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       # taz.de -- Bundesliga-Fußball im US-Fernsehen: Fremde Geister
       
       > Der Bundesliga-Restart begeistert US-Sportfans nur mäßig. Funktionären
       > liefert er aber ein paar nützliche Hinweise.
       
   IMG Bild: Bedingtes Vergnügen: Die Geisterspiele der Bundesliga werden in den USA nicht zum Renner
       
       Es war 9.30 Uhr an der amerikanischen Ostküste, als der deutsche Fußball in
       neue Dimensionen aufbrach. Da begannen mit der Partie [1][Borussia Dortmund
       gegen Schalke 04] die Bundesliga-Übertragungen in den USA. Und weil die
       Konkurrenz fehlt, standen die Amerikaner tatsächlich früh auf, um das
       Revierderby zu sehen. Jedenfalls mehr Amerikaner als sonst: Im Vergleich
       zur letzten Bundesliga-Übertragung vor der Corona-Pause stieg die
       Einschaltquote um sagenhafte 725 Prozent, vermeldete der TV-Sender Fox.
       
       In absoluten Zahlen liest sich die Erfolgsmeldung nicht mehr ganz so
       sensationell. Zwar war in knapp 400.000 US-amerikanischen Haushalten das
       TV-Gerät angeschaltet, um den 4:0-Erfolg des BVB zu verfolgen, aber das
       sind gerade mal 0,33 Prozent aller Haushalte des riesigen Landes.
       
       Dabei hatten sich die Medien im Vorfeld bemüht, dem amerikanischen Publikum
       die Bundesliga nahezubringen. Der Fernsehsender CBS führte mit einem
       „Bundesliga guide for soccer dummies“ auf seiner Homepage die Zuschauer auf
       „unbekanntes Terrain“, erläuterte die Unterschiede zwischen „Goalkeeper“
       und „Striker“, versuchte Abseits und sogar das in den USA immer noch als
       vollkommen irre eingeschätzte Konzept von Auf- und Abstieg zu erklären.
       
       Das besser informierte Wirtschaftsmagazin Insider kürte in seinem
       „Beginner’s Guide“ die deutsche Liga immerhin zu „einer der aufregendsten
       der Welt“ und bescheinigte ihr „viele Tore, leidenschaftliche Fans und eine
       Handvoll der weltbesten Spieler“. Glaubt man Insider, ist Paderborn so gut
       wie abgestiegen, aber wer „The Meisterschale or Champion’s Plate“ gewinnen
       wird, noch völlig offen.
       
       ## Nicht mehr als respektabel
       
       Der große Aufschlag, den sich womöglich die Bundesliga-Verantwortlichen
       erhofft hatten, blieb aber aus. Die von kaum messbar auf respektabel
       gestiegenen Zuschauerzahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das
       Produkt den US-Fan immer noch nicht überzeugen kann, schon gar nicht in
       seiner Covid-19-Version: „Ich habe die Bundesliga gesehen. Es hat keinen
       Spaß gemacht. Es war seltsam“, titelte der Kommentator der größten Zeitung
       in Atlanta und stellte fest, dass ohne Zuschauer 90 Prozent der Faszination
       des Sports verloren ginge. Womöglich hat sich die Bundesliga selbst ein
       Bein gestellt bei ihrem Versuch, neue Märkte zu erschließen.
       
       Jedenfalls war nach dem Comeback-Spieltag kein wesentlich erhöhtes mediales
       Interesse an der Bundesliga festzustellen. Die Sportseiten, Podcasts und
       Blogs werden noch von [2][„The Last Dance“] dominiert. Am vergangenen
       Sonntag wurden die letzten beiden Folgen der zehnteiligen Serie über
       Michael Jordan und seine legendären Chicago-Bulls-Teams der 90er Jahre
       gesendet – und von nahezu 6 Millionen Menschen in den USA gesehen.
       
       Damit ist „The Last Dance“ nicht nur die Dokumentation mit den besten
       Quoten in der Geschichte des Sportsenders ESPN, sondern hat auch die
       Diskussion wiederbelebt, ob Jordan nun der beste Basketballer aller Zeiten
       ist – oder doch LeBron James. Der spekulierte in einem Video-Interview
       zwar, dass die beiden sich auf dem Spielfeld hervorragend ergänzt hätten,
       äußerte sich aber nicht zu der Frage nach dem Besseren.
       
       ## Die „Bubble“-Lösung
       
       Ein paar wenige, aber dafür umso wichtigere Fans dürfte die Bundesliga aber
       gewonnen haben. Natürlich haben die Funktionäre der großen US-Sportligen
       aufmerksam zugesehen, vor allem die der NFL. Denn für den Football mit
       seinen riesigen Kadern ist die sogenannte „Bubble“-Lösung, an der sowohl
       die NBA als auch die NHL arbeiten, kaum umsetzbar.
       
       Alle Spieler, Trainer, Betreuer und sonstiges Personal an einem einzigen
       Ort für mehrere Wochen zusammenzuziehen und zu isolieren, ist vielleicht
       für ein paar Basketball-Mannschaften möglich. „Aber wir haben im
       Trainingslager ja schon bis zu 90 Spieler“, erklärte NFL-Sprecher Brian
       McCarthy. „Wir sind deshalb in Kontakt mit anderen Ligen in den USA, aber
       auch weltweit.“ Die Erkenntnis, die McCarthy und seine Kollegen gewonnen
       haben: Sport als TV-Event scheint möglich, wenn genug Tests zur Verfügung
       stehen. Davon aber sind die USA noch weit entfernt.
       
       19 May 2020
       
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