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       # taz.de -- Treffen von Rechtsextremen: Völkische Siedler laden zum Tanz
       
       > Mitte Mai gab es im niedersächsischen Masendorf erneut ein Treffen
       > Rechtsextremer. Das Bewusstsein für die Problematik wächst in der Region.
       
   IMG Bild: So sehen Treffen des „Deutschen Jugendbundes Sturmvogel“ aus: Ein Sommerlager 2019 in Sachsen
       
       Hamburg taz | In dieser Gemeinde kennt jede jeden. Jede weiß im
       niedersächsischen Masendorf von den Einstellungen der anderen. Seit Jahren
       finden dort auf dem Hof von Familie S. Treffen von Rechten statt – mal ein
       Volkstanz, mal ein Jugendlager.
       
       An einem Wochenende Mitte Mai kam hier wieder eine Gruppe zusammen, um zu
       feiern. Olaf Meyer, Sprecher der Antifaschisten Aktion in Lüneburg, sagt,
       er sei am Samstagabend voriger Woche von Radlern informiert worden, die
       dort vorbeifuhren. Er selbst habe dann in Masendorf von der Straße aus
       Akkordeonmusik, Klatschen und lautes Gestampfe aus den Scheunen des
       Grundstücks gehört.
       
       „Viele Stimmen waren zu hören, das waren nicht nur ein paar“, ist sich
       Meyer sicher. An dem betreffenden Abend wollten die Zusammenkommenden aber
       offensichtlich unter sich bleiben. Gesehen habe Meyer nur ein paar
       Menschen. Und auch, ob Autos auf dem Hof standen, habe er nicht sehen
       können. Das geschlossene Hoftor, um das herum Kameras fest installiert
       sind, habe den Blick in den Innenhof versperrt.
       
       Über Stunden lief das laute Fest bei der Familie, deren weibliches
       Oberhaupt aus einer bekannten NPD-Familie kommt. In den eigenen Kreisen
       gilt die Frau als „Dreihundertprozentige“: Den eigenen Nachwuchs erzog sie
       im elitären rechten Geist. Die Familienmitglieder wirken beim [1][extrem
       rechten „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“] mit, den die Großmutter 1987
       als Abspaltung der verbotenen paramilitärischen „Wiking-Jugend“
       mitgründete.
       
       ## 60 bis 80 rechtsextreme Familien auf dem Land
       
       In der Region ist diese Familie [2][nicht die einzige mit einschlägigem
       Hintergrund]. Deshalb macht das Bündnis „Beherzt“ seit dem vergangenen Jahr
       im Landkreis Uelzen die „völkischen Siedler“ mit Nachdruck zum Thema. Denn
       diese Siedler bleiben nicht bloß unter sich und richten nationalistische
       Volkstanz und Brauchtumsfeste aus. Sie drängen auch in das Gemeinde-,
       Schul- und Vereinsleben.
       
       Unterstützt wird „Beherzt“ von der [3][Mobilen Beratung gegen
       Rechtsextremismus für Demokratie]. In Niedersachsen bewegten sich zwischen
       60 und 80 rechtsextreme Familien auf dem Land, sagt der
       Politikwissenschaftler Ruben Obenaus von der Mobilen Beratung. Deren Höfe
       spielten für diese Szene ein besondere Rolle, weil sie nicht nur privater
       Rückzugsraum seien, wo die eigene Gesinnung frei ausgelebt werde, sondern
       auch politische Treffpunkte, die der Vernetzung mit andere Rechtsextremen
       und deren Kindern dienten.
       
       In diesem Netz bestehen Kontakte von der NPD über die Identitäre Bewegung
       bis zur AfD. „Das Problem hat sich verschärft“, sagt Obenaus. Auch weil die
       Vernetzungen über das gesamte Bundesgebiet und bis nach Österreich reichen
       und eine geschlossene Gemeinschaft begründen. Man kennt und schätzt sich,
       geht zu Sonnenwendfeiern und Aufmärschen, heiratet „artgerecht“
       untereinander und erzieht „volksbewusst“.
       
       Im vergangenen Jahr warnte bereits der niedersächsische Landesinnenminister
       Boris Pistorius (SPD) vor dieser Entwicklung. „Der völkische Gedanke ist
       die Grundlage jedes Rechtsextremismus“, sagte er. „Der Irrsinn einer
       ‚arischen Rasse‘ wachse“ von unten, so Pistorius weiter, gerade diese
       „Familienzusammenschlüsse“ könnten dazu führen, das andere Menschen „sich
       radikalisieren“. Das anerzogene Bewusstsein, zu einer politischen Elite zu
       gehören, wirke.
       
       ## Polizei brauchte dreieinhalb Stunden nach Masendorf
       
       Aus diesem Spektrum des heterogenen rechtsextremen Milieus kommen nur
       wenige Aussteiger*innen. Eine von ihnen ist Heidi Benneckstein. Sie
       berichtetet, dass es bei der Pädagogik dieser Gruppe immer um Feindbilder
       gehe – Jud*innen, das Großkapital, Linke und Ausländer*innen. Hass und
       Angst hätten ihr Heranwachsen geprägt. „Das ist eine explosive Mischung“,
       sagt Obenhaus über diese Familien in der Region. Und sie betont, dass da
       eine neue Generation von Rechtsextremen heranwachse, welche ein
       geschlossenes Weltbild habe.
       
       In der Region ist mit dem breit aufgestellten gesellschaftlichen Bündnis
       „Beherzt“ die Sensibilität für diese politische Entwicklung gestiegen. So
       riefen am Samstagabend vergangener Woche neben einer Journalistin auch
       andere bei der Polizei in Uelzen an. Dreieinhalb Stunden brauchten die
       Beamten, bis sie in Masendorf erschienen. Um kurz vor halb zwei in der
       Nacht trafen sie nur auf sechs Personen aus zwei Familien, sagt ein
       Sprecher der Polizeiinspektion Lüneburg. Dass sie allein den weithin
       hörbaren Festlärm verursacht haben: Man darf es bezweifeln.
       
       25 May 2020
       
       ## LINKS
       
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   DIR Andreas Speit
   DIR Andrea Röpke
       
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