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       # taz.de -- Rot-grüner Koalitionsvertrag in Hamburg: Geschenke unter Vorbehalt
       
       > Nach sechs Wochen Verhandlungen haben sich SPD und Grüne in Hamburg auf
       > die Grundlagen ihrer Koalition geeinigt. Im Fokus: Klima- und
       > Verkehrswende.
       
   IMG Bild: Peter Tschentscher, erster Bürgermeister, im Mittelpunkt bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags
       
       Hamburg taz | Der Koalitionsvertrag ist ausformuliert, das Personaltableau
       steht. Nach sechs Wochen zähen Verhandlungen einigten sich SPD und Grüne im
       Stadtstaat Hamburg auf die Grundlagen ihrer Koalition. Hamburg bleibt damit
       bundesweit das einzige Bundesland, in dem es eine stabile rot-grüne
       Mehrheit gibt, die auch regiert.
       
       Im Fokus des 204-seitigen Vertrags steht eine Klima- und Verkehrswende der
       Stadt, die vor allem zwei grüne Politiker vorantreiben sollen: der
       alte-neue Umweltsenator Jens Kerstan und der frisch gekürte Verkehrssenator
       Anjes Tjarks. „Die bisherigen Leitlinien werden fortgeführt und durch neue
       Impulse ergänzt“, sagt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), man könne
       auf den Ergebnissen zurückliegender Zusammenarbeit aufbauen.
       
       Im Herbst hatten zuerst die Grünen ein Konzept für eine autoarme Innenstadt
       vorgelegt, die SPD hatte kurz vor der Wahl im Februar fast wortgleich
       nachgezogen. Auch der Ausbau des Radwegesystems soll weiter forciert
       werden. Der lief allerdings schon in der vergangenen Legislatur stockender,
       als von Rot und Grün vereinbart. Zudem hatte der vorige Senat einen
       Klimaplan samt Klimaschutzgesetz verabschiedet, der nun umgesetzt werden
       soll. Ziel ist ein klimaneutrales Hamburg „deutlich vor 2050“.
       
       Hamburgs Umweltverbände hatten vor allem das Klimaschutzgesetz im Kern
       durchaus gelobt, auch wenn sie sich die Ziele noch ambitionierter und vor
       allem die geplanten Maßnahmen noch detaillierter gewünscht hätten. Nun
       heißt es für die neue Koalition auf gut Hamburgisch: Butter bei die Fische
       geben.
       
       ## Weiterhin kein Polizeibeauftragter
       
       In den Koalitionsgesprächen hatte die SPD aber auch deutlich gemacht, dass
       sie auch in Zukunft die Leitlinien der Politik bestimmen und die
       klassischen Kernressorts führen will. Die Bereiche Inneres, Finanzen und
       Wirtschaft werden so weiterhin von SPD-Männern geleitet. Die SPD setzte
       dabei durch, dass trotz Verkehrs- und Klimawende eine neue Verbindung
       zwischen den wichtigsten, an Hamburg vorbeiführenden Autobahnen A1 und A7
       gebaut wird und auch der Flugverkehr nicht zurückgefahren wird. Hier
       konnten die Grünen lediglich verhindern, dass der Flughafen erweitert und
       durch „Entkreuzung der Start- und Landebahnen“ mehr Flugverkehr möglich
       wird.
       
       Auch im Bereich der inneren Sicherheit konnten die Grünen sich kaum
       durchsetzen. Der von ihnen geforderte Polizeibeauftragte, bei dem sich
       [1][Opfer von Polizeiübergriffen] melden können, wird ebenso eine Utopie
       bleiben wie die Legalisierung des Cannabis-Konsums. Allerdings soll gerade
       bei Jugendlichen in Zukunft stärker das Prinzip „schnelle Hilfe statt
       Strafe“ gelten.
       
       Daneben setzt Hamburg als wachsende Stadt weiter auf forcierten
       Wohnungsbau, will erreichen, dass vor allem noch mehr Sozialwohnungen in
       den beliebtesten Wohnstadtteilen gebaut werden. Der Bereich Bildung und
       Wissenschaft, von der Kita bis zur Uni, soll mehr Geld bekommen, um die
       wachsende Zahl an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit
       Bildungsangeboten zu versorgen und mehr Chancengleichheit sicherzustellen.
       
       An diesem Punkt zeigt sich aber ein ungelöstes Problem der Vereinbarung.
       Fast allen Ressorts wurden teure Geschenke versprochen, die aufgrund der
       [2][coronabedingt] massiv wegbrechenden Steuereinnahmen aber sämtlich unter
       einen „Haushaltsvorbehalt“ gestellt wurden. Mögliche Verteilungskonflikte
       zwischen SPD und Grünen wurden so auf die im Herbst beginnenden
       Haushaltsverhandlungen vertagt.
       
       2 Jun 2020
       
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