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       # taz.de -- Unterstützung für US-Proteste: Selbstbezogene Solidarität
       
       > Konzerne und weiße Stars solidarisieren sich mit den antirassistischen
       > Protesten in den USA – meist aus Eigennutz. Es ist Zeit für Taten statt
       > Worte.
       
   IMG Bild: Nette Geste, mehr aber nicht: Ein weißer Polizist kniet sich in New York vor Protestlern hin
       
       Im Zuge der Proteste gegen den [1][Polizeimord an George Floyd] gehen nicht
       nur Zehntausende in den USA auf die Straße – auch die sozialen Netzwerke
       brummen: Twitter, Facebook, Instagram fließen über vor
       Solidaritätsbekundungen, sie kommen von Privatleuten, aber auch von Stars
       und von Konzernen. Weiße Promis lassen sich von ihren Fans für diese
       Solidarität feiern.
       
       Klar, es ist schön zu sehen, dass endlich mal Zeichen gegen den
       Alltagsrassismus gesetzt werden. Dass sich Bürgermeister und Gouverneure
       solidarisch äußern, Polizist_innen hinknien, Nike und Adidas solidarisch
       twittern.
       
       Wobei spätestens hier Fragen aufkommen sollten: Wenn sich genau die Leute
       äußern, die jahrelang den Mund nicht aufbekommen haben, wenn es um
       Alltagsrassismus ging. Wenn die Polizisten sich medienträchtig hinknien, um
       danach trotzdem Pfefferspray gegen Demonstrierende zu sprühen. Wenn
       Modekonzerne aufspringen, deren Verbundenheit zur Schwarzen Community Teil
       des Geschäftsmodells ist, weil sie ihre Kultur kopieren und damit Kasse
       machen. Wie kann ihre Solidarität dann noch ernst genommen und beklatscht
       werden?
       
       Es stehen gewiss nicht nur eigennützige oder gar niederträchtige
       Beweggründe dahinter. Der Tod von George Floyd ist so offensichtlich ein
       Verbrechen, dass sich jeder halbwegs normal denkende Mensch mit den
       Protestierenden solidarisieren müsste. Sich dafür feiern zu lassen, ist
       wohlfeil und feige. Es ist Vermarktung und Selbstüberhöhung, wenn es nicht
       mehr um die Schwarzen Menschen geht, sondern um die Weißen. Ach wie
       solidarisch sie doch sind, denn sie stehen ein für Menschenrechte. Es
       kostet nichts, bringt aber PR und das Gefühl, auf der guten Seite zu sein.
       
       ## Worte, die keinen Mut erfordern
       
       „Action speaks louder than words“ ist ein beliebter Slogan im
       US-amerikanischen Aktivismus, und hier stimmt der Spruch: Solidarität per
       Wort erfordert keinen Mut und kein Risiko. Sie droht folgenlos zu bleiben,
       wenn es bei der bloßen Bekundung bleibt und danach doch alles so weitergeht
       wie vorher. Zum Beispiel, wenn L’Oreal sich [2][per Twitter solidarisch
       erklärt], aber in der Folge trotzdem ein weißes Schönheitsbild verbreitet.
       
       Gerade jetzt wäre es für Weiße an der Zeit, sich mal aus der ersten Reihe
       zurückzuziehen. Wenn es darum geht, wie Weiße Schwarze Menschen besser
       unterstützen können, ist meist der erste Wunsch: Hör mir zu, anstatt selbst
       die Welt erklären zu wollen. Halt dich mal zurück, anstatt immer vorneweg
       zu gehen. Noch mehr Tipps, wie Weiße im Kampf gegen Rassismus bessere
       Verbündete sein können, stehen zuhauf im Netz, sucht mal nach „white ally“.
       
       Im Grunde geht es darum, sich seiner weißen Privilegien bewusst zu werden
       und diese möglichst konstruktiv einzusetzen. Es ist ein Dilemma dieses
       Textes, denn diese Zeilen wurden von einem Weißen geschrieben, und der Text
       dreht sich um Reaktionen von Weißen. Aber genau das ist der Punkt: Weiße
       müssen sich auch mal an die eigene Nase fassen und reflektieren: Was geht
       da eigentlich gerade ab?
       
       ## Zuhören, weiterbilden, handeln
       
       Die nun stattfindenden Proteste offenbaren aber ein Problem, das über die
       USA hinausgeht: Rassismus ist auch in Europa, auch hier in Deutschland im
       Alltag präsent. Solidarische Tweets freuen zwar die Verbündeten in den USA,
       aber viel wichtiger wäre es, sich der Alltäglichkeit von Rassismus bewusst
       zu werden und hier zu handeln.
       
       Wie? Zuhören, sich weiterbilden, nicht alles besser wissen (wollen). Mal
       [3][die Website der Initiative Schwarze Menschen] in Deutschland besuchen,
       ihren Accounts in den [4][sozialen Netzwerken folgen]. Und Geld spenden,
       denn die Initiative ist gerade dabei, mit dem Slogan „Empower Activism!“
       ihre Strukturen auszubauen, um sich noch stärker in die Diskussionen in
       Deutschland einmischen zu können. Und am wichtigsten ist: Im konkreten Fall
       Schwarze Menschen zu unterstützen – und das nicht nur mit Worten.
       
       2 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Polizeigewalt-in-den-USA/!5689218
   DIR [2] https://twitter.com/LOrealParisUSA/status/1267449907880824832?s=20
   DIR [3] http://www.isdonline.de
   DIR [4] https://twitter.com/ISDBund
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Göbel
       
       ## TAGS
       
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