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       # taz.de -- Protestbewegung in Hongkong: Ruhe in der Sonderverwaltungszone
       
       > Die Bewegung ist durch Corona zum Stillstand gekommen. Auch am 1. Mai
       > blieb ein großer Aufmarsch aus – auch aufgrund der strikten
       > Polizeipräsenz.
       
   IMG Bild: Trotz der insgesamt ruhigen Lage kam es am 1. Mai in einer Mall zum Clinch mit der Polizei
       
       Peking taz | Mit kugelsicheren Westen und Wasserwerfern sind rund 3.000
       Hongkonger Bereitschaftspolizisten in den Mittagsstunden des 1. Mai in der
       Finanzmetropole ausgeschwärmt. Viel zu tun hatten die Sicherheitskräfte
       zumindest tagsüber nicht: Die meisten Hongkonger haben sich an das
       Corona-bedingte Demonstrationsverbot gehalten. Ausschreitungen wurden
       zunächst nicht gemeldet.
       
       Regierungschefin Carrie Lam warnte zuvor, man werde ein Wiederaufflammen
       von Gewalt sowie „anhaltende politische Zerstörung“ nicht dulden.
       Tatsächlich befindet sich die Legislative in Hongkong seit Monaten aufgrund
       einer Boykott-Taktik des pro-demokratischen Lagers im Stillstand. Ein lange
       geplantes Gesetz zur Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs konnte
       beispielsweise seit Januar nicht verabschiedet werden. Viele weitere
       Gesetzesentwürfe hängen ebenfalls in der Warteschleife.
       
       Im letzten Frühjahr formierte sich in der ehemaligen britischen Kolonie
       eine Protestbewegung, die bis zum November in blutigen
       Universitätsbesetzungen gipfelte. Die ebenfalls im November stattfindenden
       Bezirkswahlen bewiesen einen breiten Rückhalt für das pro-demokratische
       Lager innerhalb der Bevölkerung. Seit der Coronavirus-Pandemie jedoch liegt
       die Bewegung brach. Sie fand ihren politischen Ausdruck vor allem in
       regelmäßigen Straßendemonstrationen, doch Versammlungen von mehr als vier
       Menschen sind seither verboten.
       
       Die Verwaltungsregierung ist in jenem kritischen Zeitpunkt mit einer
       Machtdemonstration vorgeprescht: [1][Am 18. April nahmen Polizisten 15 der
       führenden Köpfe aus dem pro-demokratischen Lager fest], darunter den
       Medien-Tycoon und Jimmy Lai und den 81-jährigen Martin Lee, der in Hongkong
       auch als „Vater der Demokratie“ bezeichnet wird. Ihnen wird vorgeworfen,
       nicht genehmigte Demonstrationen im letzten Jahr entweder organisiert oder
       beworben zu haben.
       
       ## Regierung in Hongkong: Ausländische Kritik „unbegründet“
       
       Von Großbritannien über die USA bis hin zur Europäischen Union wurde die
       Maßnahme als politischer Einschüchterungsversuch kritisiert. Am 1. Mai
       konterte die Hongkonger Regierung und nannte die Kritik aus dem Ausland
       „vollständig unbegründet“ und eine „schwerwiegende Einmischung“ in innere
       Angelegenheiten.
       
       Hongkongs Zivilgesellschaft schlägt seit längerem Alarm, dass Peking mit
       zunehmenden politischen Druck die Autonomie der Sonderverwaltungszone
       beschneidet. Gleichzeitig wird auch innerhalb der Bevölkerung Kritik an den
       Aktivisten laut, von denen ein kleiner, radikaler Kern exzessive Gewalt
       nicht scheut. Zudem hat die Protestbewegung die Finanzmetropole in eine
       schwere Rezession gestürzt, die nun durch die Corona-Krise noch einmal
       deutlich verschärft wird.
       
       Da die Sonderverwaltungszone seit über fünf Tagen jedoch keinen einzigen
       Covid-19-Fall mehr vermeldet hat, rechneten viele Beobachter damit, dass es
       zum „Tag der Arbeit“ erneut zu Großdemonstrationen kommen könne. In fünf
       Stadtteilen haben Aktivisten zu Flashmobs aufgerufen. Diese wurden jedoch
       strikt von Polizeikräften in Überzahl im Zaun gehalten.
       
       ## Polizei verhindert Aktionen
       
       Den Organisatoren der Flashmobs ging es laut eigener Aussage vor allem um
       Unterstützungsbekundungen für sogenannte „gelbe“ Geschäfte, vor denen sich
       am 1. Mai lange Schlangen bildeten. „Gelbe Geschäfte“ werden Restaurants,
       Cafés und Firmen bezeichnet, die sich mit dem demokratischen Lager
       solidarisieren. Peking-treue Unternehmen hingegen werden von den Aktivisten
       boykottiert – oder, wie im letzten Jahr häufiger geschehen, Zielscheibe für
       Vandalismus.
       
       Das internationale Gesicht der Protestbewegung Joshua Wong hat den 1. Mai
       mit drei Gleichgesinnten damit verbracht, um Mitglieder für
       „pro-demokratische Gewerkschaften“ anzuwerben. Doch Bereitschaftspolizisten
       haben aufgrund des Versammlungsverbots Wongs Vorhaben verhindert.
       „[2][Wieder einmal wurden Corona-Maßnahmen dazu genutzt, um politischen
       Dissens im Hongkonger Polizeistaat zu unterdrücken“], twitterte Aktivist
       Wong.
       
       1 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hongkongs-Polizei-macht-Druck/!5676952
   DIR [2] https://twitter.com/joshuawongcf/status/1256151939726733314
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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