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       # taz.de -- Konjunkturpaket mit Wassserstoffstrategie: 7 Milliarden und gebremste Euphorie
       
       > Vom Konjunkturpaket bekommt auch die Forschung zu Wasserstoffenergie
       > etwas ab. Das Wirtschaftsministerium bleibt aber zurückhaltend.
       
   IMG Bild: Im Verkehr sieht die Prognosstudie wenig Potenzial für Wasserstoff – außer für Loks und Lkw
       
       Berlin taz | Kurz vor Verkündung der „Wasserstoffstrategie“ der Regierung
       warnt das Bundeswirtschaftsministerium vor übergroßen Erwartungen an die
       neue Energieform. Wasserstoff sei zwar nötig zur [1][Erreichung der
       Klimaziele], aber auch langfristig teurer als fossile Brennstoffe und in
       großem Maßstab bisher nicht erprobt. Um Wasserstoff mit erneuerbaren
       Energien herzustellen, sei die Kapazität deutschen Ökostroms begrenzt; ein
       [2][Einsatz von Wasserstoff] sei zuerst bei Zügen, Lastkraftwagen, in der
       Stahlerzeugung und Raffinerien sinnvoll.
       
       Das sind die wichtigsten Aussagen eines Gutachtens, das das Ministerium am
       Freitag veröffentlicht. Die Untersuchung liegt der taz vor.
       
       [3][Die umfangreiche Studie] „Kosten und Transformationspfade für
       strombasierte Energieträger“ hat das Haus von Minister Peter Altmaier (CDU)
       bei der Schweizer Unternehmensberatung prognos erstellen lassen. Die
       Autoren rechnen mehrere Szenarien durch, wie und wo Wasserstoff produziert
       oder nach Deutschland transportiert werden kann. Wasserstoff (H2) gilt als
       saubere Energiequelle der Zukunft, wenn er durch Elektrolyse mit Ökostrom
       erzeugt wird, er soll Öl und Gas im Verkehr und der Industrie ersetzen.
       
       In der Studie heißt es allerdings, die Herstellung von Wasserstoff oder
       daraus gewonnenen gasförmigen und flüssigen Brennstoffen, sogenannte Power
       to Gas (PtG) oder Power to Liquid (PtL), etwa Methan und Kraftstoffe,
       bleibe auch dann bis 2050 kostspieliger, wenn die Fossilen deutlich teurer
       würden.
       
       ## Gefördert wird nur „grüner“ Wasserstoff
       
       Außerdem seien die Kapazitäten knapp. Der bisherige Ausbaupfad der
       erneuerbaren Energien lasse „bis 2030 nur eine inländische Erzeugung von
       maximal rund 16 TwH (Terrawattstunden) grünem Wasserstoff zu, sofern
       ausschließlich erneuerbarer Strom genutzt werden soll“. Wenn Deutschland
       sein Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, schaffen will, werden bis dahin
       nach unterschiedlichen Studien zwischen 110 und 1.200 TwH von Energie aus
       Wasserstoff benötigt.
       
       Mit der Studie [4][positioniert sich das Wirtschaftsministerium im
       regierungsinternen Ringen um die Zukunft der Energieversorgung]. Die
       eigentlich für Ende 2019 geplante „Wasserstoffstrategie“ wurde wegen
       Differenzen immer wieder verzögert. Das SPD-geführte Umwelt- und das
       CDU-Forschungsministerium haben erreicht, dass öffentliche Gelder nur für
       sogenannten grünen Wasserstoff fließen sollen, der aus erneuerbaren und
       nicht aus fossilen Quellen gewonnen wird. Vor allem Forschungsministerin
       Anja Karliczek (CDU) schwärmt vom Wasserstoff als Zukunftstechnik und
       möchte Deutschland zum globalen Marktführer dabei machen.
       
       ## Wirtschaftsministerium bremst
       
       Karliczek plädiert dafür, in Deutschland bis 2030 Elektrolyse-Anlagen für
       die Produktion von Wasserstoff mit einer Leistung von 10 Gigawatt zu
       errichten. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag setzt auf eine solche
       Größenordnung – die aber bedeuten würde, die jetzige Planung für Wind- und
       PV-Anlagen (65 Prozent der Stromerzeugung bis 2030 aus Öko-Anlagen)
       deutlich zu erhöhen.
       
       Da ist das Wirtschaftsministerium seit langem skeptisch – und hat sich nun
       offenbar durchgesetzt. Im Konjunkturpaket der Regierung ist geplant, bis
       2030 nur 5 GW zu bauen und „nach Möglichkeit“ bis 2035 noch einmal 5 GW,
       spätestens aber 2040 die 10 GW zu erreichen. Dafür und für Forschung und
       Subventionen plant die Regierung Ausgaben von 7 Milliarden Euro, die
       Strategie solle „kurzfristig“ vorgelegt werden.
       
       „Es ist wichtig, dass Deutschland langfristig alle fossilen Energieträger
       durch klimafreundliche erneuerbare Energien ersetzen kann“, sagt
       Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Da Wasserstoff hierfür eine
       Schlüsselfunktion hat, müssen wir jetzt die Weichen stellen, dass
       Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird.
       Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck an der Finalisierung der
       Wasserstoffstrategie mit ambitionierten, aber erreichbaren Zielen.“
       
       Wenn nicht genug Wasserstoff in Deutschland produziert wird, müsste er
       importiert werden, heißt es im prognos-Gutachten. Aber das sei nicht so
       einfach: Bislang gibt es kaum in großem Maßstab ökologisch erzeugten
       Wasserstoff für den Transport, in Nordafrika könnte eine solche, auch mit
       europäischen Mitten aufgebaute, Produktion Probleme mit dem Trinkwasser
       nach sich ziehen.
       
       ## Es geht vor allem um Loks, Lkw und Stahl
       
       Eine Absage formuliert das Papier an die Hoffnungen, mit Wasserstoff auch
       die Gebäude und den Autoverkehr grün zu machen. Da gebe es günstigere
       Mittel wie Wärmepumpen und Elektromobilität, heißt es. Lohnen würde sich
       der Einsatz von Wasserstoff-Technik dagegen etwa bei Lokomotiven, die
       bislang mit Diesel fahren, beim Lkw-Transport, beim Ersatz von Gas in
       Raffinierien und in der Stahlerzeugung. Sobald allerdings Industrien im
       weltweiten Wettbewerb stehen, wie beim Stahl, müssten die Mehrkosten
       ausgeglichen werden.
       
       Ohnehin seien die Kosten hoch, schreiben die prognos-Experten. Für etwa 3
       Milliarden Euro Mehrkosten könne man mit der gesamten deutschen
       H2-Produktion im Jahr 2030 etwa 8 Prozent des deutschen Stahls
       klimafreundlich produzieren und damit etwa 5 Millionen Tonnen CO2
       einsparen. Für etwa das gleiche Geld könne man den gesamten innerdeutschen
       Flugverkehr mit CO2-freiem Kerosin fliegen lassen – aber nur halb so viel
       CO2 einsparen.
       
       4 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /CO2-Ausstoss-2019-stark-gesunken/!5654471
   DIR [2] /Wasserstoffantrieb-in-der-Forschung/!5607467
   DIR [3] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Studien/transformationspfade-fuer-strombasierte-energietraeger.pdf?__blob=publicationFile
   DIR [4] /Zoegern-der-Bundesregierung/!5684998
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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