# taz.de -- „Männerwelten“-Video von Joko & Klaas: Nur ein Schlaglicht
> Mehrere Frauen thematisieren 15 Minuten lang sexualisierte Gewalt. Eine
> starke Aktion, bei der jedoch wichtige Perspektiven fehlen.
IMG Bild: Palina Rojinski (l.) und Sophie Passmann zeigen Dickpics, die Rojinski geschickt bekommen hat
„Ich hatte einen Pyjama an, als ich 8, 9, 10 Jahre alt war. Auch mit 17
hatte ich einen Pyjama an.“ „Es passierte dreimal durch drei verschiedene
Menschen und jedes einzelne Mal trug ich T-Shirt und Jeans.“ Es ist eine
der häufigsten Fragen, die Opfer von Vergewaltigung gestellt wird: Was
hattest du an? Die genannten Antworten stammen aus [1][der digitalen
Ausstellung „Männerwelten“], in der Frauen 15 Minuten lang sexualisierte
Gewalt und Belästigung thematisierten. Ausgestrahlt am Mittwochabend zur
Primetime auf ProSieben.
Hintergrund der Sendung ist die Show „Joko und Klaas gegen ProSieben“ vom
Vortag. Darin kämpfen die beiden Comedians gegen ihren Sender. Wenn sie
gewinnen, bekommen sie 15 Minuten Sendezeit, die sie nach ihren Wünschen
gestalten können. Eine PR-Aktion klar, doch es ist nicht das erste Mal,
dass sie diese wichtigen Themen widmen. Im Mai 2019 ließen sie
„Sea-Watch“-Kapitänin Pia Klemp und andere Aktivist:innen zu Seenotrettung,
Rechtsextremismus und Obdachlosigkeit zu Wort kommen.
Dass Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sich nun ausgerechnet für
das Thema Belästigung von Frauen entschieden haben, mag überraschen. Vor
acht Jahren fasste Joko als Teil eines Spiels einer Hostess auf der
IFA-Messe [2][ungefragt an die Brust und an den Po]. Klaas kommentierte
feixend: „Die fährt jetzt gleich nach Hause und dann wird die erst einmal
schön heulen unter der Dusche.“ Dass diese Aktion kein lustiger Scherz,
sondern sexuelle Belästigung ist, hatten die beiden wohl damals nicht auf
dem Schirm.
In „Männerwelten“ reflektieren die beiden nun nicht ihre eigenen
Verhaltensweisen – sie treten gar nicht auf. Die Autorin Sophie Passmann
ist es, die durch die Ausstellung führt und die Zuschauer:innen mit Fakten
versorgt: „Fast die Hälfte aller Frauen in Deutschland wurde schon einmal
sexuell belästigt.“ Oder: „Unter den Videos von weiblichen Influencerinnen
sind im Schnitt 16 von 100 Kommentaren sexistisch.“
## Dickpics und Vergewaltigungsfantasien
Neben dem Ausstellungsraum mit den Outfits von Vergewaltigungsopfern zeigt
Moderatorin Palina Rojinski Dickpics, die sie ungefragt geschickt bekommt.
Influencerin Stefanie Giesinger und die Journalistin Visa Vie lesen
Online-Kommentare vor: Beleidigungen, Vergewaltigungs- und Mordfantasien.
Collien Ulmen-Fernandes und Katrin Bauerfeind lesen in verteilten Rollen
Chatverläufe vor. Nicht berühmte Frauen erzählen von ihren Erfahrungen mit
Belästigung und sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum.
Auch nach über 100 Jahren Feminismus ist es wichtig, sexualisierte Gewalt
öffentlich zu problematisieren. [3][#MeToo hat die Debatte seit 2017]
wieder auf den Tisch gebracht, doch durch die aktuelle Pandemie scheint das
Thema in Vergessenheit zu geraten, dabei bleiben Belästigung und Gewalt
Alltag von vielen Frauen. Dass Joko und Klaas ihre Reichweite dafür nutzen,
ist richtig. Noch viel wichtiger ist es, den Mut der beteiligten Frauen zu
erwähnen, die ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit teilen. Und die ist
groß: 2,04 Millionen Menschen sahen die Sendung live im Fernsehen. Am
Donnerstagnachmittag gibt es schon über 1,2 Millionen Aufrufe bei YouTube.
Auch die Resonanz in sozialen Medien ist groß: Viele Männer geben sich
überrascht und schockiert – Frauen erzählen von ihren Erfahrungen. Doch
nicht nur zustimmendes Feedback wird geteilt: Einige kritisieren die
Kooperation mit Terre des Femmes, einer Frauenrechtsorganisation, die in
den vergangenen Jahren wiederholt mit trans- und islamfeindlichen Inhalten
aufgefallen ist. Und auch dass (fast) nur Frauen der Mehrheitsgesellschaft
im Video gezeigt werden, wird von Feminist:innen problematisiert.
Es ist klar, dass das Gezeigte nur einen Ausschnitt zeigt. [4][Doch die
fehlende Perspektive] von LGBTIQ Menschen, Women of Color oder Frauen mit
Behinderung ist keine Kleinigkeit. Frauen mit Behinderung sind zwei- bis
dreimal so häufig von sexualisierter Gewalt betroffen wie andere. Women of
Color werden deutlich häufiger Opfer digitaler Gewalt als weiße Frauen.
Diese Frauen hätten im Video zu Wort kommen müssen.
Die 15 Minuten „Männerwelten“ sind im Idealfall ein Anstoß für eine erneute
Debatte in Deutschland. Die sollte sich vor allem darauf konzentrieren, wie
ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen kann, welche Hilfestellungen
dafür nötig sind und wer in welcher Form Verantwortung übernehmen muss. Und
diese Debatte muss intersektional geführt werden. Denn im Kampf gegen
Machtmissbrauch, Unterdrückung und Gewalt darf es kein „ein Problem nach
dem anderen“, sondern nur ein miteinander verschränkt geben.
14 May 2020
## LINKS
DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=uc0P2k7zIb4&t=9s
DIR [2] /Sexuelle-Belaestigung-von-Joko-und-Klaas/!5081732
DIR [3] /Zwei-Jahre-MeToo/!5627998
DIR [4] /30-Jahre-Intersektionalitaet/!5591480
## AUTOREN
DIR Carolina Schwarz
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