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       # taz.de -- Spanische Rechtsextreme und Corona: Brauner Autokorso in der Hauptstadt
       
       > Die faschistische Voxpartei instrumentalisiert das Coronavirus für ihre
       > politische Agenda. Einige Anwohner stellen sich in Madrid dem Hass
       > entgegen.
       
   IMG Bild: Anhänger der Voxpartei schwenken in Madrid Fahnen, einige davon aus der Zeit der Francodiktatur
       
       Madrid taz | Hupende Autos mit Spanienfahnen bestimmten am Samstagmittag
       das Bild in den Zentren der Provinzhauptstädte Spaniens. Ihre Besitzer
       demonstrierten gegen den Coronavirus-Alarmzustand, den sie
       „Amtsmissbrauchszustand“ nennen. Aufgerufen hatte dazu [1][die
       rechtsradikale Partei Vox], die drittstärkste Kraft im spanischen Parlament
       ist. Sie wirft der linken Regierung vor, mit den Corona-Regeln das Land „in
       den Ruin“ zu treiben und zudem die Freiheiten der knapp 47 Millionen Bürger
       einzuschränken. Das Parlament hat [2][den Notstand kürzlich bis zum 6. Juni
       verlängert].
       
       Zum größten Autokorso kam es in Madrid. Hier fuhren nach Schätzungen des
       öffentlichen Radios RNE tausende Pkw durch die Häuserschluchten. An ihre
       Spitze hatte sich Vox-Chef Santiago Abascal im offenen Bus gesetzt. Die
       Behörden hatten die Autokorsos zuvor genehmigt. Zwar herrscht in Madrid
       immer noch der Alarmzustand, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind
       aber nicht eingeschränkt.
       
       Dazu kamen sehr viele Demonstranten zu Fuß. Viele hielten die
       Abstandsregeln nicht ein. Unter den Teilnehmern befand sich die gesamte
       Führungsriege der Rechtsextremen. Spanien setze sich gegen die neuen
       Kommunisten durch, sagte der Vox-Chef Santiago Abascal in einer Rethorik,
       die bewusst an den Spanischen Bürgerkrieg und die Francodiktatur erinnert.
       
       Die Autokorsos sind keine Aluhut-Aktionen, wie sie etwa [3][in Deutschland
       zu beobachten sind]. Die langen Fahrzeugschlangen sind der vorläufige
       Höhepunkt von koordinierten politischen Protesten, die bereits vor zehn
       Tagen in der Straße Nuñez de Balboa in Madrid begannen. Genau dort, wo die
       reichsten Hauptstädter wohnen, gehen täglich um 21 Uhr Dutzende von
       Menschen auf die Straße. Sie machen mit Kochtöpfen Lärm und schlagen mit
       Golfschlägern auf Verkehrsschilder.
       
       ## Immer mehr Faschisten schließen sich den Protesten an
       
       „Freiheit! Freiheit!“ rufen sie, tragen Spanienfahnen, einige davon aus der
       Zeit der Francodiktatur. Weder wahren sie die gebotene physische Distanz,
       noch tragen sie Masken. Nuñez de Balboa ist eine der Hochburgen der
       rechtsradikalen Vox und der konservativen Partido Popular (PP). [4][Immer
       mehr faschistische Gruppen] schließen sich den Protesten an.
       
       Viele der Demonstrantinnen und Demonstranten fordern den Rücktritt der
       sozialistisch-linksalternativen Regierung unter dem PSOE-Chef Pedro Sánchez
       und seinem Vize Pablo Iglesias. Für die Reichen handelt es sich um eine
       Regierung, die „Spanien zerstört“ und ein System „wie in Venezuela“
       einführen will. Als Beweis dient ihnen das Vorhaben, Steuern für
       Besserverdienende und Unternehmen zu erhöhen. In den letzten Jahrzehnten
       haben sich die Besserverdienenden in Spanien an ständige Steuersenkungen
       gewöhnt, Normalverdienerinnen und -verdiener mussten hingegen meist mehr
       zahlen.
       
       Längst haben die „Spaziergänge“, wie die Teilnehmer ihre nichtgenehmigten
       Aktionen nennen, auch auf andere Städte übergegriffen. Die Polizei greift
       nicht ein, beteiligt sich mancherort sogar an den Protesten: In Sevilla
       bekundete sie per Polizeisirene ihre Sympathie mit den politischen
       Forderungen. Selbst vor der PSOE-Zentrale in Madrid und vor dem Haus von
       Podemos-Chef Iglesias zogen die rechten Wutbürger auf. „Wir werden nicht
       ruhen, bist Du Spanien verlassen hast“, riefen sie. Im Stadtteil Moratalaz
       lieferten sich dutzende Neonazis Handgreiflichkeiten mit anderen
       Demonstrierenden.
       
       ## Das digitale Topfschlagen
       
       In Madrid kommt es mittlerweile auch in Arbeitervierteln zu solchen
       Protesten. Von vielen Balkonen ist das metallerne Geklapper zu hören, auch
       ohne Töpfe. Wie das geht? Im Netz können sich Interessierte eine App
       herunterladen, die das Topfschlagen simuliert, die Tageszeitung La Razón
       gibt sogar eine Anleitung. Ein Lautsprecher genüge, um Dutzende von
       „wütenden Bürgern“ auf den Balkonen vorzugaukeln.
       
       In einigen Vierteln der Hauptstadt stellen sich Anwohnerinnen und Anwohner
       den Topfschlägern entegegen. Im Stadtteil Ja Concepción spielen Bewohner
       stets den Song Imagine von John Lennon, um das Geklapper zu übertönen. „Wir
       sind auf die Straße gegangen, um zu denen ‚Nein‘ zusagen, die einen Diskurs
       des Hasses legitimieren wollen, in dem sie diese fürchterliche
       Gesundheitskrise ausnutzen“, hieß es in der Erklärung, die sie am
       Freitagabend verlasen.
       
       23 May 2020
       
       ## LINKS
       
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