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       # taz.de -- Corona-Streit zwischen Bund und Ländern: Merkels Machtwort
       
       > Der Dissens ist nicht länger zu kaschieren. Immer mehr
       > MinisterpräsidentInnen wollen weiter lockern und setzen sich vom
       > Corona-Kurs der Kanzlerin ab.
       
   IMG Bild: Propagiert einen „Paradigmenwechsel“ ab Juni: Sachsens Sozialministerin Petra Köpping
       
       BERLIN taz | Nach zuletzt nur noch mäßig aufrechterhaltener Geschlossenheit
       bei den Maßnahmen gegen die Coronapandemie sind die Absetzbewegungen der
       Länder gegenüber dem Bund nicht länger zu ignorieren. Am Montag ist bekannt
       geworden, dass die Sitzung des sogenannten Corona-Kabinetts vertagt werden
       musste. Der Grund: erheblicher Gesprächsbedarf. Die in Vorbereitung auf das
       Treffen von Kanzleramtschef Helge Braun ausgearbeitete Beschlussvorlage für
       die Runde der Staatskanzleichefs der Länder war durch das Vorpreschen
       einzelner Landesregierungen bereits vor Beginn überholt.
       
       Kurz zuvor hatte Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD)
       erklärt, ihre CDU-geführte Regierung plane einen „Paradigmenwechsel“ ab 6.
       Juni. Bis zum Tag davor gelten die bisherigen Allgemeinverfügungen. In etwa
       dasselbe hatte [1][Thüringens Ministerpräsident bereits am Wochenende
       gesagt.] Sein rot-rot-grünes Kabinett wird sich an diesem Dienstag zum
       Thema Coronabeschränkungen besprechen müssen.
       
       In der Regierungspressekonferenz am Montagmittag versuchte Angela Merkels
       Sprecher Steffen Seibert zunächst einmal, die Angelegenheit
       herunterzuspielen. Die zu besprechenden Themen seien einfach noch nicht
       „entscheidungsreif“ und seien deshalb nun für die reguläre Kabinettssitzung
       an diesem Mittwoch vorgesehen. Und nein, [2][die Thüringer Volte] habe mit
       der Absage nichts zu tun. Ob und wann es nach Pfingsten ein weiteres
       Treffen der Kanzlerin mit den RegierungschefInnen der Länder geben werde,
       ließ er offen.
       
       Doch der Hinweis auf die zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewordene
       Beschlussvorlage des Kanzleramts offenbarte die Brisanz des Vorgangs.
       Danach soll der Mindestabstand von anderthalb Metern weiter eingehalten
       werden müssen. „Diese Maßnahme wird ergänzt durch eine Maskenpflicht in
       bestimmten öffentlichen Bereichen“, heißt es weiter. Und: „Angesichts der
       niedrigen Infektionszahlen soll der Aufenthalt im öffentlichen Raum jedoch
       ab dem 6. Juni nur noch dort durch verbindliche Anordnung beschränkt
       werden, wo die regionale Dynamik im Infektionsgeschehen dies erfordert.“
       
       ## Corona-Machtwort von ungewohnter Klarheit
       
       Merkels Sprecher stellte klar: „Die Kanzlerin ist dafür, dass es zu den
       zentralen Verhaltensregeln auch weiterhin verbindliche Anordnungen geben
       soll – und nicht bloß Gebote. Also Allgemeinverfügungen, in denen das
       Einhalten des Mindestabstands, der Kontakteinschränkungen, der
       Hygieneregeln durchsetzbar geregelt ist.“ Ein Corona-Machtwort von
       ungewohnter Klarheit. „Sowohl mutig als auch wachsam sein“ – das sei die
       Richtschnur des Handelns, unterstreicht der Regierungssprecher.
       
       Schon vor knapp dreieinhalb Wochen hatte sich die Kanzlerin bei Themen wie
       Gastronomie und Fußball den MinisterpräsidentInnen geschlagen geben müssen.
       Seinerzeit konnte sie dies noch als Entscheidung zugunsten des Föderalismus
       und als Vertrauensbeweis in verantwortliches Handeln der Länder verkaufen.
       Wenn allerdings, wie jetzt geschehen, Ministerpräsidenten knapp vor dem
       Treffen mit der Regierungschefin einseitig anders lautende Entscheidungen
       in Aussicht stellen, ist der Dissens nicht länger zu kaschieren. Am
       Mittwoch dieser Woche werden sich nun die Kanzlerin und die
       Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder unterhalten.
       
       Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprang am Nachmittag der
       Kanzlerin zur Seite und erinnerte die Ministerpräsidenten an ihre
       Verantwortung. „Es darf in keinem Fall der Eindruck entstehen, die Pandemie
       wäre schon vorbei.“ Derzeit gebe es bundesweit große Unterschiede im
       Infektionsgeschehen. „Wo es zu regionalen Ausbrüchen kommt, sehen wir eine
       schnelle Virusverbreitung.
       
       Die Bundesländer sind verantwortlich, dort sofort einzugreifen.“
       Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mahnte in der
       Rheinischen Post: „Die niedrigen Infektionszahlen und das insgesamt
       günstige Infektionsgeschehen sind Ergebnis unseres bisherigen erfolgreichen
       Kurses und dürfen nicht gefährdet werden.“ Und die rheinland-pfälzische
       Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) rief Bund und Länder zur Beibehaltung
       gemeinsamer Coronaregeln auf.
       
       25 May 2020
       
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