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       # taz.de -- Immunsystem stärken in Corona-Zeiten: Wundermittel gibt es nicht
       
       > In der Corona-Krise ist es sinnvoll das Immunsystem zu stärken. Aber
       > einzelne Lebensmittel schützen bewiesenermaßen nicht vor Infektionen.
       
   IMG Bild: Mangelernährung schwächt das Immunsystem. Das kann bei einer Corona-Infektion gefährlich sein
       
       Was soll nicht alles vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 schützen:
       Omega-3-Fettsäuren, Manuka-Honig, Grüntee-Kapseln, Prebiotika, Vitalpilze,
       Nahrungsergänzungsmittel mit Curcuma, Cistus oder Propolis oder die
       bekannten Nährstoffe Vitamin C und D sowie Zink oder Selen. Vor allem von
       Influencern und Fitness-Päpsten, aber auch in der Werbung von Reformhäusern
       oder Online-Anbietern werden entsprechende Präparate feilgeboten. Auch
       gelten bestimmte Diäten als Heilmittel: Da plädieren die einen für eine
       Basenernährung, während andere viel tierisches Eiweiß empfehlen, um das
       Immunsystem zu stärken. Auch Knoblauch oder nitrathaltiges Gemüse wie
       Spinat und Rote Bete stehen hoch im Kurs. „Immunbooster“ sind die Hoffnung
       der Stunde angesichts eines Virus, gegen den derzeit niemand ein Medikament
       parat hat.
       
       Tatsache ist, dass es keine Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel
       gibt, die bewiesenermaßen vor Infektionen schützen. Darum hat die
       europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa auch bislang keinen
       sogenannten Health Claim genehmigt, der einem Lebensmittel eine besondere
       Wirkung auf das Immunsystem zuschreibt. „Das Immunsystem ist hochkomplex,
       zahlreiche Zellen, Moleküle, Gewebe und Organe arbeiten zusammen, um uns zu
       schützen“, sagt Kate Allen vom World Cancer Research Fund (WCRF). „Darum
       kann es nicht in einer akuten Situation mithilfe von einer spezifischen
       Ernährungsweise oder einzelnen Nährstoffen beeinflusst werden.“
       
       Trotzdem spielen Nährstoffe eine große Rolle bei der Immunabwehr, dazu
       zählen Aminosäuren, Kupfer, Folsäure, Eisen, Zink, Selen, Vitamin A, B6,
       B12, C, E und D, Carotin oder Omega-3-Fettsäuren sowie sekundäre
       Pflanzenstoffe. Einige dieser Stoffe wie Vitamin C oder Zink dürfen darum
       mit dem Health Claim „trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“
       beworben werden. „Gewöhnlich sind diese Nährstoffe auch Bestandteile einer
       vollwertigen Ernährung“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für
       Ernährung (DGE). Auch Eiweiß, Ballaststoffe sowie das Herz schützende
       Gemüse und Obst sind hier zur Genüge enthalten. Die DGE rät darum wie viele
       andere europäische Fachgesellschaften von einer unreflektierten Einnahme
       von Nahrungsergänzungsmitteln ab. Schließlich können diese, wenn
       hochdosiert, auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
       
       Klar ist hingegen, dass ein [1][Mangel an immunwirksamen Nährstoffen] zu
       einer gesteigerten Infektanfälligkeit und einer schlechteren Prognose im
       Krankheitsfall führt, dies weiß man vor allem von hungernden Kindern in
       Entwicklungsländern. Hinweise darauf lieferte aber bereits die Spanische
       Grippe, die zwischen 1918 und 1920 bis zu 50 Millionen Menschen weltweit
       das Leben gekostet haben soll. Sicher konnte dieses Influenzavirus nur so
       wüten, weil die Bevölkerung vom Ersten Weltkrieg bereits geschwächt war.
       
       Auch aktuell für die Covid-19-Erkrankung haben Mediziner erkannt, dass
       Mangelernährung zu schwereren Verläufen führt. Zwar gibt es in Deutschland
       kaum [2][Mangelernährung,] Ausnahme sind Krankenhäuser und Pflegeheime.
       Eine 2019 erschienene Studie von Dorothee Volkert von der
       Friedrich-Alexander Universität in Nürnber hat gezeigt, dass 30 Prozent der
       Krankenhauspatienten und 25 Prozent der Pflegeheimbewohner mangelernährt
       sind. Vor allem die unzureichende Zufuhr bestimmter Eiweißbausteinen lässt
       das Immunsystem nicht mehr richtig arbeiten. Am Universitätsklinikum
       Schleswig-Holstein wird darum momentan eine Studie geplant, die untersuchen
       soll, wie Ernährung in der Klinik zur Verbesserung des Verlaufs von
       Covid-19-Erkrankungen beitragen kann.
       
       ## Problemfall: Vitamin D
       
       Einzelne Vitamine und Mineralstoffe helfen nur, wenn ein akuter Mangel
       besteht, den aber nur ein Arzt bestimmen kann. Vitamin C-, E- oder
       Zink-Mangel gibt es hierzulande kaum. Problematischer sieht es beim Vitamin
       D aus. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erreichen fast 60
       Prozent der Bundesbürger die wünschenswerte Blutkonzentration nicht.
       Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass Menschen mit suboptimalen Spiegeln
       häufiger an Infektionen litten. Da Vitamin D nur in geringen Mengen in der
       Nahrung steckt und größtenteils mithilfe von Sonnenlicht gebildet wird,
       sind vor allem inaktive Senioren häufig mit dem Vitamin unterversorgt. Und
       genau hier können entsprechende Tabletten vom Arzt verschrieben werden. Für
       alle anderen reicht es, 15 bis 20 Minuten am Tag an Gesicht, Händen und
       Unterarmen Sonne zu tanken.
       
       Wie wichtig eine ausreichende Versorgung mit einzelnen Nährstoffen ist, hat
       eine kürzlich erschienene chinesische Studie gezeigt. Hier wurden die
       Covid-19-Krankheitsverläufe in verschiedenen Städten der Provinz Hubei
       verglichen, deren Hauptstadt Wuhan ist. Insgesamt verlief dort die
       Krankheit bekanntlich schwer. Ausnahme war Enshi, eine Stadt, die bekannt
       ist für ihren selen-reichen Boden und daher die Bevölkerung gut mit dem
       Spurenelement versorgt ist, während es im Rest der Provinz an Selen
       mangelt. Es ist bekannt, dass Selen einen Einfluss auf Viren und zahlreiche
       Wirkungen im Immunsystem hat.
       
       Gänzlich unnütz sind Nahrungsergänzungsmittel wie Curcuma-Kapseln oder
       Echinacea-Tabletten. Die französische Lebensmittelbehörde Anses gab dazu
       kürzlich ein Communiqué heraus. Das Fazit: Pflanzenextrakte, die als
       entzündungshemmend angepriesen werden, können kontraproduktiv sein, sie
       können das Immunsystem in seiner Virenabwehr sogar stören.
       
       Hohes Körpergewicht und die damit einhergehende ungünstige Stoffwechsellage
       wie Bluthochdruck oder erhöhte Blutzuckerwerte (Diabetes) hat dagegen einen
       starken Einfluss auf den Verlauf einer Corona-Infektion. Denn: Fettzellen
       schütten Hormone und Entzündungsfaktoren aus. So führen erhöhte Leptin- und
       niedrigere Adiponectin-Level zu einer Schwächung des Immunsystems.
       
       Das systemische unterschwellige Entzündungsgeschehen bei fettleibigen
       Menschen, also Menschen mit einem BMI von mehr als 40, blockiert bei einer
       akuten Gefahrensituation wie dem Eindringen von Viren die Aktivität von
       Fresszellen. Das erklärt auch, warum Impfungen bei Menschen mit starkem
       Übergewicht nicht so oft wirken.
       
       Auch B- und T-Zell-Antworten sind bei Adipösen und adipösen Diabetikern
       gedämpft. Das bewirkt eine höhere Anfälligkeit gegen virale Infekte.
       Erschwerend kommt hinzu, dass Übergewichtige aus Angst vor einer
       Stigmatisierung oft erst spät den Arzt aufsuchen – auch darum versterben
       mehr Menschen mit starkem Übergewicht als Normalgewichtige.
       
       Allerdings ist es gerade in Zeiten von eingeschränkter Bewegungsfreiheit
       und sozialem Stress schwierig, hier mit Diättipps zu kommen. Für alle
       Menschen gilt: Der wichtigste Schutz sind ausreichende Hygiene und die
       Einhaltung von Mindestabständen. Das Immunsystem und die Psyche kann man
       sehr gut mit Yogaübungen im Wohnzimmer, tiefen Atemzügen an der frischen
       Luft, Sonnenbaden und ausreichend Schlaf boosten. Nur für den Marathon
       sollte man derzeit lieber nicht trainieren.
       
       21 May 2020
       
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