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       # taz.de -- Neustart der Fußball-Bundesliga: Danke, danke, danke!
       
       > Die Einigkeit der Profiklubs ist größer denn je. Selbst beim gern
       > rebellischen 1. FC Union Berlin preist man die Deutsche Fußball-Liga.
       
   IMG Bild: Präsident und auch mal Volksheld: Dirk Zingler (l.) mit Sebastian Polter bei der Aufstiegsfeier
       
       Zehn Tage vor dem großen Auftritt gegen Bayern München durften die Profis
       von Union Berlin am Donnerstag im Stadion an der Alten Försterei üben. Und
       lockerer ist vor solch einem Spiel wohl noch nie trainiert worden in der
       Fußball-Bundesliga. Vor den jeweiligen Toren hatte sich der Kader
       weitflächig und recht statisch aufgeteilt. Eckbälle ohne Gegenspieler
       wurden einstudiert. Die Spieler kamen sich dabei nicht zu nahe. Für den
       Trainingsplan war nicht Trainer Urs Fischer, sondern wohl ein letztes Mal
       das lokale Berliner Gesundheitsamt verantwortlich.
       
       Die Szenerie verdeutlichte, wie rasant die Profis sich nun umzustellen
       haben. Denn vor der Heimpartie gegen die Bayern wird Fischer sein Team in
       den nächsten Tagen sicherlich darauf einschwören, dass man dem
       Rekordmeister keinen Millimeter Platz lassen darf und ein solches Spiel
       allenfalls über eine intensive Zweikampfführung zu gewinnen ist. Lediglich
       die Rahmenbedingungen des Trainings waren schon sehr wettbewerbsnah. Auf
       den Rängen des Stadions befanden sich nur ein paar Pressevertreter.
       
       Klagen über [1][die Hetze bei der Wiederaufnahme der Saison] wird man in
       der Fußballbundesliga nicht hören. Selten war die Einheit der Profivereine
       größer. Das veranschaulicht gerade das Beispiel Union Berlin gut. Ein
       Verein, der seinen Oppositionsgeist akkurater pflegt als seinen Rasen. Am
       Donnerstag vernahm man aber von Präsident Dirk Zingler ungewohnt
       vorbehaltlose Lobpreisungen über den Ligaverband: „Ich bin dankbar, dass
       wir so eine professionelle Organisation haben mit so einem starken
       Konzept.“ Ein Satz, den man sich bei der DFL möglicherweise einrahmen
       lassen wird.
       
       Das Wort „dankbar“ fiel auf der Pressekonferenz von Union Berlin mit
       Zingler ohnehin am häufigsten. „Dankbar“ war Zingler auch den politischen
       Entscheidungsträgern, die das Hygienekonzept der DFL für gut befunden
       hatten und am Mittwoch den Saisonstart genehmigten.
       
       ## Große Erleichterung
       
       Und ähnlich wie viele Klubvertreter bevorzugte der Präsident von Union die
       leisen Töne. Kritik aus der Gesellschaft am frühen Wiederbeginn seien
       nachvollziehbar. „Dass die Menschen unzufrieden sind, wenn es im
       Kindergarten langsamer geht als im Fußball, das ist doch mehr als
       verständlich.“ Er erklärte aber auch: „Was ist die Alternative? Sollen wir
       das eine nicht tun, weil das andere nicht geht?“
       
       Die Erleichterung darüber, dass das Geschäftsrad des Fußballs trotz der
       nach wie vor unsicheren Perspektiven wieder in Gang gebracht wird, ist
       allerorten mit Händen zu greifen. Wesentlich forscher und eigenwilliger
       verhielt man sich [2][bei Union noch Anfang März]. Entgegen den
       Empfehlungen von Gesundheitsminister Jens Spahn hielt man damals lange an
       den Plänen fest, die Partie gegen den FC Bayern vor Zuschauern stattfinden
       zu lassen. Zingler folgte den lockeren lokalen Behörden und sagte: „Es muss
       in der Region vor Ort entschieden werden, deshalb entscheidet nicht Herr
       Spahn, sondern die Gesundheitsbehörde in Köpenick.“
       
       Die Coronakrise hat viele gelehrt, Fehleinschätzungen zu korrigieren und
       sich mit neuen Ideen zu befassen. Sogar der Unternehmer Martin Kind,
       Präsident von Hannover 96 und bislang nicht als Freund von
       Geschäftsbeschränkungen bekannt, brachte dieser Tage den Vorschlag einer
       Gehaltsobergrenze ein. Ist das Profigeschäft wandlungsfähig? Bei dieser
       Frage erwachte wiederum der Oppositionsgeist von Dirk Zingler. Er wies
       darauf hin, solche Obergrenzen habe man bereits [3][in einem
       Positionspapier 2018 vorgeschlagen]. Damals prangerte Union die
       „krisenhaften Symptome“ des deutschen Profifußballs an und rief zu einem
       Kurswechsel auf. Ernst nahm das bei der DFL niemand.
       
       Grundsätzlich, sagt Zingler, stelle er nun eine größere Bereitschaft fest,
       sich mit solchen Themen zu beschäftigen. „Die letzten Wochen haben dazu
       geführt, dass solche Diskussionen geführt werden. Wir werden uns als Verein
       daran beteiligen.“ Die Diskussion müsse aber über den Fußball hinaus
       geführt werden. Es habe ihn verwundert, dass sogar CSU-Entwicklungsminister
       Gerd Müller von der Krise des Kapitalismus gesprochen habe. Deutschland
       könne bei derartigen Debatten „eine Vorreiterposition“ einnehmen.
       
       Man wird sehen, wie groß die Koalitionen noch sind, wenn die recht
       allgemeinen Bekundungen des Reformbedarfs dann etwas konkreter und
       detaillierter diskutiert werden. Und wie sehr sich die Fußballklubs vom
       Alltag wieder vereinnahmen lassen. Das wichtigste Thema beim 1. FC Union
       ist seit Mittwoch der nächste Gegner, der FC Bayern. Und dann folgt schon
       das Lokalderby gegen Hertha BSC, und drei, vier Tage später geht es gegen
       Mainz 05 weiter. Sollte das Hygienekonzept der DFL funktionieren, könnte
       die Liga wieder schnell zum Hamsterrad werden.
       
       8 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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