coronaleugnern und Verschwörungsideologen gedreht hatte.
       
       Hier telefonierte der Produktionsleiter gerade nach Köln, Zemhoute saß auf
       einem Fahrradständer, ein anderer Kollege war mit seinem Handy beschäftigt,
       es herrschte Feierabendstimmung, als die Gruppe das siebenköpfige Team
       angriff, zu dem auch Kameramann, Assistent und drei Sicherheitsmitarbeiter
       gehörten.
       
       [2][Die Täter schlugen und traten unvermittelt zu, offenbar auch mit einer
       Metallstange]. Bis auf Zemhoute, der flüchten konnte und die Polizei
       alarmierte, mussten alle im Krankenhaus behandelt werden. Bundespolitiker
       von Heiko Maas bis Horst Seehofer verurteilten die Tat. Regierungssprecher
       Steffen Seibert sprach von der Bedrohung der Pressefreiheit durch
       „Extremisten aller Richtungen“.
       
       Bald nach der Tat nahm die Polizei sechs Verdächtige fest, die mit
       Fahrrädern und einem Auto unterwegs waren. Vier Männer im Alter von 24,
       zwei mal 25 und 31 Jahren sowie zwei Frauen, 25 und 27 Jahre alt.
       Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln wegen gefährlicher
       Körperverletzung, festgenommen wurden die Verdächtigen in „Tatortnähe“,
       heißt es in deren Pressemitteilung vom Montag. Auf taz-Anfrage nennt die
       Polizei die Oranienburger Straße, auf der es offenbar an mehreren Stellen
       Zugriffe gab. Konkreter wird sie nicht, dabei verschwimmt die Tatortnähe
       mit der Länge der Straße. Während der Anfang der Hauptstraße 600 Meter vom
       Tatort entfernt ist, liegt ihr Ende bereits 1,7 Kilometer entfernt.
       
       ## Täter aus dem „linken Spektrum“?
       
       Nach der Festnahme wurden die Verdächtigen an den Tatort gebracht, auch das
       sagt die Polizei der taz. Sie sagt aber nicht, warum, also ob dies etwa zum
       Zweck einer Gegenüberstellung erfolgte. Fotos von der Festnahme zeigen zwei
       Frauen in Handschellen, klein und schmächtig, zu sehen sind auch zwei der
       Männer. Satiriker Zemhoute sagt im Interview, drei oder vier Angreifer
       seien „durchtrainiert“ gewesen, die anderen „schlank“. Von den Verdächtigen
       auf den Fotos hat keine die Statur eines Kampfsportlers. Auch Berliner
       Demo-Fotografen, die in ihren Archiven, auch der vergangenen Hygiene-Demos,
       nach ihnen suchen, sind ratlos. Niemand hat je einen von ihnen gesehen.
       
       Schon am Tag nach dem Angriff berichten Zeitungen von mutmaßlichen Tätern
       aus dem „linken Spektrum“, sie beziehen sich auf die Staatsanwaltschaft,
       später auch auf die Berliner Polizei. Die Bild-Zeitung schreibt am Montag
       von „Linksextremisten“, die auf die Journalisten eintreten. Die
       Ermittlungen hat inzwischen der für politische Straftaten zuständige
       Staatsschutz übernommen. Drei Personen, die beiden 25-Jährigen und der
       24-Jährige, sind bei der Polizei in der Datei „Politisch motivierte
       Kriminalität links“ gespeichert, wegen Verstößen gegen das
       Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung, so die Berliner
       Polizei.
       
       Am Tag nach dem Übergriff werden alle sechs Verdächtigen freigelassen. Nur
       gegen zwei habe sich ein „dringender Tatverdacht“ erhärtet, Haftgründe
       lägen keine vor, so die Staatsanwaltschaft. Solche wären, so sagt es
       Strafverteidiger Hannes Honecker der taz, Flucht-, Verdunkelungs- und
       Wiederholungsgefahr. Beispiele vergangener Jahre beim 1. Mai oder Protesten
       gegen das G20-Treffen aber zeigen: Mitunter sitzen Täter, etwa für
       Flaschenwürfe, lange in Untersuchungshaft, auch wenn wenig dafür spricht,
       dass sie flüchten könnten.
       
       ## Motiv unklar
       
       „PMK“ steht für politisch motivierte Kriminalität, die Statistik wird seit
       2001 für rechte, religiös motivierte, aber auch linke Gewalt als
       „Eingangsstatistik“ erhoben, das heißt, die Einträge erfolgen schon zu
       Beginn polizeilichen Ermittlungen und somit auf Basis von Anfangsverdacht.
       Weil die Einordnung von der Polizei abhängt, sei sie [3][anfällig für
       Verzerrungen, kritisieren Expert:innen]. Auch Honecker sagt: „Die Datei ist
       fehleranfällig, die Kriterien nicht öffentlich überprüfbar.“
       
       Ob und was die sechs Festgenommenen für „Linke“ sind und aus welchen
       Motiven sie das Team der „heute show“ angegriffen haben, ist zum
       gegenwärtigen Zeitpunkt nicht klar. So halten Polizei und
       Staatsanwaltschaft am Montag zwar daran fest, dass die Verdächtigen
       „teilweise der ‚linken Szene‘ zuzurechnen seien“, sie geben aber auch zu,
       dass sich die Aufklärung schwierig gestalte, da die bisherigen
       Zeugenaussagen kein einheitliches Bild ergäben. Zudem sagte Martin
       Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, der taz am Mittwoch, dass jene
       beiden Festgenommenen, gegen die sich der Tatverdacht erhärtet habe, nicht
       jene seien, die in der polizeilichen Statistik als Linke auftauchen. Auch
       das lässt an der These, die Angreifer seien Linke gewesen, zweifeln.
       
       Oder sind die Angreifer vielleicht solche „Linke“, die bei der
       veschwörungstheoretischen Hygiene-Demo unterwegs waren, wo Links und Rechts
       seit Ende März zu einer kruden Querfront zusammenschmelzen? Der Hass auf
       die „heute show“, als linke Propopagandashow des Staatsfunks verschimpft,
       ist vor allem bei Rechten groß.
       
       Aber auch die Szene der Verschwörungsideologen ist überaus misstrauisch:
       Schon am 30. April kündigt Bernhard Loyen auf der Seite des
       verschwörungstheoretischen Medienmachers Ken Jebsen den Besuch des „heute
       show“-Teams an: „Ich konnte durch Zufall in Erfahrung bringen, man möchte
       gezielt Verpeilte und Verstrahlte rauspicken, um sie für das dürstende
       ZDF-Publikum vorzuführen. Lächerlich machen.“ Wer an den rechtsoffenen
       Hygiene-Demos teilnimmt, sei für das ZDF „Verschwörungstheoretiker,
       Verpeilter oder Nazi oder alles drei in individueller Mischung“.
       
       Dass nach der Tat rechtsextreme Foren vor Genugtuung überquollen, passt ins
       Bild. Ebenso passt, dass ein Mann am Mittwochabend vor dem
       Reichstagsgebäude bei einer Demo gegen Coronabeschränkungen [4][ein
       ARD-Kamerateam angegriffen hat]. Der Tatverdächtige ist, nach seiner
       Festnahme vor Ort, wieder frei. Es liegt eine Strafanzeige wegen
       Körperverletzung vor.
       
       8 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Angriff-auf-Team-der-ZDF-heute-show/!5679810
   DIR [2] /Angriff-auf-Team-der-ZDF-heute-show/!5682699
   DIR [3] https://www.idz-jena.de/wsddet/praxis-und-probleme-bei-der-erfassung-politisch-rechtsmotivierter-kriminalitaet-durch-die-polizei/
   DIR [4] /Attacke-auf-ARD-Team-bei-Coronademo/!5683537
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
   DIR Volkan Ağar
       
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