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       # taz.de -- Verfahren gegen VW-Führung: Im Namen des Volkswagens
       
       > Das Verfahren im Dieselskandal gegen Herbert Diess und Hans Dieter Pötsch
       > soll eingestellt werden. Beide müssen je 4,5 Millionen Euro zahlen.
       
   IMG Bild: Gute Nachrichten für Herbert Diess (r.) und Hans Dieter Pötsch, hier im April 2018
       
       Braunschweig/Wolfsburg dpa Neun Millionen Euro für die Einstellung des
       Verfahrens: Mit dieser Summe soll nach Angaben von Volkswagen ein
       öffentlicher Prozess gegen Vorstandschef Herbert Diess und Chefaufseher
       Hans Dieter Pötsch im Verfahren um mögliche Marktmanipulation in der
       Dieselaffäre vermieden werden.
       
       Wie es aus dem Konzern hieß, habe man sich mit dem Landgericht Braunschweig
       auf diese Auflage geeinigt. Damit könnte eine der zentralen juristischen
       Untersuchungen rund um die Entstehung und das Bekanntwerden des
       Abgasskandals im Herbst 2015 vor dem Ende stehen. Mit den [1][Klagen von
       Dieselfahrer*innen] gegen den Konzern hat das Verfahren nichts zu tun. Der
       Bundesgerichtshof wird in dieser Causa am kommenden Montag [2][ein
       wegweisendes Urteil] im Fall der ersten Klage eines vom VW-Abgasskandal
       betroffenen Diesel-Käufers verkünden. Mit anderen Käufer*innen hat sich der
       Konzern bereits [3][auf einen Vergleich geeinigt].
       
       Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte Diess und Pötsch im September
       vergangenen Jahres nach langen Ermittlungen angeklagt. Ihr Vorwurf: Beide
       sollen Anleger zu spät über die drohenden finanziellen Folgen der
       Stickoxid-Manipulationen an Millionen Dieselfahrzeugen ins Bild gesetzt
       haben. Die rund um „Dieselgate“ aufgeflogenen Tricks hatten vor rund
       viereinhalb Jahren VW und schließlich die gesamte Autobranche in eine
       Vertrauenskrise gestürzt. Auch bei anderen Herstellern wurden
       Unregelmäßigkeiten beim Abgasausstoß kritisiert.
       
       Jeweils 4,5 Millionen Euro sollen im Fall von Diess und Pötsch nun gezahlt
       werden, so Volkswagen. Zuvor hatte das Manager-Magazin über die Einigung
       berichtet, die vom Landgericht und der Staatsanwaltschaft Braunschweig am
       Abend zunächst unkommentiert blieb. Über die Zulassung der Anklage hatten
       die Richter bisher auch nicht entschieden, es lief noch das sogenannte
       Zwischenverfahren.
       
       ## Auch Winterkorn fein raus
       
       „Der Aufsichtsrat der Volkswagen AG begrüßt die Einstellung des
       Verfahrens“, hieß es vonseiten des Unternehmens. Dessen Rechtsberater sähen
       sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die Vorwürfe gegen den
       Vorstandsvorsitzenden und den Chefkontrolleur nicht begründet seien. Die
       Kanzlei Gleiss Lutz, die VW beriet, sei zudem überzeugt, dass Diess und
       Pötsch auch zivilrechtlich „keine Pflichten gegenüber der Volkswagen AG
       verletzt“ hätten. Beide hätten dem Vorhaben, das Verfahren gegen eine
       Geldzahlung einzustellen, zugestimmt.
       
       Auch der frühere Chef Martin Winterkorn ist wegen Marktmanipulation
       angeklagt. Sein Verfahren könnte ebenfalls gegen Auflagen schon bald
       beendet werden, wie am Dienstag aus seinem Umfeld zu hören war. Vor allem
       die Staatsanwaltschaft habe dabei aber noch Bedenken, hieß es. Winterkorn
       ist in einem weiteren Verfahren zusätzlich wegen schweren Betrugs im
       Zusammenhang mit der Dieselaffäre angeklagt. Auch hier ist die Anklage noch
       nicht zugelassen, das Gericht hatte zuletzt Zweifel an der Stichhaltigkeit
       einiger Vorwürfe erkennen lassen.
       
       Winterkorns Anwalt Felix Dörr hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Sein
       Mandant habe „keine frühzeitige Kenntnis von dem gezielten Einsatz einer
       verbotenen Motorsteuerungssoftware in US-Diesel-Pkw“ gehabt. Wer zu welchem
       Zeitpunkt was genau über die Täuschungen wusste, ist in vielerlei Hinsicht
       bis heute unklar. Es laufen weitere Verfahren, auch in den USA und mehreren
       anderen Ländern gab es Untersuchungen.
       
       Die Braunschweiger Ermittler hatten geprüft, ob die VW-Führungskräfte
       früher als eingeräumt von konkreten Täuschungen bei Abgasdaten wussten. Sie
       beschuldigten die „genannten – ehemaligen oder amtierenden –
       Vorstandsmitglieder der Volkswagen AG, entgegen der ihnen obliegenden
       gesetzlichen Pflicht den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über die aus dem
       Aufdecken des sogenannten Dieselskandals resultierenden erheblichen
       Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert und damit
       rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen zu
       haben“.
       
       ## Diess kam erst 2015
       
       Investoren verlangen Entschädigung für den damaligen Einbruch des
       Aktienkurses: Sie argumentieren, dass die VW-Spitze die Finanzwelt früher
       über die Risiken der Dieselkrise hätte benachrichtigen müssen. Dazu läuft
       auch ein Kapitalmarkt-Musterverfahren in Braunschweig.
       
       Der heutige Vorstandschef Diess kam im Juli 2015 in den Konzern und war
       zunächst nur Chef der Volkswagen-Kernmarke. Die Anklageerhebung sei
       unverständlich, hatten seine Verteidiger erklärt: Weder Fakten- noch
       Rechtslage rechtfertigten den Vorwurf, Diess habe den Tatbestand einer
       strafbaren Marktmanipulation verwirklicht. Einige Beobachter hatten sich
       auch gefragt, wie der VW-Chef seinen Konzern im Fall vieler wiederkehrender
       Gerichtstermine hätten weiterführen sollen.
       
       Pötsch hingegen war VW-Finanzvorstand, als der damalige Konzernchef
       Winterkorn die Abgastricks einräumte. Sein Anwalt Norbert Scharf hatte
       gesagt, sein Mandant müsse sich nichts vorwerfen. Pötsch habe zwar schon im
       Sommer 2015 „mehrfach Berührung mit der US-Dieselproblematik“ gehabt. Aber:
       „Keine dieser Informationen hatte vor der Veröffentlichung der Notice of
       Violation (Bekanntmachung der Verstöße durch US-Behörden) am 18.09.2015
       Inhalt und Qualität, dass für ihn daraus eine kapitalmarktrechtliche
       Relevanz erkennbar war.“
       
       20 May 2020
       
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