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       # taz.de -- Verschwörungstheorien in der Coronakrise: Aluhut ab!
       
       > Berechtigte existenzielle Sorgen stehen oft neben Verschwörungstheorien.
       > Das zu benennen ist keine Diskreditierung legitimer Kritik.
       
   IMG Bild: Der Verschwörungsglaube hat mit der Pandemie eine grelle Projektionsfläche gefunden
       
       Würden wir glauben, man könne dem Staat alles abnehmen, würden wir diese
       Zeitung nicht machen. Ein Informationsministerium und ein paar
       Pressestellen würden reichen. Die taz lebt davon, ein Gegenmodell zum
       Verlautbarungsjournalismus zu sein. In der Coronakrise aber fallen die
       Vorstellungen, [1][was Kritik und Aufklärung sind], auseinander.
       
       Zu spüren ist Irritation. Manche LeserInnen klagen, der taz falle in der
       Jahrhundertkrise nichts Besseres ein, als die staatliche Gesundheitspolitik
       zu benicken. Denn in ihrer Berichterstattung ist die Redaktion oft zu dem
       Ergebnis gekommen, dass der Staat auf Grundlage des verfügbaren Wissens
       durchaus [2][Dinge richtig gemacht hat].
       
       Das sehen nicht alle so. Die Kritik an der Coronapolitik [3][füllt heute
       Straßen und Plätze], Telegram und Tiktok. Es artikuliert sich ein
       Kontinuum, dessen Pole klar erkennbar, dessen Schattierungen aber
       undeutlich sind: Auf der einen Seite stehen berechtigte Sorgen um
       Grundrechte und wirtschaftliche Existenzen, wird substanzielle Kritik an
       der Pandemiepolitik mit der sozialen Frage gekoppelt.
       
       Daneben steht, oft kaum trennscharf, Geraune aus den schattigen Ecken des
       Internets, das sich bis zu Antisemitismus und offenkundigem Wahn versteigt.
       Verschwörungsglaube hat mit der Pandemie eine grelle Projektionsfläche
       gefunden. Er wurde zum Katalysator der Aufmerksamkeitskonkurrenz. Manche
       wüten heute mit den gleichen Worten gegen die Coronapolitik, wie sie es vor
       Kurzem noch bei der Flüchtlingspolitik getan haben. Dem, was sie über
       Corona sagen, mag der rationale Kern fehlen, nicht aber die politische
       Funktion: Es soll die Ablehnung demokratischer Institutionen anfachen.
       
       ## Wo sind die Grenzen?
       
       Diese [4][düsteren Anteile der Coronakritik] zu benennen, ist keine
       Diskreditierung legitimer Kritik. Doch viele empfinden es so. Helfen kann
       da nur, Grenzen auszuleuchten, auch im eigenen Milieu: Wo endet das
       berechtigte, wo beginnt das abseitige Misstrauen gegen den Staat genau? Wo
       wird aus dem alternativen Blick auf die Welt eine eskapistische Suche nach
       einer trügerischen alternativen Wahrheit? Wo kippt Dissidenz ins
       Antisemitische? Und wo wird sie anschlussfähig für Rechte und Populisten?
       
       Mit [5][diesem Schwerpunkt] laden wir dazu ein, diese Grenze gemeinsam zu
       erkunden. Wir reden mit einem Ärztekollektiv, dem die Sinnhaftigkeit der
       Coronapolitik nicht einleuchtet, finden schon bei den Illuminati einen
       gewissen Coronini, erforschen linke Mythen und sprechen mit einer
       Historikerin über Geschlecht und Verschwörung.
       
       So hoffen wir Verständigung zu schaffen: dass da, wo Kritik und Aufklärung
       sind, kein Verschwörungsglaube hinpasst.
       
       20 May 2020
       
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       ## AUTOREN
       
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