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       # taz.de -- Finanzen im Profi-Fußball: Druck zur Veränderung
       
       > Hannover-96-Boss Martin Kind will mit einer Gehaltsobergrenze zu
       > vernünftigerem Wirtschaften kommen.
       
   IMG Bild: Sieht die Zeit für eine Gehaltsobergrenze gekommen: 96-Chef Martin Kind
       
       Hannover taz | Der bezahlte Fußball ist zum Weiterspielen gezwungen. Dass
       ab Samstag Geisterspiele ausgetragen werden, um die Saison 2019/20
       irgendwie doch noch zu Ende spielen zu können, hat schlichtweg monetäre
       Gründe. Parallel dazu gibt es Ideen dazu, wie Deutschlands beste
       Mannschaften künftig mit mehr Vernunft und Weitsicht finanziert werden
       können. Martin Kind, der Vordenker und Hauptgesellschafter von Hannover 96,
       hat dafür den sogenannten Salary Cap ins Gespräch gebracht. Diese vor allem
       im US-Sport etablierte Regelung deckelt die Gehälter der Spieler in
       Relation zum Umsatz der Vereine.
       
       In Nordamerika läuft das so: Führende Sportarten wie Eishockey, American
       Football oder Basketball folgen der Regel, dass innerhalb einer Liga genau
       festgelegt ist, wie hoch das Budget der einzelnen Vereine für ihren
       Personaletat sein darf. Den Vereinen in den USA wird im Grunde eine
       Chancengleichheit verordnet, die für mehr Spannung und hohe Aufmerksamkeit
       sorgen soll.
       
       Auf den deutschen Fußball übertragen würde das bedeuten: Werder Bremen
       bekäme vorgeschrieben, dass es pro Saison nicht mehr als zum Beispiel 70
       Millionen Euro Gehalt an seine Spieler zahlen darf. Für Werders
       Konkurrenten würde eine andere Obergrenze festgelegt, entsprechend ihrem
       Umsatz. Ob dann ein Werder-Profi 60 Millionen Euro verdient und alle
       anderen Teamkollegen zehn Millionen Euro unter sich aufteilen müssen, wäre
       egal. Der Salary Cap nach amerikanischem Vorbild würde also nicht
       zwangsläufig ein Schrumpfen der Gehälter für alle Spieler bewirken.
       
       Was sich im ersten Moment klug anhört, passt leider nur bedingt zum
       aktuellen Modell des deutschen Profifußballs. Denn während sich der
       US-Sport innerhalb eines festen Franchise-Systems bewegt, befindet sich der
       Profifußball im europäischen Wettbewerb. Es müsste also mindestens eine
       Einigung auf Ebene der Uefa her.
       
       Trotzdem: Der Vorstoß von Kind ist nicht schlecht, weil er Teil einer
       Debatte darüber ist, ob sich der millionenschwere Fußball nicht mehr
       Zurückhaltung und Demut auferlegen sollte. Ewald Lienen hat in seiner
       Funktion als Technischer Direktor des Zweitligisten FC St. Pauli angemerkt,
       dass man über Obergrenzen für Gehälter und eine Begrenzung der Ablösesummen
       für Spieler nachdenken sollte. Das könne für viele Vereine ein Weg aus dem
       Dilemma sein, dass sich der deutsche Fußball in den Würgegriff des Geldes
       begeben habe.
       
       Der Druck, etwas anders zu machen, ist vor allem bei kleineren Vereinen
       spürbar – wie etwa bei Hannover 96. Oder bei jenen Klubs, die seit geraumer
       Zeit an der Grenze zur Insolvenz entlangdribbeln – wie der FC Schalke 04.
       
       Etwas gelassener können es Vereine wie der VfL Wolfsburg angehen, den der
       Volkswagen-Konzern finanziert. „Das System des deutschen Fußballs ist nicht
       total marode“, findet VfL-Geschäftsführer Jörg Schmadtke. „Es hat
       moralische und ethische Mängel. Aber es funktioniert.“ Seine Befürchtung
       lautet: Sobald der Ball wieder rollt und damit auch der Rubel, sind
       Gedankenspiele über die Abkehr vom Größenwahn schnell wieder vergessen.
       
       Schmadtke und Kind schlagen beide vor, dass sich die deutschen Vereine
       künftig besser auf schlechte Zeiten vorbereiten und finanzielle Polster
       bilden sollen. Kind will eine Art Solidarfonds ins Leben rufen, um schwache
       Vereine vor Schieflagen bewahren zu können. Für Schmadtke wäre sinnvoll,
       dass alle Erst- und Zweitligisten einen gewissen Prozentsatz ihres Umsatzes
       für schlechte Zeiten zurücklegen. Das könnte in eigener Sache oder mit
       Hilfe eines gemeinsamen Fonds geschehen. Es wäre eine Art Spardose, deren
       Notwendigkeit bisher noch nicht alle Vereine wahrhaben wollen.
       
       11 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Otto
       
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