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       # taz.de -- Übersterblichkeit während Corona: Mehr Tote auch in Deutschland
       
       > Statistiker haben erstmals auch für Deutschland überdurchschnittlich hohe
       > Todesfallzahlen errechnet. Europaweit scheint die Spitze überschritten.
       
   IMG Bild: Es trifft vor allem die Alten: Abtransport eines Verstorbenen aus einem Altenheim in Wolfsburg
       
       Wiesbaden dpa/taz | Während der Corona-Pandemie sind laut Statistischem
       Bundesamt überdurchschnittlich viele Menschen in Deutschland gestorben. Das
       geht aus einer am Freitag [1][in Wiesbaden veröffentlichten
       Sonderauswertung] hervor. Für die jüngeren Daten nutzen die Statistiker die
       Sterbefallmeldungen der Standesämter. Derzeit liegen damit vorläufige Daten
       bis 12. April vor.
       
       Demnach liegen die Sterbefallzahlen in Deutschland seit 23. März „über dem
       Durchschnitt der jeweiligen Kalenderwochen der Jahre 2016 bis 2019“. In der
       letzten Märzwoche seien mindestens 19.385 Menschen gestorben, zwischen 30.
       März und 5. April mindestens 20.207 und zwischen 6. und 12. April
       mindestens 19.872.
       
       Im Vergleich starben in der letzten Woche, für die Daten vorliegen, knapp
       2.000 Menschen beziehungsweise elf Prozent mehr als im vierjährigen
       Durchschnitt für diese Woche. Vergleicht man einzelne Jahre, waren es
       zwischen 6. und 12. April 18 Prozent mehr Tote als 2017 und 4 Prozent mehr
       als 2018.
       
       „Die aktuelle Entwicklung ist auffällig, weil die Sterbefallzahlen in
       dieser Jahreszeit aufgrund der ausklingenden Grippewelle üblicherweise von
       Woche zu Woche abnehmen“, urteilen die Statistiker. „Dies deutet auf eine
       Übersterblichkeit im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie hin.“ Das ist
       neu. Denn in den zuletzt veröffentlichten Berichten des Bundesamtes, die
       Zahlen bis Anfang April ausgewertet hatten, hatte es noch geheißen, dass
       eine Übersterblichkeit für Deutschland nicht festgestellt werden könne.
       
       ## Trendwende in Europa in Sicht
       
       In anderen europäischen Länder, die mit wesentlich aktuelleren Sterbezahlen
       arbeiten, sind die dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie wesentlich
       deutlicher. Laut am Donnerstag vom European Mortality Monitoring (Euromomo)
       veröffentlichten Zahlen, sind europaweit seit Anfang März rund 150.000
       Menschen mehr gestorben als saisonal üblich. Besondes extrem trifft es die
       Älteren. Bei den über 75-Jährigen wurden in den ersten beiden Aprilwochen
       rund 60 Prozent mehr Tote als normalerweise registriert.
       
       Allerdings gibt es einen Hoffnungsschimmer. Zwar müssten vor allem die
       vorläufigen Zahlen der letzten Woche mit Vorsicht bewertet werden. Dennoch,
       [2][heißt es in dem Wochenbulletin], scheine die von Euromomo in den
       letzten Wochen geschätzte Übersterblichkeit „inzwischen in allen Ländern
       ihren Höhepunkt erreicht zu haben.“
       
       Auch die jetzt für Deutschland errechneten Zahlen liegen deutlcih unter
       denen etwa aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, die
       Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz und Spanien. „Im europäischen
       Vergleich ist der [3][Umfang der Übersterblichkei]t in Deutschland bislang
       gering“, rechnet das Statistische Bundesamt vor.
       
       ## Aussagekraft begrenzt
       
       Tim Friede, Leiter des Instituts für Medizinische Statistik der
       Universitätsmedizin Göttingen, hält die Aussagekraft solcher
       Wochenvergleiche für begrenzt. Generell gebe es bei den Sterbefallzahlen
       „eine hohe Varianz“, sagte Friede. Auch wenn die Zahlen seit Beginn der
       Corona-Krise höher seien, so sei man doch „deutlich unter den Maxima
       anderer Jahre. Die Mortalitätszahlen liegen im Rahmen dessen, was wir auch
       in den vergangenen Jahren gesehen haben.“
       
       Es sei nicht möglich, anhand der Zahlen die zur Eindämmung der Pandemie
       eingeleiteten Maßnahmen zu bewerten. „Das wäre erst im langfristigen
       Verlauf nach mehreren Lockdown- und Lockerungsphasen möglich.“ Erste
       Hinweise könne man aber aus dem internationalen Vergleich ziehen. Dieser
       zeige ganz klar, „dass im Gegensatz zu anderen Ländern die
       Mortalitätszahlen in Deutschland nicht durch die Decke gegangen sind.“
       
       In der aktuellen Diskussion würden bisweilen Ursache und Wirkung verkehrt:
       Wenn die Zahl der Todesfälle gering ist, sei das vermutlich die Folge der
       eingeleiteten Maßnahmen – aber keinesfalls ein Argument, dass die Maßnahmen
       unnötig waren. „Die Frage der Kausalität ist ohnehin schwierig“, sagte
       Friede: Bei den nun vorliegenden Zahlen gebe es keine Angaben zur
       Todesursache und „ich wüsste aber auch nicht, wie man das zeitnah
       vernünftig abbilden könnte“.
       
       Das Statistische Bundesamt will als Lehre aus der Corona-Pandemie
       krisenrelevante Daten künftig schneller liefern, wie Präsident Georg Thiel
       der „Frankfurter Rundschau“ (Freitag) sagte. „Wir brauchen monatliche und
       vierteljährliche Daten, ältere Statistiken sind zum Krisenmanagement
       schlicht nicht geeignet“, so Thiel. „Das packen wir an. Daten, die in
       Krisensituationen dringend benötigt werden, wollen wir künftig schneller
       bereitstellen können.“
       
       8 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html
   DIR [2] https://euromomo.eu/bulletins/2020-18/
   DIR [3] /Zahl-der-Toten-durch-Corona/!5680634
       
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