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       # taz.de -- Missstände in der Fleischindustrie: Nicht konkurrenzfähig? Und tschüss
       
       > Die Fleischindustrie zeigt: Wenn ein Geschäftsmodell auf Ausbeutung
       > gründet, dann muss es eben verschwinden.
       
   IMG Bild: Die Fleischindustrie ist für Dumpinglöhne berüchtigt
       
       Die Beschäftigten in der Fleischindustrie werden [1][gnadenlos
       ausgebeutet]. Offiziell erhalten sie zwar den Mindestlohn, aber oft werden
       unbezahlte Überstunden verlangt – oder ein Teil des Gehalts wird gleich
       wieder abgezogen. So gehört es zu den Tricks der Subunternehmer,
       gleichzeitig auch die Unterkünfte zu vermieten, in denen ihre meist
       ausländischen Angestellten hausen. Für ein Zweibettzimmer sind da schnell
       250 Euro pro Kopf fällig, wie die zuständige Gewerkschaft NGG beobachtet
       hat.
       
       Es blieb nicht folgenlos, dass die deutschen Löhne so niedrig sind: Die
       Bundesrepublik hat sich zur Schlachtbank Europas entwickelt. Fast 60
       Millionen Tiere werden hier jedes Jahr geschlachtet – und da sind die
       Hühner oder Puten noch gar nicht eingerechnet.
       
       Die Dumpinglöhne werden gern damit verteidigt, dass die deutsche
       Fleischindustrie sonst nicht konkurrenzfähig sei. Vielleicht stimmt das
       sogar. Genau beurteilen kann das niemand, denn die Firmenverschachtelungen
       rund um die Schlachthöfe sind außerordentlich undurchsichtig.
       
       Der zentrale Punkt ist aber: Beim [2][Mindestlohn] darf es keine Ausnahmen
       geben. Deswegen heißt er ja Mindestlohn. Wenn Branchen nicht mehr
       konkurrenzfähig sind, sobald sie auf die Ausbeutung ihrer Beschäftigten
       verzichten – dann müssen sie leider verschwinden.
       
       ## Auch die Textilindustrie verschwand einst
       
       Die Textilindustrie ist ein gutes Vergleichsbeispiel: Einst waren die
       Bekleidungsfirmen der wichtigste Industriezweig der Bundesrepublik, sogar
       wichtiger als der Kohlebergbau. Doch spätestens in den 1970er Jahren war es
       damit vorbei, weil andere Weltregionen billiger waren. Heute stammen viele
       T-Shirts aus Bangladesch oder auch aus der Türkei. Niemand würde jedoch
       fordern, dass Beschäftigte in Deutschland so wenig wie in Bangladesch
       verdienen sollen, damit es hier wieder eine T-Shirt-Industrie geben kann.
       
       Oder anders gesagt: Der Exportüberschuss von Deutschland ist schon groß
       genug. Da müssen wir nicht auch noch geschlachtete Schweine ausführen, wenn
       dies verlangt, dass Beschäftigte ausgebeutet werden.
       
       Es wäre jedenfalls einfach, die Missstände in der Fleischindustrie zu
       beenden. Entscheidend wäre, dass die Schlachthöfe keine Subunternehmer mehr
       beschäftigen dürfen – sondern für ihre Beschäftigten direkt verantwortlich
       sind. Dann ließe sich bei jeder Betriebskontrolle sehr schnell erkennen, ob
       die Mindestlöhne gezahlt werden.
       
       Die Bundesregierung müsste nur zwei Paragrafen im BGB ändern, um das
       Subunternehmertum zu beenden. Doch bisher will die Politik vor allem die
       Arbeitsschutzbehörden häufiger vorbeischicken. Das ist nicht falsch, aber
       zu wenig.
       
       12 May 2020
       
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