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       # taz.de -- Feuersalamander durch Pilz bedroht: Weitere Ausbreitung befürchtet
       
       > Die Salamanderpest befällt verschiedene Amphibienarten in Europa. In
       > Deutschland sind besonders die Eifel und das Ruhrgebiet betroffen.
       
   IMG Bild: Noch besteht Hoffnung für den Feuersalamander
       
       Tübingen taz | Die Globalisierung von Krankheitserregern betrifft nicht
       nur den Menschen, sondern auch viele andere Arten. So sind die europäischen
       Flusskrebse durch die Verbreitung der aus Nordamerika eingeschleppten
       Krebspest in den meisten heimischen Gewässern bereits ausgestorben. [1][Und
       seit den 1970er Jahren sterben vor allem tropische Frösche, Kröten und
       andere Lurche durch einen aus Asien stammenden Chytridpilz.] Nun ist mit
       Batrachochytrium salamandrivorans (kurz Bsal) ein eng verwandter Pilz nach
       Europa gelangt, der insbesondere die auffällig schwarz-gelb gemusterten
       Feuersalamander bedroht.
       
       Der Pilz, dessen wissenschaftlicher Name soviel wie „Salamanderfresser“
       bedeutet, ernährt sich von Proteinen in der Amphibienhaut. Die Haut der
       Lurche dient neben der Aufnahme von Sauerstoff dem Austausch von
       Nährstoffen und zur Flüssigkeitsregulation. Ohne eine intakte Haut können
       Amphibien nicht lange überleben.
       
       Die ersten Opfer der Salamanderpest wurden 2004 in Rott in der Eifel
       gefunden, ohne dass man damals von der Existenz des Pilzes wusste. Weil ein
       ortsansässiger Naturschützer zwei der toten Tiere in Formalin aufbewahrte,
       konnte vor Kurzem die Salamanderpest als Todesursache dieser Tiere
       bestätigt werden. Bis dahin galten die Feuersalamander im niederländischen
       Bunderbos-Wald als erste Opfer der Salamanderpest.
       
       Der Wald liegt im südlichsten Zipfel der Niederlande (Süd-Limburg) nördlich
       von Maastricht. Es ist ein dichter, feuchter Laubwald mit vielen kleinen
       Bächen und Quellen, in denen die Salamanderlarven heranwachsen können. Ab
       2008 verzeichnete man einen unerklärlichen Rückgang der Bestandszahlen und
       es wurden immer mehr kranke und tote Salamander gefunden, bis wenige Jahre
       später fast alle Bunderbos-Salamander gestorben waren.
       
       Man rätselte über die Ursache des Massensterbens, bis 2013 die neue
       Pilzerkrankung Bsal [2][von der Tiermedizinerin An Martel und Kollegen der
       belgischen Universität Gent entdeckt und als neue Art beschrieben] wurde.
       Bis dahin war die Krankheit auch nach Belgien und an weitere Orte in
       Deutschland gelangt. Besonders betroffen sind die Eifel und das Ruhrgebiet,
       wo seit 2016/17 mehrere Massensterben auftraten.
       
       ## Wissenslücken bei der Verbreitung
       
       Die Gefahr, dass der Pilz auch in andere Regionen verschleppt wird, ist
       groß. Jedes Jahr kommen neue Fundorte hinzu. 2019 etwa in der Nähe von
       Kleve in Nordrhein-Westfalen. Auch die Süd-Eifel ist inzwischen betroffen.
       Die Verbreitung ist lückenhaft, was aber auch schlicht an dem Fehlen
       flächendeckender Feldforschung liegen könnte, wie Norman Wagner, Biogeograf
       und Amphibienexperte an der Universität Trier, vermutet.
       
       Wie der Bsal-Pilz nach Europa kam, lässt sich nicht mehr eindeutig klären,
       aber alles deutet auf eine Einschleppung durch den internationalen
       Wildtierhandel hin. Die Forschungsgruppe um An Martel konnte 2014
       nachweisen, dass asiatische Feuerbauchmolche als Reservoir für den Pilz
       dienen. Diese Tiere wurden neben etlichen anderen exotischen Lurchen
       jahrzehntelang in Baumärkten und Zoohandlungen verkauft. [3][Joana
       Sabino-Pinto von der TU Braunschweig stellte zudem fest, dass
       Terrarientiere oft Bsal-Träger sind, ohne Symptome zu zeigen.] Schon das
       Ausbringen von Material oder Wasser aus einem Terrarium in die Natur könnte
       eine Ansteckung von wilden Salamandern oder Molchen verursacht haben, sagt
       Amphibienforscher Wagner.
       
       In europäischen Wildbeständen ist der Pilz bislang weitgehend auf die
       Niederlande, Belgien und den Westen Deutschlands beschränkt. In Deutschland
       sind Feuersalamander am stärksten betroffen, aber man weiß inzwischen, dass
       sich auch alle heimischen Molche (Berg-, Kamm-, Faden- und Teichmolch)
       infizieren und so zur Verbreitung der Salamanderpest beitragen können.
       Insbesondere Berg- und Kammmolche erkranken und sterben teilweise auch an
       der Infektion. Im Gegensatz zu den Feuersalamandern überstehen aber viele
       Molche die Krankheit, indem sie den Pilz z. B. über die Häutung loswerden.
       [4][Frösche, Kröten und Unken zeigten bislang keine Symptome, können sich
       aber auch infizieren und damit den Pilz verbreiten.]
       
       Der Pilz gedeiht bei Temperaturen von 10 bis 15 Grad Celsius am besten und
       stirbt bei über 25 Grad Celsius ab, sodass man Terrarientiere durch eine
       Wärmebehandlung (oftmals unterstützt durch Fungizide) relativ einfach
       heilen kann. Den wildlebenden Salamandern, die es gern kühl und feucht
       mögen, hilft das aber wenig. Selbst wenn man sie einfangen und heilen
       würde, wäre die Salamanderpest in ihrem Lebensraum nicht verschwunden und
       sie würden sich aufs Neue infizieren.
       
       Die Forschung steht noch am Anfang, doch das derzeit einzige größere
       Forschungsprojekt (finanziert vom Bundesamt für Naturschutz) läuft Ende des
       Jahres aus. Norman Wagner hofft, dass es irgendwie doch noch zu einer
       Fortsetzung kommt, damit auch zukünftig zumindest für die Untersuchung von
       Verdachtsfällen genügend finanzielle Mittel vorhanden sind. Eigentlich sei
       ein bundesweites Monitoringprogramm dringend geboten, denn die Gefahr einer
       Weiterverbreitung in andere Landesteile sei sehr real, gibt Wagner zu
       bedenken.
       
       Es zeigt sich, dass selbst bei einer so übersichtlichen Tiergruppe wie den
       heimischen Amphibien, mit nur rund 20 Arten, unser Wissen doch sehr
       begrenzt ist. Salamander werden erst mit fünf bis sechs Jahren
       geschlechtsreif und niemand weiß so richtig, wo sie sich zwischen dem
       Verlassen ihrer Larvengewässer und der Geschlechtsreife herumtreiben.
       Feuersalamander können über 20, in Gefangenschaft sogar bis zu 50 Jahre alt
       werden.
       
       Viele Salamander und Molchpopulationen sind durch den [5][Verlust von
       Lebensraum, Gewässerverschmutzung und Pestizide] ohnehin stark belastet.
       [6][Sollte die Salamanderpest in den Mittelmeerraum oder nach Nordamerika
       gelangen], wo die Artenvielfalt von Salamandern und Molchen viel größer ist
       als in Mitteleuropa, wäre das eine ökologische Katastrophe.
       
       Es gibt aber auch Hoffnung für die Salamander, denn [7][in vielen
       infizierten Populationen blieb bislang ein Massensterben aus,] und selbst
       dort, wo die Tiere massenhaft starben, ist es nie zum vollständigen
       Erlöschen der Population gekommen. Immer gab es ein paar letzte
       Überlebende. Ob diese Tiere aus umliegenden Gebieten zugewandert sind oder
       aus anderen Gründen überlebten, können nur weitere Forschungsprojekte
       klären.
       
       7 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Das-rasante-Verschwinden-der-Amphibien/!5113456
   DIR [2] https://www.pnas.org/content/110/38/15325
   DIR [3] https://www.nature.com/articles/s41598-018-30240-z
   DIR [4] https://www.nature.com/articles/nature22059
   DIR [5] /Klimawandel-und-Biodiversitaet/!5626458
   DIR [6] https://news.mongabay.com/2018/12/super-spreaders-how-the-curious-life-of-a-newt-could-ignite-a-pandemic/
   DIR [7] https://www.researchgate.net/publication/336922856_Aktuelle_Erkenntnisse_zum_Status_der_Salamanderpest_in_Deutschland
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gunther Willinger
       
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