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       # taz.de -- Fußball ohne Zuschauer: Wer braucht schon Fans
       
       > Gibt es in der Corona-Bundesliga das „AS-Monaco-Phänomen“? Kann man also
       > Meister werden, ohne dass jemand hingeht?
       
   IMG Bild: Vorteil Heimnachteil beim Spiel 1. FC Köln gegen Fortuna Düsseldorf
       
       Wolfsburg widerlegt alles. Auch die These dieses Kommentars kippt. Man muss
       sich nur diesen Spieltag anschauen. Die These lautet nämlich: Vereine ohne
       traditionell lauten und starken Fananhang profitieren vom aktuellen
       Ausschluss der Zuschauer. Dass Leverkusen in Gladbach gewinnt, wäre ein
       Beleg. Dass Freiburg zu Hause verliert, in dem Fall gegen Bremen, könnte
       auch die These stützen. Dass Union bei Hertha im auch sonst nicht immer
       vollen Olympiastadion untergeht, geht ja beinah als Beweis durch.
       
       Und dass Hoffenheim in Paderborn punktet – hm, ja, öh, äh, könnte man mit
       viel Wohlwollen auch noch als Beleg der These interpretieren, für die
       fußballwissenschaftlich der Begriff „AS-Monaco-Phänomen“ bereitsteht:
       Meister werden, ohne dass einer hingeht. Als der [1][Klub aus dem
       Fürstentum] zuletzt französischer Meister wurde, 2017, kamen im Schnitt
       weniger als 9.000 Fans zu seinen Spielen. Der Fürst als Ultra scheint dort
       zu genügen.
       
       Schaut man sich den vorvergangenen Spieltag an, bekommt die These sogar
       noch größere Plausibilität: Wolfsburg hat in Augsburg gesiegt, Leverkusen
       mehr als deutlich in Bremen gewonnen, und Bayern konnte vor der eigentlich
       lauten Kulisse bei Union siegen. Mehr Empirie geht ja wohl kaum.
       
       Plausibel ist das Theorem ja allemal: Etliche Studien weisen den
       Heimvorteil nach. Er wird nicht etwa mit der Vertrautheit mit den
       Katakomben begründet und auch nicht mit – immer wieder kolportierten –
       Gerüchten über mangelnde Hygiene in den Umkleiden der Gastmannschaften
       (Stichwort „Betzenberg-Spa“). Sondern der Vorteil erwächst explizit aus der
       motivierenden Kulisse Tausender eigener Fans. Beziehungsweise, andersrum
       gewendet, aus dem Einschüchterungspotenzial, das die Nord- oder Südkurven
       den gegnerischen Mannschaften entgegenbringen.
       
       ## Ticketerlöse spielen kaum eine Rolle
       
       Die Tatsache namens Heimvorteil ist so verbürgt, dass sie sogar
       sportjuristische Relevanz erlangt hat. Um nämlich Vereine wegen
       ungebührlichen Verhaltens ihrer Fans zu bestrafen, ist ja im nationalen und
       europäischen Rahmen das Geisterspiel ein immer wieder benutztes
       Bestrafungsinstrument. Da Ticketerlöse kaum noch etwas bedeuten im
       Vergleich zu den Fernseheinnahmen, wurde der zu sanktionierende Verein auf
       diese Weise weniger ökonomisch denn mehr sportlich bestraft. Es sei denn,
       könnte man als Lehre aus dem Corona-Fußball ziehen, so ein Klub brauche eh
       keine Fans.
       
       Alles klar mit dem „AS-Monaco-Phänomen“, so scheint es. Bleibt nur der so
       gar nicht in die Theorie passende 2:0-Sieg der Dortmunder beim VfL
       Wolfsburg. Der BVB hat bekanntlich etliche Fans, dem VfL wird ein
       nennenswert großer Supporteranhang eher nicht nachgesagt. Folglich hätte
       also beim Fehlen des Dortmunder zwölften Mannes das so hergestellte
       11-gegen-11 ein Wolfsburger Vorteil sein müssen.
       
       Verhält es sich mit dem „AS-Monaco-Phänomen“ wie mit dem anderen
       fußballwissenschaftlichem Lehrsatz „Mit Geld kann man keine Meisterschaft
       kaufen“, auch bekannt als „Bayer-Leverkusen-Theorem“? Das war bekanntlich
       ebenfalls empirisch verifiziert, bis 2008/2009 ein sehr reicher Klub kam,
       der mit einem Weltkonzern im Rücken ein Meisterensemble zusammenkaufte,
       das dann einen Autokorso durch, ja, wirklich, Wolfsburg veranstaltete.
       
       Wolfsburg widerlegt tatsächlich alles. Schön ist das nicht.
       
       25 May 2020
       
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