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       # taz.de -- Israel hat eine neue Regierung: Zeremonie mit Zwischenrufen
       
       > Nach mehr als 500 Tagen hat Israel wieder eine reguläre Regierung.
       > Ministerpräsident Netanjahu hat sie am Sonntag vorgestellt.
       
   IMG Bild: Jetzt erst ist es offiziell: Netanjahu (rechts vorne) wird noch einmal Ministerpräsident
       
       Tel Aviv taz | Selbst Israels Nachrichtensprecher*innen hatten bis zur
       letzten Minute noch Zweifel, doch nun ist es amtlich: Am Sonntag hat
       Benjamin Netanjahu (Likud) dem Parlament in Jerusalem seine neue Regierung
       vorgestellt: eine Einheitsregierung mit seinem vormaligen Rivalen Benny
       Gantz (Blau-Weiß). Mit in der neuen Koalition sitzen zwei religiöse
       Parteien sowie die Arbeiterpartei Awoda. Damit konnte eine vierte
       Parlamentswahl in nur eineinhalb Jahren abgewendet werden. Netanjahu hatte
       seit Ende 2018 eine Übergangsregierung angeführt.
       
       Aus der Opposition unterbrachen Rufe wie „Korruption und Bestechung“
       Netanjahus Rede, der am kommenden Sonntag wegen Korruptionsvorwürfen
       erstmals vor Gericht erscheinen muss. Auch Gantz musste warten, bis wütende
       Zwischenrufe von früheren Bündnispartnern verstummten. Zwei Abgeordnete
       flogen aus dem Plenarsaal.
       
       Netanjahu hatte bis zuletzt [1][Streit um Ministerposten] schlichten
       müssen, weshalb die eigentlich für Donnerstag vorgesehene Zeremonie nur
       Stunden vor dem anvisierten Termin verschoben worden war. Selbst Gantz, der
       Verteidigungsminister wird und Netanjahu in 18 Monaten als
       Ministerpräsident ablösen soll, erfuhr von der Verschiebung nur aus den
       Medien.
       
       Das neue Kabinett ist das größte und teuerste in der Geschichte Israels.
       Das „Ministerium zur Stärkung von Communities“ etwa wurde neu geschaffen
       und wird von Orly Levi-Abekasis übernommen. Sie war nach der [2][Wahl im
       März] aus dem Mitte-links-Wahlbündnis ausgeschieden und in Netanjahus Block
       gewechselt.
       
       Ebenfalls neu geschaffen wurde das „Ministerium für
       Siedlungsangelegenheiten“. Damit dürfte Netanjahu die Wählerklientel der
       nationalreligiösen Partei Jamina besänftigen, deren Abgeordnete sich wegen
       Netanjahus Personalentscheidungen wutentbrannt für die Opposition
       entschieden.
       
       ## EU ringt um Position zur geplanten Annexion
       
       Die Likud-Politikerin Miri Regev wird Verkehrsministerin. Sie hatte als
       Kulturministerin für Protest aus der Kulturszene gesorgt, unter anderem mit
       einem Gesetz, das staatliche Fördergelder von der Loyalität zum Staat
       abhängig machen sollte. Gideon Sa’ar, der in parteiinternen Likud-Vorwahlen
       im Dezember Netanjahu herausgefordert hatte, erhielt kein Amt.
       
       Außenminister wird Gabi Ashkenazi von Blau-Weiß, sein Parteikollege Avi
       Nissenkorn Justizminister. Damit liegt die Zukunft des Obersten Gerichts in
       seinen Händen, was eine Rolle spielen kann bei Netanjahus Prozess. Doch der
       hat vorgesorgt. Der vormalige Justizminister, Netanjahus Parteifreund Amir
       Ohana, der das Justizsystem wiederholt attackierte, wird Minister für
       Öffentliche Sicherheit und beaufsichtigt damit auch die Strafverfolgung.
       
       Netanjahu kündigte erneut an, „das israelische Gesetz auf das
       Westjordanland auszuweiten“, also [3][Palästinensergebiete zu annektieren].
       Am Freitag hatte die EU nach einer einheitlichen Antwort auf die Pläne
       gesucht. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich in Bezug auf
       mögliche Wirtschaftssanktionen zurückhaltender als sein luxemburgischer
       Amtskollege Jean Asselborn, der das Vorhaben mit der Krim-Annexion durch
       Russland 2014 verglich.
       
       Der jordanische König Abdullah II. warnte ebenfalls am Freitag Israel vor
       den Konsequenzen einer Annexion. „Falls Israel im Juli wirklich das
       Westjordantal annektiert, würde dies zu einem massiven Konflikt mit dem
       Haschemitischen Königreich Jordanien führen“, sagte Abdullah dem Spiegel.
       
       17 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Judith Poppe
       
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