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       # taz.de -- Volkswagen und der Dieselskandal: Geld für Kunden, Klatsche für VW
       
       > Volkswagen schließt mit Verbraucherschützern einen Vergleich, Kunden
       > bekommen Geld zurück. Doch für die Branche könnte es noch ungemütlicher
       > werden.
       
   IMG Bild: Ein Kfz-Meister lädt ein Software-Update
       
       Hamburg/Berlin rtr/dpa/taz | Unmittelbar vor dem Ende der verlängerten
       Annahmefrist für den Diesel-Vergleich hat sich der VW-Konzern mit rund
       235.000 Kunden auf Entschädigungszahlungen geeinigt. Der
       Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat daraufhin seine
       Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen zurückgezogen, wie
       vzbv-Vorstand Klaus Müller erklärte. Gleichzeitig gab es überraschende
       Nachrichten aus Luxemburg: Eleanor Sharpston, Generalanwältin am
       Europäischen Gerichtshf (EuGH), kommt in ihrem [1][Schlussantrag] zu dem
       Fazit, dass die in Millionen Pkws eingebauten Abschalteinrichtungen illegal
       sind.
       
       Auf den [2][Diesel-Vergleich] hatten sich Volkswagen und vzbv Anfang des
       Jahres verständigt. Die Einigung sieht vor, dass von der Dieselaffäre
       betroffene Verbraucher Schadenersatz für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge
       bekommen.
       
       Einlassen auf den Vergleich konnten sich Autobesitzer, die ihren Wagen vor
       dem 31. April 2015 erworben und sich der Musterfeststellungsklage
       angeschlossen hatten und für die deutsches Recht gilt, wie Jutta Gurkmann
       vom vzbv erklärte. Nach VW-Angaben sollen ab kommender Woche insgesamt etwa
       750 Millionen Euro ausgezahlt werden. Je nach Alter und Typ des Fahrzeugs
       sollen Kunden mit Beträgen zwischen 1.350 und 6.250 Euro entschädigt
       werden.
       
       Bundesverbraucherschutzministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte: „Es
       hat sich eindrücklich gezeigt, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern
       mit der Musterfeststellungsklage auch über eine einvernehmliche Lösung
       schnell und unkompliziert zu einer Entschädigung verholfen werden kann.“
       
       ## Verband fordert Nachbesserungen
       
       Der vzbv sieht dagegen an einigen Punkten Nachbesserungsbedarf. Das
       Klageregister, in dem sich geschädigte Kunden für die
       Musterfeststellungsklage eintragen mussten, sei überflüssig und sorge nur
       für Bürokratie und Zeitdruck, sagte vzbv-Chef Klaus Müller.
       
       Gerade angesichts der bevorstehenden Rezession wegen der Coronakrise hätten
       ohne dieses Klageregister wahrscheinlich deutlich mehr Menschen von dem
       Vergleich profitieren können. Außerdem wäre es sinnvoll, wenn das
       zuständige Gericht eine verbindliche Entscheidung zu einer
       Pflicht-Schlichtung treffen könnte. „Hier muss der Gesetzgeber
       nachbessern.“
       
       Doch auch mit dem Vergleich ist das Kapitel Diesel-Skandal längst nicht
       abgeschlossen – weder für die Autobranche insgesamt noch für VW. Während
       die Ansprüche der Teilnehmer an der Musterfeststellungsklage mit dem
       Diesel-Vergleich abgegolten sind, sind vor Gerichten sind noch mehr als
       70.000 [3][Verfahren gegen VW] anhängig.
       
       Erstmalig wird am Dienstag (5. Mai) auch am Bundesgerichtshof (BGH) über
       eine solche Einzelklage verhandelt. Ein Mann aus Rheinland-Pfalz fordert
       dabei für seinen 2014 gekauften Gebrauchtwagen den vollen Kaufpreis von
       31.500 Euro von Volkswagen zurück. Im Sommer sollen am BGH weitere Termine
       zu Rückzahlungsforderungen wegen manipulierter Diesel-Fahrzeuge folgen.
       
       In einigen Wochen wird auch die Entscheidung des EuGH zum Thema
       Abschalteinrichtungen erwartet. Bei dem Verfahren, in dem die
       Generalanwältin diese Woche in ihrem Schlussantrag auf Illegalität der
       Abschalteinrichtungen plädierte, ging es im Kern um die Frage, ob eine
       einschlägige EU-Norm eingehalten wurde. Der EuGH muss unter anderem
       entscheiden, ob Käufer der Fahrzeuge über „wesentliche Merkmale“ getäuscht
       wurden. Den Fall vorgelegt hatte ein französisches Gericht.
       
       ## Gnädige Zulassungsbehörden
       
       Die Schlussanträge der Generalanwältin haben zwar keine bindende Wirkung.
       In der Vergangenheit folgten die EuGH-Richter ihnen jedoch häufig. Ein
       entsprechendes Urteil hätte laut dem Rechtsanwalt Christian Solmecke
       Einfluss auf Gerichtsverfahren zu den Abschalteinrichtungen in ganz Europa.
       Denn bislang seien die Zulassungsbehörden in dieser Sache gnädig zu den
       Autoherstellern. Das müsste sich mit einem entsprechenden EuGH-Urteil
       ändern.
       
       Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte das Votum der Generalanwältin:
       „Sollte das Gericht den Anträgen folgen, muss das Kraftfahrtbundesamt alle
       Bescheide, die nach wie vor Abschalteinrichtungen zulassen, zurücknehmen“,
       sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.
       
       Die Fahrzeuge müssen dann stillgelegt oder mit wirksamer
       Abgasreinigungstechnik nachgerüstet werden. Resch: „Dies ist ein längst
       überfälliger Schritt für die betroffenen Fahrzeughalter, aber auch für die
       zahllosen Menschen, die unter den hohen Schadstoffkonzentrationen in
       unseren Städten leiden und gesundheitlichen Schaden davontragen.“
       
       1 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-693%2F18
   DIR [2] /Einigung-im-Dieselstreit-bei-VW/!5667931&s=diesel-skandal/
   DIR [3] /VW-verliert-Prozess-im-Dieselskandal/!5670461&s=diesel-skandal/
       
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