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       # taz.de -- Die taz und Fake News: Die Aids-Verschwörung
       
       > Schuld an der Verbreitung von Fake-News. Wie die taz 1987 durch einen
       > Köder von östlichen Geheimdiensten instrumentalisiert wurde.
       
   IMG Bild: Den Spruch gibt's auch in anders und sinnvoll
       
       Die Ausgabe der taz vom 18. Februar 1987 machte Furore – am Tag selbst,
       doch auch noch viele Jahre später: „AIDS – Man-Made in USA“ war die
       Doppelseite betitelt, ein Gespräch zwischen dem bekennenden DDR-Bürger und
       dissidenten Schriftsteller Stefan Heym und dem Biologen Jakob Segal zum
       Ursprung der Aids-Epidemie. Beziehungsweise zum Auslöser des das
       menschliche Immunsystem damals noch meist tödlich infizierenden Virus.
       
       Das Gespräch zwischen beiden machte Furore: Segal behauptete, das Virus sei
       nicht in Afrika von einem Tier auf einen Menschen übertragen worden,
       sondern in einem militärischen Labor im US-amerikanischen Fort Detrick
       gezüchtet worden und durch welche Umstände auch immer in die Welt gelangt.
       
       Die These klang zunächst möglich, ja, naheliegend, vor allem gewann sie an
       Plausibilität durch das weit verbreitete Unbehagen in alternativen und
       linken Kreise an den USA schlechthin – eingebettet in die politische Logik
       des Kalten Kriegs, derzufolge beide Großmächte sich nicht scheuen würden,
       mit biologischen Waffen nicht nur zu experimentierten, sondern sie auch
       einzusetzen. Dass Segals Thesen sich im klinischen Test nie bewähren
       mussten, dass er seine Behauptungen nur aus dem Studium wissenschaftlich
       Literatur gewonnen hatte, störte die Gläubigen nicht.
       
       In der Tat waren Segals Sätze in wissenschaftlicher Hinsicht längst
       widerlegt. So wie beim Coronavirus heute stand damals in Sachen Aids nicht
       viel fest: Man wusste über die verheerenden Wirkungen des Virus kaum etwas,
       aber immerhin soviel, dass ein US-Militärlabor nicht dessen finstere
       Geburtsstätte sein konnte.
       
       Die taz biss als erste beim Stasi-Köder an 
       
       Wichtiger war jedoch, was erst durch Recherchen nach dem Fall des Eisernen
       Vorhangs herauskam: Die taz war als entscheidendes bundesdeutsche Medium
       einer Desinformationskampagne aufgesessen. Von Anbeginn an hatten sich
       Geheimdienste in der Sowjetunion für die später Aids genannte
       Immunschwächekrankheit interessiert. 1985 gelang es, DDR-Stellen – und
       damit auch den früheren Humboldt-Universitätsbiologen Jakob Segal und seine
       Frau Lilli für diesen Hoax zu instrumentalisieren.
       
       Segal und seine Frau, seit jeher Anhänger der kommunistischen Idee der
       UdSSR, ausgerüstet mit den Pässen des Mutterlandes des Sozialismus, ließen
       sich von DDR-Geheimdiensten wenigstens zeitweise pampern, um ihr Wirken zu
       popularisieren. Die taz bekam das Stefan-Heym-Skript mit dem Interview
       nicht als erstes Printmedium angeboten, aber diese Zeitung biss beim
       Stasiköder an – später allerdings half sie als erstes Medium bei der
       Aufklärung dieser Desinformation.
       
       Sie trug, ein schweres wenngleich wahres Wort, Schuld an der Verbreitung
       von politisch interessierten Fake News: Douglas Selvage und Christopher
       Nehring schreiben in ihrer Studie „Die Aids-Verschwörung“, dass die
       prominente Verbreitung der Segal-Thesen vielen Menschen das Leben gekostet
       hat – weil der DDR-Biologe die auch damals üblichen beschränkten
       Therapiemöglichkeiten ablehnte und die Einnahme erhöhter Dosen von Aspirin
       zur Abwehr der Virusgefahr empfahl.
       
       24 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
   DIR Wolfgang Gast
       
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