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       # taz.de -- ESC und Aserbaidschan: Hetero, Homo, Bi...
       
       > Die Gruppe Efendi besingt in ihrem diesjährigen Beitrag „Cleopatra“ die
       > LGBTQ-Community. In der Südkaukasusrepublik ist das heikel.
       
   IMG Bild: Die Ankündigung vom letzten Jahr war etwas zu optimistisch
       
       Berlin taz | Eine Prise Orient, buddhistische Gesänge, Lokalkolorit in
       Gestalt des traditionellen Saiteninstruments Tar – eine Langhalslaute. Und
       alles alles vor den felsigen Kulissen des Qobustan-Nationalparks rund 60
       Kilometer entfernt von der Hauptstadt Baku.
       
       Das sind die Zutaten für den diesjährigen ESC-Beitrag „Cleopatra“ aus
       Aserbaidschan. Der Umstand, dass auch dieser Wettbewerb in seiner
       herkömmlichen Form dem Corona-Virus zum Opfer gefallen ist, hat auch sein
       Gutes: Immerhin muss die Südkaukasusrepublik nicht schon wieder ihren
       Konflikt mit dem verfeindeten Nachbarn Armenien (beide bekriegen sich seit
       Beginn der 90er Jahre wegen der Enklave Berg-Karabach) auch noch mit
       musikalischen Mittel austragen. Da war 2012 so. Da sagte [1][Armenien]
       seine Teilnahme an dem lustigen Sangeswettwerb in Baku aus politischen
       Gründen ab.
       
       Doch politisch ist es auch jetzt wieder – allerdings aus anderen Gründen.
       Der Song der Gruppe Efendi nimmt Motive aus den Roman „Ali und Nino“ auf –
       einen Klassiker der Weltliteratur, den im Kaukasus jede/r kennt.
       
       1918 und damit ein Jahr nach der Russischen Revolution: Der
       aserbaidschanische Muslim Ali verliebt sich nach der Russischen Revolution
       in die georgische Prinzessin Nino, die christlichen Glauben ist. Im Kern
       geht es dabei um das ewige Hin- und Hergerissensein zwischen den beiden
       Polen Europa und Orient – eine Suche, die bis heute nicht abgeschlossen
       ist.
       
       ## Fünfter Anlauf
       
       Zumindest Efendi hat mit „Cleopatra“ seinen Platz gefunden. Wie sonst wäre
       das Songtext zu verstehen: „Cleopatra war eine Königin, wie ich. So wie
       ich. Hetero oder Homo oder etwas dazwischen.“
       
       Über ihr Lied, das Efendi im fünften Anlauf endlich den Sieg im nationalen
       Vorentscheid einbrachte, sagte Efendi unlängst in einem Interview auf der
       Webseite des ESC: „Es geht um Freiheit, das Zelebrieren aller Kulturen und
       sexuellen Orientierungen. Der Song soll Menschen inspirieren so zu sein,
       wie sie sind und darauf stolz zu sein – so wie Cleopatra.“
       
       Dieses klare Statement für die LGBTQ-Community ist für Aserbaidschan alles
       andere selbstverständlich. Im jüngsten Europa-Ranking von ILGA-Europe –
       eine Organisation, die sich für die Rechte LGBTQ einsetzt, nimmt
       Aserbaidschan von 49 Staaten den letzten Platz ein.
       
       Bizarrerweise ist eine kontroverse Diskussion über diesen Beitrag in
       Aserbaidschan bislang ausgeblieben. Schließlich gibt es andere Probleme –
       wie die Corona-Pandemie. Und Aserbaidschans Staatspräsident Ilham Alijew
       hat derzeit anderes zu tun, da er gerade wieder einmal J[2][agd auf
       Oppositionelle] machen muss. Villeicht wird der Song doch noch Thema. Doch
       solange gilt, was ein Nutzer schreibt: „In den kommenden Jahren könnte
       Cleopatra in europäischen Clubs ein Hit werden.“
       
       16 May 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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