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       # taz.de -- Blumenerde vom Balkon geklaut: Frau Amsel kommt täglich um 8
       
       > Auf einmal wird Blumenerde auf dem Balkon geklaut. Wer hat's getan? Die
       > Täterin wird auf frischer Tat ertappt. Eine großstädtische
       > Vogelbeobachtung.
       
   IMG Bild: Frau Amsel im gemachten Nest
       
       Berlin taz | Gerade blühen Borretsch, Waldmeister und Fuchsien wie
       verrückt. Hummeln und Wildbienen schauen gern mal auf meinem Balkon vorbei,
       die werden durchdrehen, wenn endlich die Freesien und der Fingerhut ihre
       Blüten öffnen. Und in drei Töpfen sind Blumen ausgesät und die Erde immer
       schön feucht gehalten. Und dann das.
       
       Ein erster Gang, gerade vom Job oder aus dem Garten nach Hause gekommen,
       ist stets der auf den Balkon, um Atem zu schöpfen und um mal zu gucken.
       Diesen Sonntag lag überall Erde auf dem Balkonboden. Wie fein verstreut.
       Sie stammt aus den Töpfen mit den Aussaaten. Die Erde in den Töpfen wirkte
       wir frisch durchgehakt.
       
       Der Fall war auf den ersten Blick klar: Die Nebelkrähen waren mal wieder
       auf dem Balkon zugange. Ich hab die seit Langem in Verdacht, dass sie es
       sich bei meiner Abwesenheit mit meiner Balkonbepflanzung gut gehen lassen.
       Bewiesen ist nichts, aber ich hab letztens erst eine Nebelkrähe dabei
       gesehen, wie sie kleine Stückchen meines Döners in Häufchen von zusammen
       gewehten Baumblüten versteckte, und zwar so, dass das Häufchen danach genau
       so aussah wie zuvor. Total clever.
       
       Jeden Herbst, wenn ich alte Pflanzen entsorge oder zum Überwintern umtopfe,
       entdecke ich in etlichen Balkonkästen – Erdnüsse, noch in der Schale. Die
       hat da jemand als Vorrat versteckt. Wahrscheinlich eine (vergessliche)
       Nebelkrähe. Doch irgendwas stimmt jetzt nicht am Bild: Denn die schlauen
       Vögel haben noch nie irgendwelche Spuren ihrer Anwesenheit hinterlassen.
       Nicht mal ein Staubkorn, geschweige denn Erdklumpen auf dem Balkonboden.
       
       ## An Menschen gewohnt
       
       Nur einen Tag später hab ich Montagmorgen beim Yoga den Übeltäter ertappt,
       auf frischer Tat. Sie – es war ein weibliches, also braunes Tier – saß auf
       einem Topfrand und hatte den Mund, Pardon: den Schnabel ganz schön
       vollgenommen. Es war eine Amsel. Der Vogel starrte mich an und machte
       keinerlei Anstalten fortzufliegen, als sie mich sah. Amseln sind uns
       Menschen ja gewohnt. Ich musste den Erddieb verscheuchen.
       
       Aber Amseln und Erde? Die Recherche brachte zutage, dass Amseln sich gern
       mal an Blumenerde bedienen, wenn sie schön nass ist, und verwenden sie mit
       Gräsern, kleinen dünnen Ästen etc. zum Nestbau.
       
       Dienstagmorgen war die Amsel noch mal da, ungefähr zur selben Zeit kurz vor
       8 Uhr. Ich ließ sie gewähren, bitte schön. Meine Blumenerde ist bio, also
       ohne Torf, und bestimmt deshalb so begehrt.
       
       Und wenn der Vogel nun jeden Morgen vorbeikommt und weiter Erde klaut?
       Vielleicht kippt dann die Stimmung auf dem Balkon …
       
       20 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
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