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       # taz.de -- Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen: Schluss mit Subunternehmen
       
       > Die Bundesregierung will große Schlachtbetriebe zum Einsatz eigener
       > Arbeiter verpflichten. Es ist eine späte Reaktion auf alte Missstände.
       
   IMG Bild: Organisierte Verantwortungslosigkeit: Subunternehmen werden mit dem schlachten beauftragt
       
       Berlin taz | Tönnies, Westfleisch oder Vion müssen sich sich umstellen. Ab
       dem kommenden Jahr dürfen Fleischkonzerne, deren Kerngeschäft das
       Schlachten ist, keine Subunternehmen mehr mit den Arbeiten betrauen. Das
       hat das Bundeskabinett auf Betreiben von Sozialminister Hubertus Heil (SPD)
       nun beschlossen. „Besonders wichtig ist mir, dass wir die organisierte
       Verantwortungslosigkeit in Subunternehmerkonstruktionen beenden“, sagte der
       Minister anschließend.
       
       [1][Anlass sind die jüngsten Ausbrüche von Coronainfektionen bei
       ausländische Arbeitern in einigen Zerlegebetrieben]. Dabei gerieten die
       seit langem bekannten Defizite in den Wohnheimen und an den Arbeitsplätzen
       selbst wieder ans Licht. „Diese Missstände sind unwürdig und gefährlich“,
       betont Heil, der sein Vorhaben in einem Zehn-Punkte-Plan zusammengefasst
       hat.
       
       Demnach wird das Arbeitsschutzgesetz dahingehend novelliert, dass
       Risikobranchen künftig stärker kontrolliert werden. Der Minister will den
       dafür zuständigen Ländern eine verbindliche Kontrollquote vorgeben. Noch
       unklar ist, wie die Unterbringung der Werksarbeiter verbessert werden kann.
       Die Bundesregierung will prüfen, wie die Unternehmen zur Einhaltung von
       Mindeststandards in den Wohnheimen verpflichtet werden können. Die
       Unternehmen werden darüber hinaus dazu verpflichtet, die Behörden über die
       Wohn- oder Einsatzorte ausländischer Arbeiter zu informieren.
       
       Kernpunkt ist das Verbot von Werkvertragsgestaltungen. Ab dem 1. Januar
       2021 ist das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch nur noch
       Betriebsangehörigen, also eigenen Arbeitern erlaubt. Das gilt für große
       Betriebe, deren Kerngeschäft dies ist. Handwerkliche Schlachtbetriebe sind
       davon ausgenommen.
       
       ## Höhere Strafen für Verstöße
       
       Weitere Vorschriften ergänzen den Schutz der Arbeitnehmer. Unter dem Namen
       „Faire Mobilität“ will Heil sicherstellen, dass Unternehmen diese in ihrer
       Heimatsprache über die hier geltenden rechtlichen Vorschriften informieren.
       Auch sollen die Arbeitszeit digital erfasst und Verstöße gegen das
       Arbeitszeitgesetz mit künftig 30.000 Euro statt bisher mit 15.000 Euro
       bestraft werden. Schließlich werden ausländische Botschaften durch das
       Arbeits- und das Landwirtschaftsministerium zeitnah über
       Krankheitsausbrüche bei Arbeitern aus deren Ländern informiert.
       
       Das Paket will Heil schnell umsetzten. Dazu braucht er eine Mehrheit im
       Bundesrat. Die CDU unterstützt das Vorhaben. „Es gibt Zustände in der
       Fleischindustrie, die sind nicht haltbar“, räumt Landwirtschaftsministerin
       Julia Klöckner ein. Der Einsatz von Subunternehmen gehe zulasten der
       Arbeiter. Rückendeckung gibt es auch von den Grünen, die allerdings
       weitergehende Forderungen erheben. „Die brutale Preistreiberei zulasten von
       Tieren, Bauern, Umwelt und Arbeitnehmern muss beendet werden“, verlangt
       Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und erneuerte die Forderung nach einer
       Tierschutzabgabe. Diese könne artgerechte Haltung finanzieren.
       
       Die Missstände in den Zerlegebetrieben großer Konzerne sind seit Jahren
       bekannt. Getan wurde dagegen zu wenig, wie sich jetzt zeigt. Dominiert wird
       dieses Geschäft von wenigen Fleischkonzernen. An die Spitze steht das
       Unternehmen Tönnies, dessen Besitzer vielen auch als Präsident von Schalke
       04 bekannt ist. Auf dem zweiten Platz steht Westfleisch, dessen Name den
       meisten Menschen erst durch den heftigen Ausbruch von Corona-Infektionen in
       der vergangenen Woche geläufig geworden ist. Der Handlungsdruck steigt mit
       den Ausbrüchen auch, weil damit die Lockerung der Beschränkungen für die
       Bevölkerung in der Umgebung zurückgefahren werden muss.
       
       20 May 2020
       
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