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       # taz.de -- Afrikanischer Ökonom über Grenzen: „Es geht um Migration in Würde“
       
       > Samir Abi aus Togo kritisiert den Trend zur Grenzschließung in
       > Coronazeiten. Er wünscht sich eine Migrationspolitik, die Menschen nicht
       > erniedrigt.
       
   IMG Bild: Samir Abi
       
       taz: Herr Samir Abi, Corona hat Mobilität praktisch weltweit zum Erliegen
       gebracht, auch in Afrika. Welche Folgen hat das? 
       
       Samir Abi: Schon die Ebolakrise in Westafrika vor fünf Jahren zeigte, dass
       langanhaltende Grenzschließungen mehr Schaden anrichten, als sie verhüten.
       Afrika lebt vom Handel, [1][international vor allem mit China], aber auch
       regional. Die Schließung vieler Grenzen hat diesen Handel vielfach zum
       Erliegen kommen lassen. Das macht sich beim Einkommen vieler Menschen
       direkt bemerkbar und schlägt vor allem auf Arme durch. Wer im informellem
       Sektor beschäftigt ist, hat in dieser Zeit schnell alles verloren.
       
       Was wird die Coronapandemie mittelfristig für Mobilität bedeuten? 
       
       Ich bin vollkommen sicher, dass einige Politiker versuchen, in Afrika wie
       auch anderswo, Mobilitätsbeschränkungen beizubehalten. Ich erinnere daran,
       dass die USA etwa in der Vergangenheit bei der Einreise aus einigen
       afrikanischen Ländern HIV-Tests verlangt haben. Bislang wird bei der
       Einreise nach Europa keine Impfung verlangt. Das könnte sich ändern. Das
       kann Stimmungen befeuern, die sich jetzt schon abzeichnen.
       
       Welche Stimmungen? 
       
       Eine der meistverbreiteten Reaktionen auf die Coronapandemie war von Anfang
       an der Vorwurf, dass MigrantInnen die Seuche verbreiten. Selbst [2][in
       China sind deshalb AfrikanerInnen angegriffen worden]. Auch in Spanien und
       den Niederlanden wurden MigrantInnen als jene stigmatisiert, die das Virus
       eingeschleppt hätten. Diese Stigmatisierung muss zurückgedrängt werden, um
       Mobilität wieder möglich zu machen. Aber ich bin sehr optimistisch, dass
       das gelingen kann.
       
       Warum? 
       
       Wenn man die wirtschaftlichen Folgen der Abschottung sieht, wird es nicht
       mehr so lange dauern, bis sich da wieder etwas ändert.
       
       Ein Beratergremium der Bundesregierung hat nun vorgeschlagen,
       AfrikanerInnen gegen eine Kautionszahlung künftig temporäre Arbeitsvisa zu
       erteilen. Ist das eine gute Idee? 
       
       Ja, absolut. Davon reden wir seit zehn Jahren. Und wenn jetzt eine solche
       Institution einen solchen Vorschlag macht, ist das ein wichtiges
       politisches Signal, auch international. Es geht um Migration in Würde. Denn
       wozu MigrantInnen heute gezwungen sind, ist unwürdig.
       
       Schließt ein solcher Ansatz nicht weiterhin viele aus, die die Kaution
       nicht zahlen können? 
       
       Wer per Schlepper aus Afrika nach Europa reist, braucht heute mindestens
       3.000 Euro, er riskiert sein Leben und das Geld ist weg. Von afrikanischen
       Studierenden werden bis zu 10.000 Euro Sicherheitsleistungen verlangt, wenn
       sie in Europa an die Uni wollen. Meine Prognose ist: Wenn es die Aussicht
       gibt, in Europa Geld zu verdienen, werden Menschen Wege finden, um eine
       solche Kaution aufzutreiben – zumal das Geld in der Zwischenzeit ja
       arbeiten kann. Die Höhe der Kaution ist weniger entscheidend als dass
       dieser Weg auch Menschen offensteht, die gering qualifiziert sind und eine
       Arbeit erst noch suchen wollen.
       
       29 Apr 2020
       
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