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       # taz.de -- Radwege in Tempelhof: Kreuzberg ist nicht überall
       
       > Die radfreundliche Umgestaltung des Tempelhofer Damms zieht sich in die
       > Länge. AktivistInnen fordern Pop-up-Bikelanes.
       
   IMG Bild: Ein Bauarbeiter bringt auf dem neu angelegten Fahrradweg der Karl-Marx-Straße ein Piktogramm an
       
       Berlin taz | Im Streit über sichere Radinfrastruktur auf dem Tempelhofer
       Damm wird es persönlich. Das Netzwerk Fahrradfreundliches
       Tempelhof-Schöneberg unter dem Dach des Vereins Changing Cities greift die
       für Verkehr zuständige Stadträtin Christiane Heiß (Grüne) scharf an: Sie
       blockiere die Verkehrswende im Bezirk, ihr Handeln sei „unambitioniert und
       mutlos“, sie „verspiele ihre politische Zukunft“, wenn sie jetzt nicht
       schnell für temporäre Lösungen sorge. „Wozu haben wir die Grünen eigentlich
       gewählt?“ heißt es in einer Pressemitteilung.
       
       Der Tempelhofer Damm ist eine der wichtigsten Ausfallstraßen nach Süden.
       Auf dem nördlichen Kilometer zwischen Platz der Luftbrücke und Stadtring
       herrscht praktisch Dauerstau – immerhin ist der lange Zeit katastrophale
       Radweg entlang des Tempelhofer Feldes seit dem Herbst saniert. Hinter der
       Autobahn lässt die Verkehrsdichte etwas nach, allerdings gibt es auf großen
       Abschnitten keine Radinfrastruktur. Trotz Tempo 30, das zur Reduzierung von
       NO2 eingeführt wurde, ist es hier für unsichere RadfahrerInnen sehr
       gefährlich.
       
       Seit die BVV im September 2017 einen EinwohnerInnenantrag zum Umbau des
       „T-Damms“ beschlossen hat, kritisiert das Netzwerk Fahrradfreundliches
       Tempelhof-Schöneberg die – aus seiner Sicht – schlechte Umsetzung. Zum
       einen geht es dabei um die „Vermengung“ zweier Planungen: Bis 2025 muss die
       Straße als Verkehrsversuch umgestaltet werden, dann steht eine
       Grundsanierung der Rohrleitungen an, und anschließend wird noch einmal
       alles neu gemacht. Das Bezirksamt habe beide Phasen nicht strikt
       auseinandergehalten und den Prozess dadurch unnötig kompliziert gemacht,
       lautet die Kritik.
       
       Außerdem habe man den Planungsbüros viel zu viel Zeit gelassen: Die im Juli
       2019 – ein Jahr nach Beauftragung – vorgelegte Machbarkeitsstudie hätte man
       schon nach drei Monaten haben können. Meint jedenfalls das Netzwerk.
       Weitere Monate seien durch Abstimmungs-Gezerre zwischen Bezirksamt und der
       Senatsverkehrsverwaltung verloren gegangen, nun erschwert auch noch Corona
       den Prozess. „Obwohl [Stadträtin] Heiß eine Realisierung für den Sommer
       2020 versprochen hatte, ist eine Umsetzung momentan in weiter Ferne“, so
       die AktivistInnen.
       
       ## Übergangslösungen wie an Baustellen
       
       Sie fordern vom Bezirksamt, auf dem Tempelhofer Damm schnell temporäre
       „Pop-up-Bikelanes“ anzulegen, wie es [1][nach Friedrichshain-Kreuzberg] nun
       auch [2][Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf getan haben]. „Die bereits
       vorhandene Planung sollte für die sofortige Markierung temporärer
       Fahrradstreifen verwendet werden“, fordert Jens Steckel vom Netzwerk.
       „Teilweise können Übergangslösungen, wie an Baustellen üblich, genutzt
       werden. Es wird jetzt höchste Zeit, daß das Bezirksamt etwas für den
       Radverkehr auf die Straße bringt.“
       
       Christiane Heiß wehrt sich entschieden gegen diese zum Teil sehr
       persönlichen Vorwürfe: „Da geht einiges durcheinander“, sagt sie gegenüber
       der taz, „die Planung ist noch gar nicht abgeschlossen – wir haben sie der
       zuständigen oberen Verkehrsbehörde vorgelegt, jetzt gibt es von dort noch
       Nachfragen oder Änderungswünsche bei Details.“
       
       Dass man im Moment rund vier Monate hinter dem Zeitplan sei, „liegt nicht
       am Bezirk, sondern an der Senatsverwaltung“. Dort habe es unter anderem
       coronabedingte Ausfälle gegeben. „Leichte Verzögerungen sind in einer
       Pandemiesituation auch wirklich nicht erstaunlich“, so die Stadträtin, „die
       Leistungsfähigkeit des öffentlichen Diensts ist davon stark beeinträchtigt.
       Pläne für Verkehrsprojekte im Homeoffice ansehen oder gar bearbeiten, das
       geht meist rein technisch gar nicht.“
       
       Ihr eigenes Personal sei aktuell nur zu einem Fünftel arbeitsfähig. „Weil
       es die technischen Voraussetzungen nicht gibt, aber auch weil ein Teil an
       das Gesundheitsamt ausgeliehen ist. Vor diesem Hintergrund zu behaupten,
       wir agierten unambitioniert, ist bestenfalls naiv.“
       
       ## Bezirksämter unterschiedlich leistungsfähig
       
       Den oft bemühten [3][Vergleich mit dem Nachbarbezirk] findet sie unfair:
       „Man kann immer Kreuzberg als Maß der Dinge heranziehen, das ist aus
       Verbandssicht ist auch völlig in Ordnung. Aber Friedrichshain-Kreuzberg hat
       alle Radplaner-Stellen besetzt und verfügt auch sonst über deutlich mehr
       Personal als wir.“ Die Bezirksämter seien de facto einfach unterschiedlich
       leistungsfähig.
       
       Für Pop-up-Bikelanes sei der Tempelhofer Damm vom Bezirk nie vorgeschlagen
       worden, das wüssten die AktivistInnen. Mit ihnen habe sich das Bezirksamt
       im Beratungsgremium „FahrRat“ auch darauf geeinigt, dass auf dem
       Tempelhofer Damm keine punktuellen Maßnahmen vorgezogen würden, „sondern
       dass wir das Projekt im Ganzen umsetzen – auch wenn das etwas länger
       dauert.“
       
       Sie rechne weiterhin damit, dass der Bezirk „im Juni oder Juli“ grünes
       Licht von der Senatsverwaltung in Sachen Planung und Finanzierung bekomme,
       dann könnten die Bauleistungen ausgeschrieben werden. Noch im laufenden
       Jahr erwarte sie den Start der begleitenden Parkraumbewirtschaftung und
       „erste Markierungsarbeiten“.
       
       Grundsätzlich findet Heiß die Kritik am Bezirksamt und an ihrer Person
       „enttäuschend, weil relevante Mitglieder der Radverbände es eigentlich
       besser wissen. Wir pflegen zum Tempelhofer Damm kontinuierlich den
       Austausch mit einer Leitliniengruppe.“
       
       13 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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