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       # taz.de -- Die Bibliotheken öffnen wieder in Berlin: Diskriminierungsfrei geht’s nicht
       
       > Die Bibliotheken haben wieder geöffnet – zumindest ein bisschen. Ganz
       > spontan geht die Ausleihe nicht. Und die Lesesäle sind auch noch zu.
       
   IMG Bild: Endlich wieder lesen: Die Staatsbibliothek in der Breiten Straße öffnet die Ausleihe wieder statt
       
       Vielleicht hätte man sie sich doch ein kleines bisschen glamouröser
       gewünscht, die Rückkehr der Bücher ins öffentliche Leben nach zwei Monaten
       Coronasperre. Aber dann stehen am Montag um 13 Uhr bloß drei Dutzend
       Menschen bei Nieselregen und kaltem Wind vor der Kreuzberger
       Amerika-Gedenkbibliothek und warten in einer nur abstandsbedingt sehr
       langen Schlange auf deren Wiedereröffnung.
       
       So richtig geht es in dieser Woche auch noch gar nicht los, lediglich
       [1][den Leihbetrieb] nimmt Berlins Zentral- und Landesbibliothek (ZLB)
       wieder auf. Und das auch noch mit großen Einschränkungen: Nur wer Medien
       online von zu Hause aus bestellt, kann sie nach Eintreffen einer
       entsprechenden Benachrichtigung am Halleschen Tor ganz real in Empfang
       nehmen. Freigeschaltet ist der Bestellservice erst seit Montagmorgen.
       
       Wer an diesem Tag schon in der Schlange steht, hat also entweder noch
       Bestellungen aus Prä-Coronazeiten ausstehen oder will lediglich etwas
       zurückgeben – im zweiten Fall verweisen die vier stämmigen Securitymänner
       an den Automaten neben dem Haupteingang. Dort kann die freundliche ältere
       Kreuzbergerin ihren Schottland-Reiseführer aufs Band legen, den sie aus
       offensichtlichen Gründen nicht gebraucht hat. Obwohl: „Ich habe ihn mir
       dann eben durchgelesen“, sagt sie und lächelt.
       
       ## Heute bestellt, vielleicht morgen da
       
       „Behalten Sie den Humor“, bittet auch ein Plakat am Eingang, welches das
       Prozedere erklärt. Den Tipp können vor allem diejenigen in der Schlange
       gebrauchen, die von den angepassten Regularien gar nichts mitbekommen
       haben. „Ich wollte einfach nur was ausleihen“, sagt eine junge Frau mit
       Regenschirm und ist enttäuscht, als sie erfährt, dass das nicht geht. Denn
       auch mobile Instant-Bestellungen vom Handy aus kommen nicht infrage: Nach
       Angaben des ZLB-Kundenservice dauert es mit der Bereitstellung und dem
       Versand der Abholnummer immer bis zum nächsten Tag, schlimmstenfalls auch
       länger.
       
       Ein Blick in den Eingangsbereich zeigt: An einem Tresen können
       Bibliotheksausweise beantragt oder verlängert werden, an zwei Tischen, die
       die Durchgänge zum Freihandbereich versperren, werden Bestellungen
       ausgehändigt, das war’s. Die Bibliothek als Arbeitsplatz, als Treffpunkt,
       als quirligen Ort der Inspiration oder Entspannung wird es so schnell nicht
       wieder geben.
       
       Draußen legt sich gerade ein älterer Mann mit einem der Wachleute an: „Ick
       habe keen Internet zu Hause! Ick komme doch hierher mit mein’ Laptop wegen
       Internet! Dit is Diskriminierung!“ Er murmelt noch etwas von „Genderklos“,
       die offenbar wichtiger seien als Angebote für alte Menschen, die „ja eh
       krepieren“ könnten, und sucht das Weite. Kurz darauf hat sich die Schlange
       aufgelöst. Der neue, etwas triste und gar nicht normale Normalbetrieb hat
       begonnen.
       
       11 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bibliotheken-in-Berlin-oeffnen-wieder/!5681367
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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