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       # taz.de -- Sternfahrt am Sonntag in Berlin: Demo wird zur Aufstellung
       
       > Weil die Radtour über die Autobahnen und Zufahrtsstraßen ausfällt,
       > positionieren sich Fahrradfahrer*innen an einzelnen Punkten entlang der
       > Routen.
       
   IMG Bild: So schön war's in Juni 2019: ADFC-Fahrradsternfahrt unter dem Motto „Mehr Platz fürs Rad“
       
       Berlin taz | Eigentlich hätten am Sonntag die Straßen Berlins wieder den
       Fahrradfahrer*innen statt den Autos gehören sollen. Seit 1977 ruft der
       Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) [1][Anfang Juni zur Sternfahrt] auf
       – zu jenem alljährlichen Ausnahmezustand, bei dem sich riesige Pulks an
       Rädern zu Zehntausenden durch Berlins größte Straßen schieben. Dieses Jahr
       jedoch werden keine Straßen für Autos gesperrt. Zum ersten Mal in 44 Jahren
       soll wegen Corona die Sternfahrt keine Fahrt, sondern ein Stern werden.
       
       Unter dem Motto „Straßen für alle – Mehr Platz Fürs Rad!“ können sich
       Teilnehmer*innen am Sonntag von 14 bis 15 Uhr mittels der App „Critical
       Maps“ einen von vielen Standorten aussuchen, die coronasicher jeweils 100
       Meter auseinander liegen.
       
       Statt einer Fahrrad-Demo auf vielen Straßen, die letztes Jahr über die
       A100, die A115 und 17 weiteren Routen, teils sogar aus Leipzig kommend, an
       der Siegessäule endete soll dieses Jahr ein „Fahrradstern“ entstehen.
       Gebildet aus Radfahrer*innen soll der Stern digital sichtbar werden. Die
       Standorte ziehen sich von der Siegessäule über 15 Routen durch die Stadt.
       355 Menschen hatten sich am Donnerstagvormittag bereits zur Aktion
       angemeldet.3
       
       Das sind weit nicht so viele wie sonst: 2019 radelten laut ADFC Berlin
       90.000 Radfahrer*innen mit, solche Großveranstaltungen gehen in
       Pandemiezeiten nicht. „Wir wollen das Ansteckungsrisiko so gering wie
       möglich halten“, sagt Lisa Feitsch Berliner Sprecherin des ADFC Berlin,
       „Eine Sternfahrt mit mehreren tausend Teilnehmer*innen hat immer auch
       Engstellen, an denen es erfahrungsgemäß schwierig ist, Abstand zu halten.“
       
       ## „Schon lange überfällig“
       
       Wie schwer es für Berliner*innen ist, auch im Alltag Abstand zu halten,
       wenn sie zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, zeige die Coronakrise mehr
       als deutlich. „Der Pkw bekommt immer noch den meisten Platz“, sagt Feitsch.
       Einige Bezirke hätten das erkannt und gemeinsam mit dem Senat [2][temporäre
       „Pop-up-Radwege“] eingerichtet. Vergangene Woche hatte die Senatsverwaltung
       für Verkehr entschieden, dass die temporären Radstreifen bis Ende des
       Jahres bleiben dürfen.
       
       „Die Pop-up-Radwege sind sinnvoll und waren an vielen Stellen wie etwa dem
       Kottbusser Damm in Kreuzberg schon lange überfällig“, sagt Feitsch. Davon
       brauche es aber noch viel mehr in ganz Berlin, „damit man wirklich sicher
       mit dem Fahrrad unterwegs sein kann“. Die Maßnahmen dürften nicht an der
       Bezirksgrenze enden, die Umsetzung nicht den Bezirken überlassen werden.
       „Hier erwarten wir, dass sich der Senat durchsetzt“, sagt Feitsch.
       
       Andere Städte sind da schon deutlich weiter: In Bogotá werden seit Jahren
       sonntags zentrale Straßen für Autos gesperrt und zu Fahrradstraßen erklärt.
       Von Mailand bis Madrid werden derzeit Radwege eingerichtet, damit sich
       Menschen in sicherem Abstand bewegen können.
       
       Mit der Aktion am Sonntag soll es auch um [3][sichere Radwege] gehen. „Wir
       müssen schon wieder ein Geisterrad aufstellen. Das achte in diesem Jahr“
       twitterte der ADFC Berlin am Donnerstagmorgen mit Verweis auf eine
       Mahnwache am Nachmittag.
       
       Mit dem Tweet reagieren sie auf den Tod einer 62-jährigen Radfahrerin, die
       am Mittwoch durch einen schweren Verkehrsunfall verstarb. Sie wurde von
       einem Lkw-Fahrer auf der Petersburger Straße in Friedrichshain-Kreuzberg
       erfasst. Kommen Fahrradfahrer*innen in Berlin ums Leben, stellt der ADFC
       Berlin regelmäßig ein weißes Geisterrad auf.
       
       Am Sonntag soll trotz Abstand ein Gefühl des gemeinsamen Protests
       aufkommen: „Durch die Nutzung der App wird man digital als Gemeinschaft
       sichtbar“, sagt Feitsch. Wie viele Menschen zusammen protestieren, solle
       dadurch hoffentlich spürbar werden.
       
       5 Jun 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sophie Schmalz
       
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