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       # taz.de -- US-Kurs auf WHO-Tagung: Gewinn vor Gesundheit
       
       > Die US-Regierung hat Vorbehalte gegen eine Resolution zur schnellen
       > Versorgung aller mit Corona-Impfstoff. Stattdessen droht Trump mit
       > Austritt.
       
   IMG Bild: Der frühere Pharma-Manager Moncef Slaoui ist Trumps Experte für den Impfstoff
       
       Berlin taz | Wenn es einen Corona-Impfstoff gibt, dann soll er schnell auf
       der ganzen Welt verfügbar sein. Das war eines der Ziele einer bei der
       [1][virtuellen Tagung] der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 114 der
       194 Mitgliedstaaten eingebrachten Resolution. Um das zu erreichen, soll der
       Patentschutz ausgesetzt und so die rasche Produktion von Generika
       ermöglicht werden.
       
       Genau das aber lehnt die US-Regierung ab. Um die Gewinninteressen des
       weltgrößten US-Pharmakonzerns Pfizer zu schützen, sollte dieser als Erster
       einen Impfstoff entwickeln, meldete die Trump-Regierung Vorbehalte gegen
       die Resolution an, die per Akklamation verabschiedet wurde.
       
       Die Resolution fordert außerdem eine „unparteiische, unabhängige und
       umfassende Evaluierung“ der weltweiten Reaktion auf die Coronapandemie.
       Auch die Reaktion der WHO selbst und deren zeitlicher Ablauf sollen
       untersucht werden. Das hatte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus
       am Montag versprochen – mit der Resolution ist daraus ein verbindlicher
       Auftrag an die WHO-Spitze geworden.
       
       Auf diesen Teil der Untersuchung [2][dringt insbesondere die
       Trump-Administration] seit Wochen lautstark und verbunden mit heftigen
       Vorwürfen an die Adresse der WHO und Chinas.
       
       ## Trump droht mit Finanzboykott
       
       Zu den jüngsten Drohungen der US-Regierung gegenüber der WHO erklärte das
       chinesische Außenministerium am Dienstagmorgen, es gehe US-Präsident Donald
       Trump „lediglich darum, China zu verunglimpfen und sich vor den
       Verpflichtungen seines Landes gegenüber der WHO zu drücken“.
       
       Montagnacht hatte Trump [3][auf Twitter Bilder eines Briefs] an den
       WHO-Generaldirektor gezeigt, in dem er nicht näher spezifizierte
       „substanzielle Verbesserungen“ in der Arbeit der Organisation fordert. Die
       WHO solle ihre „Unabhängigkeit von China“ unter Beweis stellen, schrieb
       Trump. Sollte die WHO die geforderten Änderungen nicht innerhalb der
       nächsten 30 Tage vornehmen, werde seine Regierung ihre Beitragszahlungen
       dauerhaft einstellen, drohte der US-Präsident. Außerdem werde seine
       Regierung in diesem Fall ihre Mitgliedschaft in der
       Weltgesundheitsorganisation „überdenken“.
       
       In diesem Jahr haben die USA nach Informationen der taz erst 58 Millionen
       US-Dollar an die WHO überwiesen, die Hälfte ihrer eigentlich bis spätestens
       31. Januar fälligen Pflichtbeiträge für 2020. Freiwillige Beiträge aus
       Washington blieben ganz aus – 2019 waren es noch 338 Millionen Dollar.
       
       Bei einem dauerhaften Finanzboykott der USA und wegen der im für 2020
       geplanten Gesamthaushalt von 2,92 Milliarden Dollar noch nicht vorgesehenen
       Mehrausgaben aufgrund der Coronapandemie rechnet die WHO bis zum Jahresende
       mit einem Defizit von mindestens 1,7 Milliarden Dollar.
       
       ## Südkorea fordert mehr Befugnisse der WHO
       
       Anders als Trump äußerte sich der südkoreanische Präsident Moon Jae In sehr
       konkret zu notwendigen Reformen. Er forderte, die WHO müsse mehr Befugnisse
       bekommen. „Wir müssen die internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO
       und andere relevante Normen aktualisieren und sie mit verbindlicher
       Rechtskraft ergänzen.“
       
       Diese Forderung berührt das zentrale Dilemma der WHO auch schon bei
       früheren Epidemien, das im aktuellen Konflikt über die Informationspolitik
       der chinesischen Regierung nur besonders deutlich geworden ist. Nach einer
       2005 von der Generalversammlung verabschiedeten Richtlinie sollen die
       Mitgliedstaaten die Genfer WHO-Zentrale schnell und umfassend über jegliche
       Ausbrüche von Krankheiten informieren. Die WHO darf in Ländern ohne deren
       Erlaubnis aber keine eigenen Nachforschungen anstellen.
       
       Laut der Richtlinie von 2005 muss sich die WHO zwar nicht nur auf
       Informationen der Regierungen verlassen, sondern darf auch Informationen
       von Nichtregierungsorganisationen, unabhängigen Ärtz*innen und
       Wissenschaftler*innen entgegennehmen und bei ihren Entscheidungen
       berücksichtigen.
       
       Wie aber soll sich die WHO verhalten, wenn die Informationen einer
       Regierung und von regierungsunabhängigen Akteuren so widersprüchlich sind,
       wie das im Fall China zumindest in den ersten beiden Monaten der
       Coronakrise der Fall war? Oder wenn die unabhängigen Akteure wie in China
       von der Regierung zum Schweigen gebracht werden oder gar völlig
       verschwinden?
       
       Die Lösung wäre die Einrichtung ständiger Monitorstellen der WHO in allen
       194 Mitgliedsländern mit uneingeschränkten Befugnissen zur
       Informationsbeschaffung. Welche Länder dem allerdings zustimmen würden, ist
       fraglich.
       
       19 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /WHO-Konferenz-streitet-ueber-Corona/!5686921
   DIR [2] /Streit-um-Corona-Ursprung/!5677141
   DIR [3] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/1262577580718395393
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Zumach
       
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