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       # taz.de -- Neue rot-grüne Koalition in Hamburg: Senatsbank – und auch Anklagebank?
       
       > Die Grünen präsentieren zwei neue Gesichter im Hamburger Senat. Pikant:
       > Gegen die neue Justizsenatorin Anna Gallina ermittelt die
       > Staatsanwaltschaft.
       
   IMG Bild: Einer zuviel: Steffen muss gehen, Fegebank, Gallina und Tjarks (v. l. n. r.) gehören dem Senat an
       
       Hamburg| taz Es gibt nur zwei neue Gesichter im neuen Hamburger Senat. Mit
       Anjes Tjarks (Verkehr) und Anna Gallina (Justiz) ziehen der bisherige grüne
       Fraktionschef und die grüne Landesvorsitzende in das rot-grüne Kabinett
       ein, in dem die Grünen vier statt bislang drei SenatorInnen stellen.
       Weichen musste neben der amtsmüden Gesundheitssenatorin Cornelia
       Prüfer-Storcks (SPD) auch Justizsenator Till Steffen (Grüne), der nun bei
       der Bundestagswahl für die Grünen kandidieren will.
       
       Anjes Tjarks, der sich immer mehr zum Gesicht der Hamburger Grünen neben
       Katharina Fegebank entwickelt, soll die Mobilitätswende, das wohl
       wichtigste politische Projekt der Partei, vorantreiben. Da die SPD sich
       weigerte, Tjarks auch die Zuständigkeit für die Wirtschaft zu überlassen,
       wurden Wirtschafts- und Verkehrsbehörde voneinander getrennt. Damit bleiben
       auch der Hafen und der Airport Fuhlsbüttel außerhalb des grünen
       Direktzugriffs.
       
       Umstrittener und überraschender als die Benennung von Tjarks ist die
       Inthronisierung von Anna Gallina als Justizsenatorin. Die 36-Jährige, die
       sich bislang vor allem als Sozialpolitikerin profilierte, galt aufgrund der
       Frauenquote der Grünen zwar als gesetzt für das neue Senatsteam, wurde aber
       eher als mögliche Gesundheits- oder Stadtentwicklungssenatorin gehandelt.
       
       Im Gegensatz zu ihren VorgängerInnen ist sie keine ausgebildete Juristin,
       was bislang stets als unverzichtbare Voraussetzung galt, um für diesen
       Posten infrage zu kommen. Nicht nur innerhalb der SPD, sondern auch
       innerhalb Gallinas eigener Partei gibt es hinter vorgehaltener Hand massive
       Zweifel an ihrer Eignung für das Amt.
       
       ## Strafverfahren nach Islamismus-Vorwürfen
       
       Denn Anna Gallina verfügt über ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Sie ist
       die erste Hamburger Justizsenatorin, die gleichzeitig [1][Beschuldigte in
       einem Strafverfahren] ist. Pikant: Die ihr in Zukunft direkt unterstellte
       Staatsanwaltschaft ermittelt seit über einem halben Jahr wegen
       verschiedener Straftatbestände gegen die Politologin.
       
       Nachdem [2][Gallina 2019 als Landesvorsitzende der Grünen
       Islamismus-Vorwürfe] gegen zwei grüne Bezirksabgeordnete geäußert hatte,
       die die Grünen zwar teilweise intern, nie aber öffentlich zurückgenommen
       haben, stellten die beiden betroffenen Politiker im vergangenen November
       Strafanzeige gegen Gallina.
       
       Die Vorwürfe gegen Gallina lauten üble Nachrede und Verleumdung. Während
       offensichtlich unbegründete Strafermittlungen in der Regel nach wenigen
       Wochen eingestellt werden, bestätigte die Sprecherin der
       Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, der taz noch am gestrigen Dienstag, dass
       die Ermittlungen gegen Gallina nach wie vor laufen. Frombach mochte nicht
       ausschließen, dass am Ende der langwierigen Ermittlungen eine
       Anklageerhebung gegen die dann amtierende Justizsenatorin steht.
       
       Neben dem juristischen Nachspiel werfen ihr auch viele Grüne hinter
       vorgehaltener Hand „ein miserables Krisenmanagment“ in der Islamismus-Posse
       vor, die dazu führte, dass die Grünen-Fraktion im Bezirk Mitte zerbrach,
       sechs Abgeordnete von den Grünen zur SPD wechselten und sich die grünen
       Wahlsieger am Ende in der Opposition wiederfanden.
       
       Die Ex-Grüne Mereyem Celikkol, eine der „ÜberläuferInnen“ und heute
       SPD-Bezirksabgeordnete, wird deutlich: „Es ist unverantwortlich, eine
       Person, die im internen Krisenmanagement so versagt hat, an die Spitze der
       Justizbehörde zu setzen.“
       
       Bei den Grünen aber wurde die Personalie Gallina intern zwar heiß
       diskutiert, öffentlich aber unter den Teppich gekehrt. Beim
       Nominierungsparteitag der Grünen, bei dem Gallina mit mäßigem Ergebnis auf
       Platz drei der Landesliste gewählt wurde, traute sich kein einziges
       Parteimitglied, der Kandidatin Fragen zur grünen Islamismus-Affäre zu
       stellen.
       
       Während mit der Wissenschaftssenatorin und Zweiten Bürgermeisterin
       Katharina Fegebank sowie Gallina nun zwei der vier grünen SenatorInnen
       Frauen sind, verzichtete die SPD darauf, die Quotierung auch nur annähernd
       einzuhalten. Unter den – inklusive Bürgermeister Peter Tschentscher – acht
       SPD-Senatsmitgliedern befinden sich mit Melanie Leonhard (Soziales) und
       Dorothee Stapelfeld (Stadtentwicklung) nur zwei Frauen.
       
       Weil Tschentscher keine Personalwechsel in der SPD-Riege wollte, kamen die
       hoch gehandelte [3][Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und
       Kulturstaatsrätin Jana Schiedek] zum Ärger der SPD-Frauenorganisationen
       nicht zum Zuge.
       
       2 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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