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       # taz.de -- Gesundheitsschutz für Erzieher:innen: Ein Attest reicht nicht
       
       > Niedersachsens Kommunaler Arbeitgeberverband will, dass Erzieher:innen
       > zum Betriebsarzt gehen, wenn sie sich vom Dienst befreien lassen wollen.
       
   IMG Bild: Der Ausbau der Notbetreuung könnte auf Personalproblemen treffen
       
       Hannover taz | Es ist nicht so, dass die Klagen der überlasteten
       „#CoronaEltern“ gar nicht gehört wurden. In Niedersachsen kommen
       Kitaträger, Kitaleitungen und Erzieher:innen gerade ganz schön ins
       Rotieren, weil die [1][Kapazitäten in den Notbetreuungsgruppen] sehr
       kurzfristig auf bis zu 50 Prozent hochgefahren werden sollen. Das Land
       hatte seinen eigenen Stufenplan – der ursprünglich ein schrittweises
       Hochfahren vorsah – noch mal überholt und die Geschwindigkeit deutlich
       angezogen.
       
       Sehr zum Ärger der betroffenen Kommunen, die nun organisatorisch kaum
       hinterher kommen und dem Land vor allem vorwerfen, sie weder informiert
       noch einbezogen zu haben. Er fände es sehr ärgerlich, wenn der
       Kultusminister in der Presse so tue, als seien die Kommunen die Bremser,
       sagte der Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Dr.
       Marco Trips, Ende der vergangenen Woche.
       
       „Mit erheblichem Aufwand und Engagement stellen die Kommunen mit den
       Erzieherinnen und Erziehern derzeit die Kinderbetreuung sicher.“ Dabei
       erführen sie die veränderten Vorgaben regelmäßig selbst erst aus
       Pressekonferenzen am Freitagnachmittag, sollten diese aber am Montag schon
       umsetzen.
       
       [2][Bei diesem politischen Druck d]roht auch der Gesundheitsschutz der
       Beschäftigten wieder hinten runterzufallen, argwöhnt die Gewerkschaft
       Ver.di. An mehreren Stellen komme er in der Praxis viel zu kurz, kritisiert
       Ver.di-Landesleiter Detlef Ahting.
       
       ## Es ist nicht der erste Konflikt dieser Art
       
       Für weiteren Ärger sorgt dabei, dass der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV)
       nun auch noch in seinem letzten Rundschreiben darauf aufmerksam gemacht
       hat, dass für Erzieher:innen, die sich vom Dienst befreien lassen wollen,
       weil sie einer Risikogruppe angehören, eine einfache Krankschreibung vom
       Hausarzt nicht ausreicht.
       
       Ver.di schäumt prompt: „Traut der KAV seinen Beschäftigten nicht? Sind
       Atteste der Ärzte nichts mehr wert?“, wird Ver.di-Landesfachbereichsleiter
       Martin Peter in der entsprechenden Pressemitteilung zitiert. So werde
       unnötig Misstrauen gegenüber den eigenen Beschäftigten und den
       Mediziner:innen gesät, heißt es weiter. Überschrift: „Erzieher:innen sollen
       jetzt zum Amtsarzt.“
       
       Das wiederum findet der Geschäftsführer des Kommunalen
       Arbeitsgeberverbandes Niedersachsen, Michael Bosse-Arbogast, eine
       Unverschämtheit und reine Polemik. Ver.di arbeite hier unsauber, sagt er
       und verweist auf Fehler in der Pressemitteilung. Da hatte die Gewerkschaft
       zum einen die Verbandsebenen verwechselt (Ver.di schreibt VKA statt KAV –
       wobei ersteres den Bundesverband, zweiteres die Landesverbände bezeichnet)
       und zweitens die Bezeichnung „Amtsarzt“ ja auch irreführend sei – denn der
       sei ja eher für Beamt:innen zuständig, was Erzieher:innen selten sind.
       
       Tatsächlich habe er – auf Anfrage mehrerer Mitglieder – die rechtliche
       Auskunft erteilt, dass in solchen Fällen eigentlich eine
       Gefährdungsbeurteilung durch den betriebsärztlichen Dienst vorzunehmen sei.
       Denn es gehe hier ja nicht um eine Krankschreibung, deren Bedingungen im
       Tarifvertrag geregelt sind, sondern um Fragen des Arbeitsschutzes.
       
       Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Ver.di und der KAV
       Niedersachsen derart aneinander geraten: Schon relativ zu Beginn der
       Coronakrise fiel der KAV Niedersachsen dadurch auf, dass er – als die
       Schul- und Kitaschließungen gerade erst bekannt gemacht wurden – sofort
       darauf hinwies, dass [3][Beschäftigte für die Kinderbetreuung aber Urlaub
       nehmen müssten] und nicht etwa Anspruch auf bezahlte Freistellung hätten.
       
       ## Bis zu einem Drittel der Beschäftigten könnte betroffen sein
       
       Formaljuristisch war das auch damals korrekt, wenn man die
       tarifvertraglichen Regelungen betrachtet. Nur hat bei deren Abschluss eben
       auch niemand an eine derartige Ausnahmesituation gedacht. Und politisch
       wirkte es ausgesprochen seltsam, dass sich ausgerechnet der
       Interessenverband der KAV Niedersachsen auf derart hartleibige
       Arbeitgeber:innen-Positionen zurückzog – immerhin sind in ihm öffentliche
       Verwaltungen, Verbände, Vereine, Unternehmen und Stiftungen, die in den
       Kommunen, Landkreisen und Regionen öffentliche Aufgaben erfüllen,
       organisiert.
       
       Und selbst an Privatunternehmen appellierte damals der
       Bundesarbeitsminister, kulante und sozialverträgliche Regelungen gemeinsam
       mit den Beschäftigten zu finden. Mittlerweile gibt es auch
       Zusatzvereinbarungen für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, die
       helfen sollen, solche Härten abzumildern.
       
       Unklar ist, wie viele Beschäftigte im Kita-Bereich nun von diesem neuen
       Konflikt betroffen sind, also selbst zur Risikogruppe gehören oder sich um
       Angehörige kümmern, die gefährdet sind. Der KAV-Geschäftsführer spricht von
       „vereinzelten Anfragen“, die er nicht quantifizieren könne.
       Gewerkschafter:innen schätzen, dass bis zu einem Drittel der Beschäftigten
       betroffen sein könnten.
       
       23 May 2020
       
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