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       # taz.de -- Mein Kriegsende 1945: „Diese völlige Stille“
       
       > Zeitzeugen erinnern sich (Teil 3): Ljudmila Kotscherzhyna, aus der
       > Ukraine verschleppt, erlebte das Kriegsende in Schwäbsch Hall.
       
   IMG Bild: Ljudmila Kotscherzhyna
       
       Ljudmila Kotscherzhyna, geboren 1936, war im September 1943 zusammen mit
       ihrer Tante nach Deutschland verschleppt worden. Nach dem Krieg kehrte sie
       in ihre Heimat zurück, heiratete und arbeitete als Ingenieurin: 
       
       „Ja, ich kann mich noch an das Ende des Krieges erinnern. Es war Frühling
       in Schwäbisch Hall. Die Natur ergrünte. Es war der 17. April 1945. Lange
       haben sie gebombt. Ich hörte die Bomben, die auf dem Bahnhof von Schwäbisch
       Hall niedergingen. Alle waren vor den Bomben irgendwo in Sicherheit
       gegangen.
       
       Und dann auf einmal herrschte völlige Ruhe. Absolute Stille. Nichts. Ich
       habe vorsichtig aus dem Fenster geschaut und überall habe ich an den
       Fenstern weiße Betttücher heraushängen gesehen. Und dann rollten die
       amerikanischen Panzer in die Stadt, langsam – und immer noch war es ganz
       ruhig.
       
       Wir haben sofort begriffen, dass das Kriegsende ist. Und zum ersten Mal in
       meinem Leben habe ich Schwarze gesehen. Schwarze Soldaten waren auf den
       Panzern. Und nun gingen die Deutschen auf die Straße. Und sie haben die
       Amerikaner sehr wohlwollend begrüßt. Und gleichzeitig herrschte dabei eine
       unglaubliche Ruhe.
       
       Doch immer wenn ich an diesen Tag zurückdenke, schiebt sich ein anderes
       Ereignis dieses Frühlings in den Vordergrund, das kurz davor stattgefunden
       hatte: Zwei ganz junge deutsche Soldaten, die desertiert waren, hatten sie
       an den Bäumen an einer Straße in Schwäbisch Hall aufgehängt. Ich höre noch
       die Leute sagen: „Was soll denn das? Es ist doch fast schon Kriegsende und
       ihr hängt Jungs auf!“ Diese Faschisten, ganz junge Männer haben sie
       aufgehängt. Ich habe das als Neunjährige gesehen und ich werde dieses Bild
       immer in meinem Kopf behalten.“
       
       Aufgezeichnet von Bernhard Clasen 
       
       Bisher erschienen: 
       
       (2) [1][Herbert Haberberg, jüdischer Brigadist] 
       
       (1) [2][Walter Frankenstein, versteckt in Berlin]
       
       6 May 2020
       
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