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       # taz.de -- Umweltkatastrophe in Uganda: Wasser bis zum Hals
       
       > Eine schwimmende Insel im Victoriasee hat sich gelöst und verstopft zwei
       > Dämme. Das führt zu massivem Stromausfall. Auch Kenia ist betroffen.
       
   IMG Bild: Grenzenlose Gewässer – in Uganda und Kenia verlieren Menschen wegen der Wassermassen ihr Zuhause
       
       Kigali taz | Mitten in der Präsidentenansprache zur aktuellen Lage an der
       Corona-Front gingen Ende April in Uganda alle Lichter aus. Daraufhin
       herrschte in manchen Landesteilen tagelanger Stromausfall.
       
       Der Grund: Eine neun Fußballfelder große, schwimmende Insel war vom
       Festland abgebrochen und war auf dem Victoriasee herum getrieben. Letztlich
       wurde sie durch die Strömung in den Abfluss des Nils geschwemmt und
       verstopfte dort zwei Dämme, die zur Stromgewinnung dienen.
       
       Die Turbinen des Nalubaale-Damms direkt am Nilabfluss, des daneben
       liegenden Kiira-Damns sowie des acht Kilometer flussabwärts gelegenen
       Bujagali-Damms stehen bis heute aufgrund von Überhitzung teilweise still.
       
       Das Land wird nun zum Großteil über Notstromaggregate versorgt, doch auch
       diese sind überlastet. Regelmäßig kommt es in verschiedenen Bezirken zu
       Stromausfällen oder gezielten Abschaltungen durch den Stromanbieter. Auch
       der Westen Kenias ist betroffen, weil Uganda Strom ins Nachbarland
       exportiert.
       
       ## Schwimmende Wasserhyazinthen
       
       Seitdem bemüht sich ein ganzes Bataillon von Soldaten und Ingenieurens mit
       Baggern, Baukränen und Hebeanlagen den schwimmenden Morast aus den
       Dammmauern zu säubern. Dabei handelt es sich zum Großteil um schwimmende
       Wasserhyazinthen, die den See und dessen Ufer seit Jahrzehnten wie eine
       Plage besiedeln.
       
       Wasserhyazinthen kennt man in Europa als Gartenteichblumen. Im Victoriasee,
       dem größten Süßwassersee Afrikas und zweitgrößten See weltweit, richten sie
       seit Jahrzehnten eine gewaltige Umweltkatastrophe an.
       
       2005 wurde der See vom Globalen Naturfund zum meist gefährdeten See
       erklärt. Laut einem 2018 erschienenen Bericht der Weltnaturschutzunion
       (IUCN) ist ein Fünftel der 651 untersuchten Arten im Viktoriaseebecken vom
       Aussterben bedroht.
       
       Die Wasserhyazinthe ist keine heimische Pflanzenart, sie wurde
       eingeschleppt. Seit den 1990er Jahren sind 90 Prozent der ugandischen
       Küstenufer davon bedeckt. Sie raubt dem See und den darin lebenden
       Tierarten den Sauerstoff, verwandelt das Wasser in eine grün-schleimige
       Brühe, die übel riecht und den über 30 Millionen Menschen, die rund um den
       See leben, das Leben zur Hölle macht. Krankheiten wie Malaria, sinkende
       Fischbestände, mangelnde Trinkwasserreserven und Parasiten sind die Folge.
       
       ## Starke Regenfälle
       
       Und jetzt kommt auch noch der Stromausfall hinzu. Durch die Verstopfung der
       Dämme steigt nun der Wasserstand des Sees. Mittlerweile erreicht er ein
       Rekordhoch von 13 Meter über dem Normalstand, so hoch wie seit 1964 nicht
       mehr.
       
       Hinzu kommen seit rund einem Jahr starke Regenfälle in der ganzen Region
       des Victoria-Beckens, auch in Ugandas Nachbarländern Ruanda, Kenia und
       Burundi. Von dort fließen zahlreiche Flüsse in den Victoriasee.
       
       Dies führt nun zu einem Teufelskreis: Denn der See überschwemmt immer mehr
       Marschland und Sumpfgebiete entlang der Ufer. Dort brechen immer weitere
       Landstriche ab, die aufgrund der Ströme Richtung Nilabfluss treiben.
       
       So geschah es, dass Ende April, kaum war der Großteil der ersten
       schwimmenden Insel auf den Dämmen entfernt, eine zweite Insel auf den Nil
       zutrieb. Schlepper mit Kränen mussten diese umleiten, doch sie zerbricht
       nun stetig in kleinere Teile, die nun eine weitere Blockade erzeugen
       können. Hellen Adoa, Staatsministerin für Fischerei, warnt mittlerweile von
       „mehreren weiteren Inseln“, die sich auf den Nilabfluss zubewegen werden.
       
       ## Wasser im Wohnzimmer
       
       Mittlerweile steht den Ugandern das Wasser buchstäblich bis zum Hals. In
       Munyonyo, dem schicken Vorstadtviertel der Hauptstadt Kampala, wo die
       reiche Schickeria am Seeufer lebt, fließt Wasser nun durch die Wohnzimmer
       der Superreichen. Betroffen ist auch das neu errichtete Victoria-Hotel,
       dessen Golfplatz unter Wasser steht.
       
       In den übrigen Landesteilen sowie in den Nachbarländern verursachten
       [1][starke Regenfälle] in den vergangenen Wochen zahlreiche Erdrutsche. Es
       kam zu zahlreichen Toten.
       
       Die genaue Zahl ist nach wie vor nicht bekannt, weil Menschen spurlos
       verschwanden und kaum Leichen geborgen wurden. Allein Ruandas Ministerium
       für Notfall- und Katastrophenschutz meldet 65 Tote, in Kenia wurden bis zu
       200 Todesopfer und über 100.000 zerstörte Häuser gemeldet.
       
       Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) betrachtet die Überschwemmungen mit
       Sorge. Durch die Corona-Krise seien laut WFP-Angaben ohnehin über 20
       Millionen Menschen in der Region von Hunger betroffen. Ernteausfälle durch
       Fluten könne diese Krise noch verschärfen. Hoffnung ist nicht in Sicht: Die
       meteorologischen Institute der Region kündigen für die nächsten Wochen
       weitere Regenfälle an.
       
       9 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schaeden-durch-Unwetter-in-Ostafrika/!5647999
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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