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       # taz.de -- Aktionstag der „Seebrücke“: Geflüchtete endlich herholen
       
       > Noch immer warten Geflüchtete in Griechenland auf die Überführung nach
       > Deutschland. Helfer kritisieren die Verzögerungen durch hiesige Behörden.
       
   IMG Bild: „Niemanden zurücklassen“: Demonstrantinnen in Hannover
       
       Osnabrück/Berlin epd/dpa | Mehrere Hundert Menschen haben nach Angaben der
       Polizei am Sonnabend in mehreren niedersächsischen Städten für eine
       humanere Flüchtlingspolitik demonstriert. In Hannover waren den Angaben
       zufolge 220, in Osnabrück 170, in Oldenburg 120 und in Göttingen zehn
       Demonstranten zusammengekommen.
       
       Sie forderten im Rahmen des bundesweiten Aktionstages des Bündnisses
       „Seebrücke“ eine Evakuierung der [1][Flüchtlingslager in Griechenland] und
       der Sammelunterkünfte für Flüchtlinge in Deutschland. Dort seien die
       Menschen dem Coronavirus auf engstem Raum ausgeliefert. Alle Kundgebungen
       verliefen ohne Probleme, obwohl die erlaubte Teilnehmerzahl zum Teil
       erheblich überschritten wurde.
       
       Die zentrale Kundgebung war am Sonntag am Roten Rathaus in Berlin geplantn.
       Laut Polizei sind 50 Teilnehmer zu dem Protest angemeldet. Auf Facebook
       hatten am Freitag mehr als hundert Menschen ihre Teilnahme zugesagt. Die
       Initiative „Seebrücke“ ruft dazu auf, alte Schuhe, selbstgebastelte
       Schiffchen oder Schilder mit Forderungen auf den Stufen vor dem Roten
       Rathaus abzulegen.
       
       Die Organisatoren in Berlin fordern, mehr Flüchtlinge in der Stadt
       aufzunehmen. „Ein Staat, der in kürzester Zeit 200 000 deutsche
       Tourist*innen zurückholen und 80 000 Erntehelfer*innen für die Rettung des
       deutschen Spargels einfliegen kann, zeigt damit deutlich seine Prioritäten:
       Das Leben der Geflüchteten ist ihm nichts wert“, heißt es in dem Aufruf.
       Anfang Mai erreichten die ersten acht Kinder aus dem griechischen
       Flüchtlingslager Moria Berlin.
       
       ## Evakuierung sei „absolute Pflicht“
       
       Die [2][Bewegung Seebrücke] hatte sich im Sommer 2018 gegründet und fordert
       die Entkriminalisierung der Seenotrettung, sichere Fluchtwege und sichere
       Häfen für Flüchtlinge. Einen Tag vor der Kundgebung in Berlin waren am
       Samstag Aktionen in mehr als 50 Städten in acht Ländern geplant, hieß es in
       einer Mitteilung. Motto des Aktionstages: „Leave No One Behind“ (deutsch:
       Lasst niemanden zurück!).
       
       Eine Evakuierung vor allem der Lager auf den griechischen Inseln sei
       angesichts des Coronavirus „eine absolute Pflicht“, sagte Pastor Guido
       Schwegmann-Beisel am Sonnabend dem epd. Der stellvertretende Superintendent
       des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Osnabrück war Hauptredner
       während der Osnabrücker Kundgebung. Solidarität und Nächstenliebe seien das
       Gebot der Stunde, forderte der Theologe.
       
       Schwegmann-Beisel kritisierte, dass die Bundesregierung bislang nicht mehr
       als 47 Kinder aus den Lagern nach Deutschland geholt habe, obwohl sich
       bundesweit mittlerweile mehr als 150 Städte bereiterklärt hätten,
       Flüchtlinge aufzunehmen. „Das ist ein Armutszeugnis. Ein solches Geeier
       geht überhaupt nicht. Wir müssen diese Alibi-Geschichten jetzt lassen und
       endlich viel mehr Menschen aufnehmen.“
       
       Die niedersächsischen Grünen erneuerten anlässlich des Aktionstages der
       „Seebrücke“ ihre Forderung, dass Niedersachsen ein eigenes
       Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete aus den griechischen Lagern auflegen
       soll.
       
       ## Kinder sollen Vorrang haben
       
       „Statt ständig zu wiederholen, dass Niedersachsen bereit stehe, muss der
       Ministerpräsident endlich handeln und ein eigenes, großzügiges
       Landesaufnahmeprogramm an den Start bringen“, sagte die Landesvorsitzende
       Anne Kura am Sonnabend. Berlin und Thüringen bereiteten bereits eigene
       Aufnahmeprogramme vor.
       
       Das Innenministerium wies die Forderung zurück. Dafür wäre das Einvernehmen
       mit dem Bundesinnenministerium erforderlich, sagte eine Sprecherin dem epd.
       Das sei aber nicht zu erwarten. Zudem würde die Organisation viel Zeit
       erfordern, so dass eine schnellere Aufnahme damit nicht zu erreichen sei.
       Minister Boris Pistorius (SPD) habe aber seinem Bundeskollegen Horst
       Seehofer (CSU) mitgeteilt, dass Niedersachsen 100 Personen aufnehmen könne.
       
       Das Bundesinnenministerium betonte gegenüber dem epd, Deutschland werde
       sich jetzt im Rahmen der Zusage, 350 Personen aufzunehmen, „auf die wegen
       einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftigen Kinder
       fokussieren“.
       
       Diese würden derzeit von griechischen Behörden in Zusammenarbeit unter
       anderem mit der Europäischen Kommission und dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR
       ausgesucht und dann zunächst auf das griechische Festland gebracht.
       Finnland, Portugal und Irland hätten sich bereiterklärt, im Juni mit der
       Aufnahme von Kindern zu beginnen, sagte eine Sprecherin.
       
       24 May 2020
       
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