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       # taz.de -- CSU veranstaltet digitalen Parteitag: Markus Söder will die Obergrenze
       
       > Nicht mehr als 100 Milliarden Euro sollte der Bund in der Corona-Krise
       > ausgeben. Sonst fehle Geld für eine mögliche zweite Infektionswelle, sagt
       > der CSU-Chef.
       
   IMG Bild: Dieses Jahr kann man den Markus gar nicht vor Ort in seiner ganzen Pracht bewundern
       
       München taz | Da ist sie wieder, die Obergrenze. Bei der CSU erfreut sich
       der Begriff offenbar ungebrochener Beliebtheit. Obwohl sein Vorgänger Horst
       Seehofer noch vor wenigen Jahren die Union damit in eine handfeste Krise
       gebracht hat, wärmt Markus Söder die Vokabel nun wieder auf. Thematisch
       geht es freilich um etwas völlig anderes: nicht um die Zahl der
       Flüchtlinge, die Deutschland aufzunehmen bereit ist, sondern um die Höhe
       der Schulden, die der Bund in diesem Jahr zur Bekämpfung der Corona-Krise
       aufnehmen sollte. Die Forderung des CSU-Chefs: nicht mehr als 100
       Milliarden Euro.
       
       Es ist Freitag, später Nachmittag, [1][als Söder beim kleinen Parteitag der
       CSU] die Forderung erhebt. Das Setting ist dabei ungewohnt für eine
       Parteitagsrede: Der Parteichef steht nicht am Rednerpult, sondern sitzt am
       Schreibtisch in seinem Büro in der CSU-Zentrale. Es ist der erste digitale
       Parteitag der CSU in ihrer bald 75-jährigen Geschichte. Die Delegierten
       sitzen größtenteils daheim und verfolgen Söders Worte an ihren Rechnern,
       Tablets und Smartphones.
       
       Die Rede gleicht mehr einer zu lang geratenen Weihnachtsansprache als einer
       normalen Parteitagsrede. Nur dass statt Weihnachtsschmuck und Geschenken
       ein Kreuz und eine Straußbüste im Hintergrund zu sehen sind. Auf dem
       Schreibtisch liegt ein modisches Accessoire der jüngeren Vergangenheit: der
       Mundschutz im bayerischen Rauten-Look, den der Franke zuletzt nur allzu
       gern bei jedem Termin vorgeführt hat. Dazu eine Star-Trek-Tasse, ganz
       volksnah. Es sind Söders persönliche Insignien der Macht.
       
       In seiner Rede, die Generalsekretär Markus Blume hinterher als „fulminant“
       bezeichnen wird, gibt sich Söder staatstragend, verzichtet auf lautes
       Parteigetöse. Zunächst konzentriert sich der Ministerpräsident auf die
       hinlänglich bekannte Beschreibung und Rechtfertigung der Maßnahmen, die
       seine Regierung im Anti-Corona-Kampf getroffen hat. „Wir sind ganz gut
       durchgekommen“, „Wir haben Bayern gut geschützt“ und „Außerhalb
       Deutschlands bewundern sie uns“, so lautet seine optimistische
       Zwischenbilanz.
       
       ## Söder: „Man muss mit einer zweiten Welle rechnen“
       
       Man möge doch mal nach Schweden schauen, empfiehlt Söder. Dort hätten sie
       wegen des lockereren Umgangs mit dem Coronavirus eine höhere Todesrate,
       aber trotzdem extreme wirtschaftliche Probleme. Das zeige doch, dass andere
       Strategien nicht erfolgreicher seien.
       
       Von „Umsicht und Vorsicht und Besonnenheit“ spricht er mehr als einmal. Es
       herrsche nach wie vor viel Unsicherheit, deshalb bitte er, „das nicht auf
       die leichte Schulter zu nehmen“, auch wenn es momentan keinen Anlass zur
       Panik gebe. Man müsse jedoch mit einer zweiten Welle rechnen, deshalb sei
       es zum einen sehr wichtig, das Gesundheitssystem weiter hochzufahren, die
       Zahl der Betten müsse ausgebaut, die kommunalen Krankenhäuser müssten
       besser bezahlt werden. Es dürfe aber keine Überschuldung geben, „wo wir am
       Ende gar nicht mehr handlungsfähig sind“. Daher das Plädoyer für die
       Obergrenze.
       
       Trotz des bislang guten Umgangs mit dem neuartigen Coronavirus seien die
       wirtschaftlichen Folgen auch in Deutschland gewaltig. „Unser Wohlstand ist
       bedroht“, sagt der CSU-Chef, ein Endloswachstum werde es nicht mehr geben.
       Die wirtschaftliche Krise sei vor allem auf die weggebrochenen Exportmärkte
       zurückzuführen.
       
       Die jetzt veranlassten Lockerungen seien jedoch angesichts der derzeit
       überschaubaren Neuinfektionen vertretbar, sagt Söder und kündigt an,
       voraussichtlich ab der zweiten Woche der Pfingstferien auch Schwimmbäder zu
       öffnen und bis zum ersten Juli alle Schüler in die Schule zu schicken.
       
       Es ist nicht der Ton einer Parteitagsrede, den Söder anschlägt. Vielmehr
       ist es der Staatsmann, der hier spricht. Auch sonst fehlt so einiges, was
       Parteitage ausmacht: der Applaus, die Lacher, die Schlangen an der
       Essensausgabe, das Weißbier, die persönlichen Treffen und Gespräche am
       Rande der Versammlung und der gemeinsame Gesang, als am Ende Bayern- und
       Deutschlandhymne ertönen. Dennoch ist Generalsekretär Markus Blume am Ende
       begeistert. Von einem „Meilenstein“ spricht er. Und verspricht, dass es
       „definitiv nicht der letzte virtuelle Parteitag der CSU“ gewesen sein wird.
       
       Neben Söders Rede geht es vor allem um die Verabschiedung eines Leitantrags
       zur Bekämpfung der Krise. „Deutschland stark machen – Aus Corona lernen und
       wachsen“, so der Titel des entsprechenden Papiers. Darin werden
       Notfallreserven wie etwa eine nationale Intensivbettenreserve oder der
       Aufbau eines Vorrats medizinischer Produkte gefordert.
       
       Reisegutscheine für Übernachtungen in Deutschland oder Investitionsprämien
       beim Kauf eines „emissionsfreundlichen“ Fahrzeugs sollen den Konsum
       ankurbeln. Und von einem breiten Innovationsprogramm samt Hightech-Agenda
       erwartet sich die Partei „das nächste Wirtschaftswunder“. Gleichzeitig wird
       in dem Antrag gefordert, an den Klimazielen festzuhalten.
       
       ## Die CSU-Pläne, ein Griff in die Mottenkiste
       
       Der eine oder andere zumeist prominente Delegierte meldet sich zu Wort und
       wird aus seinem Wohn- oder Arbeitszimmer dazugeschaltet. Ein paar
       kosmetische Änderungen am Antragstext gibt es noch, dann sagt Blume: „Es
       müsste jetzt auf den Geräten der Stimmzettel aufgehen, und ich darf Sie
       jetzt bitten abzustimmen.“ Mit nur einer Enthaltung und ohne Gegenstimmen
       verabschieden die Delegierten den Leitantrag. Nach zweieinhalb Stunden ist
       das Ganze zu Ende.
       
       [2][Für die Grünen, die größte Oppositionspartei im bayerischen Landtag],
       sind die CSU-Pläne nicht mehr als ein mutloser Griff in die Mottenkiste. So
       moniert Parteichefin Eva Lettenbauer in einer prompten Stellungnahme, dass
       die geforderten Steuersenkungen mit den Reichen auch die Falschen entlaste.
       Zudem dürften die Steuermilliarden besonders an Unternehmen in
       Schlüsselindustrien wie Luftfahrt oder Autobranche nicht blind vergeben
       werden, sondern müssten mit ökologischen und sozialen Auflagen verknüpft
       werden.
       
       Manche Maßnahmen, etwa die Vergabe von Reisegutscheinen für den Urlaub in
       Deutschland, werden sogar in Teilen der CSU skeptisch betrachtet. Wer
       derlei Kritik äußert, tut das jedoch meist nur hinter vorgehaltener Hand.
       
       23 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Baur
       
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