URI: 
       # taz.de -- EU erwägt Verfahren gegen Deutschland: Katastrophales Urteil
       
       > Schwere Folgen des Bundesverfassungsurteils gegen die EZB:
       > EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwägt Verfahren gegen
       > Deutschland.
       
   IMG Bild: Mit dem EZB-Urteil hat Karlsruhe die EU in eine weitere Krise gestürzt
       
       Brüssel taz | [1][Der Streit über die Anleihekäufe der Europäischen
       Zentralbank (EZB) spitzt sich zu.] Sowohl der Europäische Gerichtshof
       (EuGH) als auch die EU-Kommission haben das Bundesverfassungsgericht in die
       Schranken gewiesen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwägt
       sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.
       
       Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe [2][hatte die Anleihekäufe in der
       vergangenen Woche als teilweise verfassungswidrig bezeichnet.] Die Richter
       übergingen dabei auch das oberste EU-Gericht. Dessen Entscheidung zugunsten
       der EZB sei „objektiv willkürlich“, rügten die deutschen Juristen ihre
       europäischen Kollegen.
       
       Seitdem liegen die Nerven blank. Der EuGH brach mit der guten Tradition,
       die Urteile anderer Gerichte nicht zu kommentieren, und las Karlsruhe die
       Leviten. Das Europarecht habe Vorrang, stellten die Luxemburger Richter
       fest. Wer davon abweiche, laufe Gefahr, „die Einheit der Rechtsordnung der
       EU (zu) gefährden“.
       
       Der zweite Paukenschlag kam am Samstag aus Brüssel. Erst forderte der grüne
       Finanzexperte und Europaabgeordnete Sven Giegold die EU-Kommission in einem
       offen Brief auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
       einzuleiten.
       
       ## Von der Leyen: „Sache ist sehr ernst“
       
       Nur zwei Stunden später schaltete sich Behördenchefin von der Leyen in den
       Streit ein. „Die Kommission ist dabei, das mehr als 100 Seiten lange Urteil
       des deutschen Bundesverfassungsgerichts im Detail zu analysieren“, schrieb
       die CDU-Politikerin. „Auf der Basis dieser Erkenntnisse prüfen wir mögliche
       nächste Schritte bis hin zu einem Vertragsverletzungsverfahren.“ Sie nehme
       „diese Sache sehr ernst“.
       
       Der Streit über die Anleihekäufe ist zum Politikum geworden – und das
       mitten in einer der schwersten Wirtschaftskrisen. Die EZB versucht mit
       ihrem Kaufprogramm die Konjunktur zu stützen. Wenn sich das
       Bundesverfassungsgericht durchsetzt, könnte es damit jedoch bald vorbei
       sein. Das Karlsruher Urteil gelte zwar nicht für das laufende
       PEPP-Programm, so Giegold. Es sei jedoch zu befürchten, dass sich
       Bundesbank, Bundesregierung und Bundestag „nun in der Pflicht sehen,
       mindestens gegen die derzeitige Ausgestaltung von PEPP vorzugehen“.
       Karlsruhe nötige Deutschland „in einen Konflikt mit der EZB“, schrieb er.
       Deshalb müsse sich die EU hinter den Europäischen Gerichtshof stellen.
       
       ## Gefundenes Fressen für Polen und Ungarn
       
       Mit dieser Meinung steht Giegold nicht allein. Auch die
       SPD-Europapolitikerin Katarina Barley sprach von einem fatalen Signal. Der
       Chef der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber, warnte in der FAS, die
       Entscheidung dürfe nicht dazu führen, dass Polen und Ungarn sich nicht mehr
       an Entscheidungen des EuGH gebunden fühlten.
       
       Diese Sorge treibt auch Kommissionschefin von der Leyen um. Sie hat bereits
       mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau und Budapest
       eingeleitet. Wenn sich Deutschland nun ungestraft über das Europarecht
       hinwegsetzen sollte, könnten sich Polen und Ungarn daran ein Beispiel
       nehmen, fürchtet man in Brüssel. Die gemeinsame Wirtschaftspolitik sei in
       Gefahr.
       
       Die Antikrisenpolitik stützt sich bisher vor allem auf die Anleihekäufe der
       EZB. Ohne die Hilfe aus Frankfurt könnten klamme Staaten wie Italien in
       Schieflage geraten. Auch Deutschland profitiert davon. Die niedrigen Zinsen
       bescheren dem deutschen Fiskus Einsparungen in Milliardenhöhe.
       
       10 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /EZB-Urteil-des-Bundesverfassungsgerichts/!5680003/
   DIR [2] /Verfassungsrichter-zu-Anleihekaeufen/!5682971/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundesverfassungsgericht
   DIR Urteil
   DIR Ursula von der Leyen
   DIR Sven Giegold
   DIR Bundesverfassungsgericht
   DIR Coronabonds
   DIR EZB
   DIR Bundesverfassungsgericht
   DIR EZB
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR EZB-Entscheid vom Bundesverfassungsgericht: Von der Leyen wird gründlich prüfen
       
       Wie es nach dem Urteil zur EZB weitergeht, ist offen. Ein
       Vertragsverletzungsverfahren ist möglich, ein Showdown ist aber
       unwahrscheinlich.
       
   DIR Europäische Solidarität zu Coronazeiten: Coronabonds beliebter als gedacht
       
       48 Prozent der Deutschen wollen europäische Staatsanleihen, um Italien im
       Euro zu halten. Das sagt eine Studie des Max-Planck-Instituts.
       
   DIR EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Perfider Quatsch
       
       Das Bundesverfassungsgericht beschädigt mutwillig den Ruf der EZB – allein
       um sich selbst mit Bedeutung zu umwehen.
       
   DIR Verfassungsrichter zu Anleihekäufen: Karlsruhe nimmt EZB an die Leine
       
       Das Bundesverfassungsgericht stellt fest: Die EZB überschreitet ihre
       Kompetenzen. Die Entscheidung ist ein Affront gegenüber EU-Institutionen.
       
   DIR Verfassungsgericht urteilt zu EZB: Ankäufe teils verfassungswidrig
       
       Die EZB hat mit Ankäufen von Staatsanleihen teilweise gegen das Grundgesetz
       verstoßen. Bundestag und Regierung hätten die Beschlüsse prüfen müssen.