URI: 
       # taz.de -- Lockerung der Corona-Einschränkungen: Ihr Kinderlein kommet
       
       > Aber bitte nicht alle auf einmal! ErzieherInnen freuen sich und haben
       > gleichzeitig Bedenken, dass ab Montag wieder mehr Kinder in die Kitas
       > dürfen.
       
   IMG Bild: Abstand halten utopisch: hier in einer Kita in Düsseldorf
       
       Berlin taz | Pamela Blendermann ist besorgt. Seit 2003 arbeitet sie als
       Erzieherin im oldenburgischen Naturkindergarten. Hier werden normalerweise
       43 Kinder betreut. Derzeit sind nur zwei Kinder in
       [1][Corona-Notbetreuung]. Doch das ändert sich ab Montag. Dann öffnen
       bundesweit und auch in Niedersachsen die Kindergärten schrittweise wieder.
       
       „Die Kinder stelle ich mir da gerne als kleine Billardkugeln vor, die zwar
       viel über Bande gespielt werden, aber doch immer wieder mit uns und
       untereinander zusammenstoßen“, sagt Blendermann. Entsprechend hoch sei das
       Infektionsrisiko für die Kinder, aber auch für die ErzieherInnen.
       
       Bund und Länder hatten im Mai vereinbart, dass die Kitas ab dieser Woche
       eine erweiterte Notbetreuung anbieten, auch um mehr Eltern im Homeoffice
       stundenweise zu entlasten. Nach zwei Monaten Zwangsferien [2][spitzt sich
       die Situation zudem in einigen Familien zu]: So haben sich die Anrufe beim
       Kindernottelefon in den letzten Monaten vervielfacht.
       
       In welchen Schritten sie die Kitas öffnen, legen die Länder selbst fest,
       doch gemeinsames Ziel ist am Ende die Rückkehr zum Normalbetrieb. Am
       weitesten geht Sachsen, wo bereits ab Montag alle Kinder wieder in ihren
       Kitas betreut werden. Niedersachsen plant die Betreuungsquote ab Montag auf
       40 Prozent anzuheben.
       
       Situation der Fachkräfte kaum beachtet 
       
       Auch wenn sich die Erzieherin Blendermann über das Wiedersehen mit jedem
       Kind freue, in ihrem Kopf laufe permanent ein Corona-Hintergrundprogramm
       über das erhöhte Risiko, sagt sie. Ihre Kollegin Anja Kandanoleon die die
       Krippenkinder betreut, fühlt sich außen vor gelassen: „Alle reden über die
       Not der Familien in dieser Zeit.“ Dies habe absolut seine Berechtigung.
       „Aber kaum ein Politiker hat in dieser Diskussion die Situation der
       Fachkräfte erwähnt.“
       
       Abstandhalten, Maskenpflicht, wie es die Hygienvorschriften eigentlich
       vorsehen, das sei beim Umgang mit den ganz Kleinen utopisch, so
       Kandanoleon. „Wir spielen, trösten, putzen Nasen und wickeln, dem Virus
       kann man so nicht ausweichen.“ Die Sorgen der beiden Erzieherinnen scheinen
       berechtigt. Im Hygienekonzept des Landes Niedersachsen räumt die Regierung
       ein, dass das Distanzgebot in der Arbeit mit Kindern im Alter bis zur
       Einschulung nicht umgesetzt werden könne.
       
       Auch in anderen Bundesländern gibt es Kritik. Das Pestalozzi-Fröbel-Haus,
       ein freier Träger mit 620 Beschäftigten hat einen besorgten Brief an die
       Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres, SPD, geschrieben. „Zwischen den
       formulierten Reglungen und den aktuellen Kapazitäten vor dem Hintergrund
       der Corona-Vorschriften besteht eine große, derzeit nicht zu schließende
       Lücke.“ Man wolle so rasch wie möglich zum Regelbetrieb zurückkehren, sehe
       sich aber auch in der Verantwortung die Mitarbeiter zu schützen.
       
       Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW, fordert mehr Zeit für die
       Träger der Betreuungseinrichtungen, um sich vorzubereiten.
       „Infektionsschutz und Personalplanung sind nicht in wenigen Tagen aus dem
       Ärmel zu schütteln“, so GEW-Vertreter Björn Köhler bei tagesschau.de. Zudem
       sei in etwa 25 Prozent der Kitas das Personal 50 Jahre und älter – und
       damit Teil der Risikogruppe. Wenn das Personal und die Räume fehlten, werde
       es schwierig, die Kinder in kleinen Gruppen und auf Abstand zu betreuen.
       
       Der Virologe Alexander Kekulé hatte im Deutschlandfunk zuerst eine
       regionale Öffnung in einzelnen Landkreisen empfohlen. Nach einigen Wochen
       seien die Folgen besser abzuschätzen.
       
       18 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lockerung-der-Corona-Einschraenkungen/!5677151
   DIR [2] /Sexuelle-Gewalt-gegen-Kinder/!5676871
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bennet Groen
       
       ## TAGS
       
   DIR Kita
   DIR systemrelevant
   DIR Erzieherinnen und Erzieher
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Kinderbetreuung
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Kolumne Immer bereit
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Gesundheitsschutz für Erzieher:innen: Ein Attest reicht nicht
       
       Niedersachsens Kommunaler Arbeitgeberverband will, dass Erzieher:innen zum
       Betriebsarzt gehen, wenn sie sich vom Dienst befreien lassen wollen.
       
   DIR Kitas im Corona-Lockdown: Kinder ohne Lobby
       
       Neben der Angst vor dem Virus herrscht nun der Wunsch nach einer neuen
       Normalität. Dabei brandmarkt man leicht die Schwächsten als Gefahr.
       
   DIR Kinderbetreuung während Corona: Unterstützung für Eltern verlängert
       
       Eltern, die Kinder zu Hause betreuen müssen, sollen nun bis zu 20 Wochen
       Lohnersatzzahlungen erhalten. Das will das Kabinett heute beschließen.
       
   DIR Kinderbetreuung in Coronazeiten: Eltern sollen mehr Geld bekommen
       
       Auch CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer befürwortet nun längere Lohnfortzahlungen
       für Eltern. Dafür hatten sich zuvor SPD-PolitikerInnen stark gemacht.
       
   DIR Mütter und Familien in der Corona-Krise: Nicht systemrelevant
       
       Wir haben uns auf eine Infrastruktur verlassen, die die Vereinbarkeit von
       Beruf und Familie ermöglicht. Die wird derzeit mit Füßen getreten.
       
   DIR Neue Studie an der Uniklinik Eppendorf: Trotzen Kinder dem Virus?
       
       Das UKE untersucht an Kindern in der Klinik die Häufigkeit und Schwere von
       Corona-Infektionen. Die Leiterin der Studie befürwortet Tests in Kitas.
       
   DIR Kritik an Kita-Öffnung in Berlin: Kitas zunehmend ratlos
       
       Kita-Träger kritisieren den Stufenplan der Jugendverwaltung für die
       Wiederöffnung der Kitas. Die Vorgaben seien nicht zu schaffen.