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       # taz.de -- Quarantäne mit Kindern: Eine neue Dimension von Miteinander
       
       > Selbstständigkeit erproben und zusammen spielen: Kolumnistin Sylvia Prahl
       > gibt Tipps, wie sich Familien die Corona-Zeit vertreiben können.
       
   IMG Bild: Social Distancing ist im Britzer Garten kein Problem
       
       Der Shutdown bringt viele neue Erkenntnisse. Über einen selbst und vor
       allem über das eigene Kind. Klar, auch vor Corona war nicht jede gemeinsam
       verbrachte Stunde Qualitytime. Aber mit dem Homeschooling hat das tägliche
       Miteinander eine neue Dimension erreicht. Denn welche Eltern wissen schon,
       was vormittags im Unterricht abgeht? Sehr selten kommt auf die Frage „Und,
       wie war’s heute in der Schule?“ kaum mehr als nur ein sonores „Gut“. „Was
       habt ihr in Deutsch gemacht?“ „Weiß nicht.“ Ok, das Kind hat gerade keinen
       Bock, ist ja auch müde, also fragen wir später nochmal nach.
       
       Und nun Homeschooling. Jetzt wissen wir zumindest, was inhaltlich
       vormittags im Unterricht abgeht. Vor den Osterferien hieß es oft: „Frau XY
       kann das aber viel besser erklären als du.“ Inzwischen hat man selbst auch
       dazugelernt, Strategien entwickelt, wie der Stoff ans Kind zu bringen ist,
       und wenn das dann geklappt hat, das stolze Gefühl kurz genießen.
       
       Anfängliche Probleme, den Tag zu strukturieren, haben wir mit einem
       Laufzettel gut in den Griff bekommen. Da stehen nicht nur die Pflichten
       drauf, sondern auch Ordnungspunkte wie „Daddeln“ und „Glotzen“. Keine
       festgelegten Uhrzeiten. Was erledigt ist, wird im Smiley-Feld abgehakt. Die
       freie Zeiteinteilung im vorgeschriebenen Rahmen hat zu einer erstaunlich
       effektiven Organisation geführt.
       
       „Sachkunde“ im Hinterhof 
       
       Auch wenn viele Eltern befürchten, dass die Kinder jetzt Stoff verpassen
       und kaum zu schließende Wissenslücken entstehen, wäre in den Blick zu
       nehmen, was die Kinder in dieser Zeit alles anderes lernen. Neben Dingen
       wie Selbstorganisation, selbstständigem Arbeiten und der Erhöhung der
       Frustrationstoleranz können das ganz pragmatische Dinge sein, die auch ganz
       prima unter das Label „Sachkunde“ passen: Werken im Hinterhof (wenn
       genügend Materialien herumliegen), Schutzmasken nähen (Stoff kann man gut
       auf dem Markt am Maybachufer kaufen).
       
       Insbesondere Backen hat hier bezüglich stolzer Selbstständigkeit einiges
       bewirkt. Das Bereitstellen der Produkte (mit Mehl sparsam umgehen!) und der
       Backgeräte sowie der Hinweis, dass eine Renovierung der Küche zurzeit nicht
       drin sei, genügte. Rezepte für Muffins, Cookies und Crumble gibt es im
       Netz, Tür zu, und ein paar Stunden später dürfen alle die Köstlichkeiten
       genießen.
       
       Auch hat regelmäßiges Tagebuch führen zu einer Selbstreflexion geführt, die
       über das bloße Notieren der Tätigkeiten herausgeht. Und für das Ausdenken
       und Zeichnen eines Comics war sonst wohl auch immer die Zeit zu knapp.
       
       Was allerdings kaum auszugleichen ist, insbesondere, auch weil die Schule
       als Begegnungsort wegfällt, ist die soziale Isolation. Das wurde ganz
       deutlich, als wir zufällig auf einem Spaziergang Freund*innen getroffen
       haben. So geleuchtet hatte das Kind seit Wochen nicht mehr.
       
       Keine Umarmungen 
       
       Und das, obwohl – völlig irre – die Abstandsregeln von den Kids schon so
       verinnerlicht sind, dass sie auf die sonst üblichen Umarmungen verzichtet
       haben. Auch wenn ein persönliches Treffen nicht zu toppen ist, dass
       Schulaufgaben mit Klassenkamerad*innen per Skype erledigt werden können,
       mit Omis und Opis und den Freund*innen über Bildtelefon kommuniziert werden
       kann, hilft ganz gut.
       
       Und spielen. Beim Klassiker Mau Mau können Aggressionen herrlich
       spielerisch abgebaut werden, wenn genüsslich mehrere Siebenen aus dem Hut
       gezogen werden und einer plötzlich mit der doppelten Kartenmenge dasitzt.
       Für die Schulung der geistigen Beweglichkeit mit enormem Spaßfaktor ist
       „Dobble“ das Spiel der Wahl. Auf 55 runden Karten sind jeweils 8 Symbole
       abgedruckt. Zwischen zwei Karten gibt es jeweils genau eines, das auf
       beiden Karten doppelt vorkommt. Das gilt es zu finden und laut
       auszusprechen.
       
       Ungeahnte Hürde: Wortfindungsschwierigkeiten unter Zeitdruck. Es gibt 5
       Spielvarianten. Bei der Variante „Der Turm“ werden alle Karten auf die
       Spieler*innen verteilt und sie legen die Karten auf eine Karte in der Mitte
       ab. Wer zuerst alle Karten verbraten hat, hat gewonnen. Interessant dabei
       ist immer, wer sich bei gleichzeitigem Ausrufen des doppelten Symbols
       durchsetzen kann. [1][Dobble] gibt es in verschiedenen Ausführungen und
       kostet ca. 10 €.
       
       Diamanten sammeln 
       
       Um Schnelligkeit geht es auch bei „Ubongo“. Hier bekommen alle
       Spieler*innen einen Satz bunter unterschiedlich geformter Plättchen, die
       auf einem Spielfeld in vorgegebener Form passend angeordnet werden müssen.
       Welche der Plättchen verwendet werden sollen, entscheidet vor Spielbeginn
       der Würfel. Leute mit einem grafisch geschulten Auge sind hier klar im
       Vorteil.
       
       Wer die Plättchen passend verlegt hat, ruft „Ubongo“ und darf sich einen
       blauen Diamanten nehmen, der oder die Zweite bekommt noch einen braunen.
       Alle, die vor Ablauf der Sanduhr fertig werden, bekommen auch noch einen
       Diamanten aus dem Beutel. Wer am Ende die höchste Punktzahl hat, und die
       ist unabhängig von der Menge Diamanten, hat gewonnen.
       
       Wer noch einen drauf setzen will, spielt „Ubongo 3D“, da müssen, wie der
       Name schon sagt, dreidimensionale Spielsteine passend ineinandergefügt
       werden. Ubongo gibt es noch in weiteren Ausführungen und kostet in der
       abgespeckten Reiseversion ca. 7 € und in der großen um die 30 €.
       
       Endlich selbst lesen 
       
       Und da nicht immer vorgelesen werden kann, wird nun auch vermehrt selbst
       gelesen. Lesemuffel mit Harry-Potter-Affinität lesen beim interaktiven
       Spiel „Hogwarts Mystery“ (kostenlos im App-Store) mehr, als ihnen klar ist
       und haben Spaß dabei. Und für Kinder, die gerade dabei sind in die
       wunderbare Welt der Buchstaben einzutauchen, hat die Berliner Autorin
       Claudia Honecker zwei Fibeln geschrieben, die Sabine Pflitsch lebensnah
       illustriert hat. „Wir sind ganz durcheinander“ heißen sie, in einem
       herrscht „Chaos im Zoo“ im anderen „Chaos in der Küche“.
       
       Die Idee ist so einfach wie bezaubernd: Buchstaben der Küchenbegriffe
       beziehungsweise Namen der Zootiere sind durcheinander geraten. Die Giraffe
       ist da zunächst die Igreffa, dann die Fragife oder der Efigraf. Passend
       dazu ist das Bild einer fragmentierten Giraffe abgebildet. Auf der
       Folgeseite ist die Giraffe ganz und die einzelnen Buchstaben schwirren über
       die Seite. Auf einer gestrichelten Linie können sie passend angeordnet
       werden.
       
       Am Buchende sind alle Begriffe nebst Bild zum Überprüfen noch einmal
       abgebildet. Hier werden nicht nur Begriffe eingeübt, sondern Freude am
       Spiel mit Wörtern im Speziellen und Sprache im Allgemeinen angetriggert,
       die in beliebiger Form außerhalb des Buches am Abendbrottisch weitergeführt
       werden kann, erhältlich im [2][Ladislaus Bean Verlag] für ca. 12 €.
       
       Social Distancing ließ sich im Britzer Garten schon immer problemlos
       umsetzen. Bis es wieder Präsenzveranstaltungen gibt, stellt das
       [3][Freilandlabor Britz] Infos über aktuelle Themen als
       „Freilandlabor-Notizen“ ins Netz. Bevor man in den Britzer Garten fährt,
       kann man sich also über den Brutbeginn der Graugänse zu Hause informieren
       und die Lage dann im Britzer Garten in Eigenregie erkunden. Es gibt auch
       Videobeiträge über Karpfen oder Kanadagans und Familientipps, unter anderem
       mit Ideen, wie man sich den Garten auf den Balkon holen kann.
       
       7 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://asmodee.de/search?q=dobble
   DIR [2] https://www.ladislaus-bean-verlag.de
   DIR [3] http://www.freilandlabor-britz.de/index.php/de/aktuelles/informationen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sylvia Prahl
       
       ## TAGS
       
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