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       # taz.de -- Coronafall im Rohingya-Flüchtlingscamp: „Wir müssen testen, testen, testen“
       
       > Im weltgrößten Flüchtlingslager bei Cox's Bazar in Bangladesch gibt es
       > die erste Sars-CoV-2-Infektion. Auch ein Einheimischer ist infiziert.
       
   IMG Bild: Hilfsorganisationen warnten schon im April vor einer Epidemie im Flüchtlingslager Kutupalong
       
       BERLIN taz | Seit Wochen haben Hilfsorganisationen vor diesem Fall gewarnt,
       jetzt ist er eingetreten: Im weltgrößten Flüchtlingslager Kutupalong im
       Südosten von Bangladesch ist der erste Rohingya-Flüchtling positiv auf das
       Coronavirus getestet worden. Auch bei einem Einheimischen des dortigen
       Distrikts Cox's Bazar wurde eine Virusinfektion nachgewiesen. Das gaben die
       Behörden in Bangladesch am Donnerstagabend bekannt.
       
       In dem überfüllten Lager leben laut Rotem Kreuz 855.000 Flüchtlinge der
       muslimischen Volksgruppe der Rohingya aus dem benachbarten Myanmar in
       insgesamt 34 Siedlungen. Dazu kommen rund 440.000 Einheimische in
       angrenzenden Vierteln.
       
       Die beiden Infizierten seien zunächst isoliert worden. 1.900 andere
       Personen sollen laut der britischen [1][BBC] jetzt ebenfalls getestet und
       isoliert werden.
       
       Die Abstandsregeln einzuhalten, mit denen eine Verbreitung des Coronavirus
       normalerweise verhindert werden soll, ist in dem überfüllten Lager kaum
       möglich. Dort leben zwischen 40.000 und 70.000 Menschen auf einem
       Quadratkilometer. Bis zu 12 Personen teilen sich eine Hütte, die meist aus
       Folien zusammengezimmert wurde und keine zehn Quadratmeter groß ist.
       
       ## Betroffener Distrikt schon seit April abgeriegelt
       
       Die lokalen Behörden hatten [2][Anfang April den gesamten Distrikt
       abgeriegelt] und 80 Prozent der Hilfskräfte aus dem Lager abgezogen. Nur
       eine medizinische Notversorgung und Nahrungsmittelverteilung wurden
       aufrechterhalten.
       
       Hilfsorganisationen bemühten sich in Kooperation mit Flüchtlingsvertretern,
       mittels Aufklärung und Präventionsmaßnahmen wie der Einrichtung von
       Möglichkeiten zum Händewaschen zu verhindern, dass Menschen im Lager
       infiziert werden. Doch Bangladeschs Regierung ließ dort das Internet
       sperren, das für viele Flüchtlinge den Hauptzugang zu Informationen bildet.
       
       „Wir müsse jetzt alles tun, um zu verhindern, dass positive Coronafälle
       außer Kontrolle geraten. Es ist deshalb wichtig, dass Regierung und
       Hilfsorganisationen zusammenarbeiten, um die Möglichkeiten zu Virentests zu
       erhöhen. Denn es gibt zurzeit keine Testmöglichkeit im Lager, die
       nächstgelegene ist 30 Kilometer entfernt“, [3][erklärte Shah Dedar von der
       Organisation HelpAge]. „Doch wir müssen testen, testen und testen!“
       
       Die meisten Rohingya flohen im September und Oktober 2017 vor einer
       Offensive des birmesischen Militärs über die Grenze nach Bangladesch. In
       Myanmar wird den Rohingya, die dort nur als Bengali bezeichnet werden
       dürfen, in der Regel die Staatsbürgerschaft verweigert. Sie wurden damals
       systematisch vertrieben.
       
       Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya gelten im mehrheitlich
       buddhistischen Myanmar offiziell als illegale Einwanderer. Erst im Januar
       [4][verurteilte der Internationale Gerichtshof in Den Haag Myanmars Umgang
       mit den Rohingya].
       
       Im muslimischen Bangladesch mit 162 Millionen Einwohnern haben sich bisher
       knapp 19.000 Menschen mit dem Virus infiziert. Rund 300 sind daran
       gestorben. [5][Die Regierung möchte die Flüchtlinge aus dem Nachbarland
       gern wieder loswerden] oder zumindest [6][auf einer Insel ansiedeln], die
       nach Meinung von Beobachtern aber unbewohnbar ist. Ohne
       Sicherheitsgarantien dürften die meisten Flüchtlinge nicht zurückkehren.
       
       15 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bbc.com/news/world-asia-52669299
   DIR [2] https://www.bbc.com/news/world-asia-52227924
   DIR [3] https://reliefweb.int/report/bangladesh/positive-covid-19-cases-discovered-rohingya-camps-bangladesh-now-vital
   DIR [4] /Voelkermordverfahren-gegen-Myanmar/!5653676
   DIR [5] /Flucht-von-Myanmar-nach-Bangladesch/!5491879
   DIR [6] /Fluechtlinge-in-Bangladesch/!5637710
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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