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       # taz.de -- Chinas Nationaler Volkskongress tagt: Hongkong droht Autonomieverlust
       
       > Chinas Volkskongress plant ein Sicherheitsgesetz für Hongkong. Mit dem
       > kann Peking direkt gegen dortige Proteste vorgehen.
       
   IMG Bild: Ein demonstrierender Abgeordneter wird am 18. Mai aus Hongkongs Legistlativrat getragen
       
       PEKING taz | Mit einem Paukenschlag hat Peking am Freitag seine wichtigste
       Polititveranstaltung des Jahres eröffnet: Auf dem [1][Volkskongress]
       bestimmten die fast 3.000 KP-Kader überraschend, ein nationales
       Sicherheitsgesetz für Hongkong zu verabschieden.
       
       Zuletzt war die Regierung der autonomen Finanzmetropole 2003 an einem
       solchen Vorhaben gescheitert, da der Protest der dortigen Bevölkerung zu
       groß war. Doch aufgrund eines umstrittenen Schlupflochs in Hongkongs
       Verfassung kann Peking jetzt die Legislative der renitenten Ex-Kronkolonie
       umschiffen.
       
       Dieser schwerste Angriff auf Hongkongs Autonomie seit der Übergabe 1997
       soll sämtliche Akte der Sezession, Subversion und ausländischer
       Einflussnahme unter Strafe stellen. Das dürfte Peking die Grundlage bieten,
       seine eignen Sicherheitskräfte in Hongkong zu installieren, um die dortige
       [2][Demokratie- und Protestbewegung] mundtot zu machen.
       
       Der prodemokratische Hongkonger Abgeordnete Dennis Kwok spricht vom „Ende
       von Hongkong“. Amnesty International nennt es „einen fundamentalen Angriff
       auf die Menschenrechte in Hongkong“. Der bekannte Hongkonger Aktivist
       Joshua Wong fordert internationale Unterstützung.
       
       ## Trump droht mit „starker“ Reaktion
       
       Viele Alliierte bleiben der Protestbewegung wegen befürchteter
       wirtschaftlicher Vergeltung Pekings jedoch nicht mehr. Doch dürfte Pekings
       Vorstoß der US-Regierung sogar recht sein: US-Präsident Donald Trump drohte
       mit einer „starken“ Reaktion, ohne diese näher zu benennen. Sanktionen
       scheinen denkbar, oder zumindest die Aufhebung der Sonderrechte im Handel
       und Technologietransfer mit Hongkong.
       
       Die Beziehungen zwischen den USA und China sind so schlecht wie nie seit
       1989, als Peking die Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz der
       Hauptstadt blutig niederschlagen ließ.
       
       Hongkong entwickelt sich zum Stellvertreterkrieg im Hegemoniekonflikt der
       zwei Weltmächte. Chinas Kommunistische Partei wirft den USA vor, [3][die
       Stadt zu nutzen], um von dort aus Festlandchina zu destabilisieren.
       
       ## Appell an Bewohner Taiwans
       
       In seiner Rede ging Premierminister Li Keqiang auch auf den zweiten großen
       Krisenherd vor der eigenen Haustür ein: Er forderte die Bewohner Taiwans
       auf, eine Wiedervereinigung mit dem Festland zu unterstützen.
       
       Damit dürfte Chinas Premier aber nur wenige Taiwaner erreichen, denn diese
       haben erst im Januar ihre [4][Peking-kritische Präsidentin Tsai Ing-Wen
       wiedergewählt]. Auch die tendenziell Peking-freundlichere oppositionelle
       [5][Kuomintang] hat sich seither noch einmal deutlich vom Festland
       distanziert.
       
       Beobachtern fiel auf, dass Li das sonst von Peking bemühte Adjektiv
       „friedfertig“ ausließ, als es um die „Wiedervereinigung“ ging. Auch das
       klingt wie eine Drohung. Die Botschaft: Die Welt muss sich an eine
       Volksrepublik gewöhnen, die ihre geopolitischen Ziele selbstbewusster
       verfolgt.
       
       Dazu passt auch, dass das Land sein offizielles Militärbudget als fast
       einzigen Posten um satte 6,5 Prozent im laufenden Jahr erhöht.
       
       ## Kein offizielles Wachstumsziel für die Wirtschaft
       
       Ein Wachstumsziel für die Wirtschaft in 2020, das unter normalen Umständen
       die wohl interessanteste Kenngröße des jährlichen Volkskongress ist, gab Li
       jetzt nicht aus. Stattdessen wolle man den Fokus auf die Stabilisierung des
       Arbeitsmarkts legen – unter anderem mit Hilfen an die Lokalregierungen von
       umgerechnet knapp 130 Milliarden Euro.
       
       Es ist gut, dass die Staatsführung die lokalen Kader jetzt nicht mit einer
       starren Kenngröße unter Druck setzt, und für deren Erreichen die Gefahr
       einer zweiten Infektionswelle in Kauf zu nehmen. Ebenso positiv ist, dass
       die Volksrepublik trotz Wirtschaftskrise an ihren selbst gesteckten
       Umweltzielen zur Verbesserung der Luftqualität festhalten wird.
       
       22 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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