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       # taz.de -- Unkommerzielles Projekt in bester Lage: Im Centro ist’s zu teuer
       
       > Das linke Zentrum in St. Pauli zahlt 4.000 Euro Monatsmiete. Die
       > Nutzer*innen verhandelten über einen neuen Vertrag, bis Corona
       > dazwischenkam.
       
   IMG Bild: Soziokulturelles Zentrum mit politischem Anspruch: Das Centro Sociale 2008
       
       Hamburg taz | Heute im Centro: 12 Uhr Gesang“. Auf der Webseite des
       Stadtteiltreffs im Karoviertel stehen noch die geplanten Termine. Um 16 Uhr
       hätte es ein offenes Treffen queerer Refugees gegeben, um 18 Uhr die
       Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt, ab 19.30 Uhr eine Beratung der [1][Roten
       Hilfe].
       
       Jetzt sind alle Veranstaltungen bis auf Weiteres abgesagt. Und die Zukunft
       des Projekts scheint auch nicht gesichert: „Unser Mietvertrag ist am 31.
       12. 2019 abgelaufen“ steht auf der Internetseite und draußen auf einem
       Plakat an der Hauswand.
       
       Auch linken Zentren machen die Coronamaßnahmen schwer zu schaffen. Kosten
       laufen weiter, aber Einnahmen bleiben aus. Das [2][Centro Sociale] ist
       doppelt betroffen: Eigentlich hatten die Nutzer*innen gerade mit der
       [3][Stadtentwicklungsgesellschaft Steg] über die Verlängerung des
       Mietvertrages verhandelt. Dazu sollte es eine Infokampagne geben. Die liegt
       wegen Corona auf Eis. Auch die Verhandlungen mit der Steg stocken.
       
       Der neue Vertrag soll nach dem Willen der Centristas, wie sie sich selbst
       nennen, deutlich bessere Konditionen enthalten als der alte. Gerald B.,
       einer der alteingesessenen Ehrenamtlichen, sagt: „Jahrelang haben wir uns
       angestrengt, teils auf Kosten der Gesundheit.“
       
       ## Weniger Miete, längere Laufzeit
       
       Die Miete verursache monatlich Kosten in Höhe von 4.000 Euro, die über
       Weitervermietung erwirtschaftet würden – an den Gastronomiebetrieb
       „Feldstern“ und an Gruppen, die das [4][Centro] für Partys mieten. Gerade
       Letzteres müsse organisiert werden und hinterher müsse man aufräumen. Da
       bleibe den Ehrenamtlichen oft wenig Zeit für ihre soziokulturelle und
       politische Arbeit.
       
       Die Centristas fordern deshalb, dass die Quadratmetermiete um einen Euro
       sinkt – das wäre um fast ein Fünftel. Und sie wollen eine Laufzeit von
       mindestens 30 Jahren. Wegen der verzögerten Verhandlungen ist aus der
       bisherigen langfristigen Bindung automatisch ein normaler
       Gewerbemietvertrag mit sechsmonatiger Kündigungsfrist geworden.
       
       Das bestätigt die Steg auf Anfrage. Diese Situation könne so nicht bleiben,
       sagt Sybille K., ebenfalls langjährige Ehrenamtliche: „Wir brauchen
       längerfristige Sicherheit, unabhängig von politischen Ränkespielen und
       davon, wer im Rathaus sitzt.“
       
       Seit zwei Jahren habe man in Planungsgruppen die Möglichkeiten – Erbpacht,
       Kauf oder Miete – durchgespielt und mit der Steg Vorverhandlungen geführt.
       Mit dem alten Geschäftsführer Hans Joachim Rösner seien die auch recht weit
       gediehen, sagt Sybille K.
       
       Rösner habe die Miete zwar senken, aber an den Mietpreisindex anpassen
       wollen, und eine kürzere Vertragslaufzeit vorgeschlagen. Das sei für die
       Gruppe nicht tragbar gewesen. Der Wechsel an der Spitze der Steg zum
       Jahreswechsel habe dann alles ins Stocken gebracht.
       
       ## Kaum soziokulturelle Angebote
       
       „Dabei müssten Stadt und Bezirk uns eigentlich die Bude einrennen und
       fragen, was sie noch für uns tun können“, meint Sybille K. Schließlich gebe
       es auf St. Pauli so gut wie keine städtischen soziokulturellen Angebote.
       
       „Grundsätzlich ist die Steg bereit, den Mietvertrag zu verlängern“, sagt
       der neue Geschäftsführer Kurt Reinken auf Anfrage der taz. Das Problem sei
       aber, dass eine so lange Laufzeit, wie sie das Centro Sociale fordert, und
       eine Miete „sehr weit unterhalb der Marktmiete“ nicht ohne Zustimmung der
       Bürgerschaft und des Landesbetriebs Immobilienmanagement zu vereinbaren
       seien.
       
       Auch eine mögliche Anerkennung als Stadtteilkulturzentrum mit öffentlicher
       Förderung bringt er ins Spiel. Die müsse noch geprüft werden. Das hieße
       allerdings dann „Öffnung auch für andere Gruppen“, so Reinken. Eine
       öffentliche Finanzierung käme für das Centro nicht in Frage, sagt Sybille
       K. Man wolle unabhängig bleiben. Aber neue Gruppen? „Selbstverständlich, so
       lange die unsere Werte teilen“, also etwa antirassistisch und
       antisexistisch sein.
       
       Bei der Pressestelle der Finanzbehörde indes heißt es auf Nachfrage, dass
       nach aktuellem Kenntnisstand der Meinungsbildungsprozess noch nicht
       abgeschlossen sei. Offenbar wartet man dort noch auf eine Einschätzung der
       Steg. Doch auch da ist die Entscheidung über die Vertragsverlängerung und
       die Konditionen wohl noch nicht gefallen.
       
       Die Steg hat den Centristas derweil empfohlen, sich an die Politik zu
       wenden. Von der habe es bisher eher positive Signale gegeben, sagen Sybille
       K. und Gerald B. Sie sind weiter zuversichtlich, dass es eine Einigung
       geben werde. Und Corona werde irgendwann auch vorbei sein.
       
       10 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rote-hilfe.de/
   DIR [2] /Schanzenviertel/!5159034
   DIR [3] https://www.steg-hamburg.de/
   DIR [4] https://centrosociale.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kristian Meyer
       
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       Aufregung.