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       # taz.de -- Aufstandsbekämpfungen weltweit: Sozialpolitik und Uniformen
       
       > Die USA haben den inneren Einsatz des Militärs nicht erfunden, davon
       > träumt auch die deutsche Innenpolitik. Und Rassismus gibt's natürlich
       > auch.
       
   IMG Bild: Trotz Sonnenbrille nicht im Urlaub: Außenminister Heiko Maas
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: „Bazooka“ und [1][„Wumms“] sind durch.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Nächstes Konjunkturprogramm heißt „Hossa!“?
       
       US-Präsident Donald [2][Trump drohte diese Woche damit, das Militär
       einzusetzen], wenn die Gouverneure die Proteste gegen rassistische
       Polizeigewalt nicht selbst in den Griff bekommen würden. Auf einer Skala
       von 1 bis 10: Wie gefährlich kann ein Präsident sein? 
       
       Ungefähr so gefährlich wie deutsche Innenminister. Otto Schily forderte
       2003 Inlandseinsätze „gegen Terrorgefahr“, Wolfgang Schäuble 2006
       anlässlich der Fußball-WM. Sein Schwiegersohn Thomas Strobl holte den
       Verfassungs-Untoten gerade „wegen Corona“ aus der Gruft. Scheint eine Art
       obligates Amtsgebet von Innenministern zu sein. Tenor: Neben
       Unglücksfällen und Naturkatastrophen soll die Armee ins eigene Land
       ausrücken, wenn „innerer Notstand“, Umsturz oder fremde Mächte drohen. Das
       ist mit dem Grundgesetz derzeit kaum zu machen, doch trotzdem dröhnte die
       Luftwaffe bereits über den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017.
       Trump wurde von einer kleinen Privatarmee stillgelegter
       Verteidigungsminister zur Ordnung gerufen – sollte bei uns einer
       durchdrehen, hoffen wir also auf Rühe, Scharping, Guttenberg, Jung, de
       Maizière, von der Leyen. Immerhin würden sie keine Armee gegen die Rechte
       von Schwarzen losschicken, die zu 43 Prozent aus Schwarzen besteht.
       
       Eines der Versprechen aus Trumps Wahlkampf war, eine Mauer an der Grenze zu
       Mexiko zu bauen. Derzeit gibt es Videos davon, wie ein meterhoher Zaun um
       das Weiße Haus in Washington gebaut wird. Wie viele Wochen kann sich Trump
       dort verbarrikadieren? 
       
       Trump twitterte, die „boshaftesten Hunde, bedrohlichsten Waffen und
       Agenten, die nur auf Action warten“, stünden bereit. Was fragen lässt, wo
       bei Twitter aktuell die Latte für „Gewaltverherrlichung“ liegen mag.
       Apropos: Der ohnmächtigste Mann der Welt scheint jetzt regelmäßig selbst
       nachzuschauen, ob er noch alle Latten am Zaun hat; Bunker, Kapelle,
       Truppenbesichtigung. Was heißt eigentlich „Reichsbürger“ auf Amerikanisch?
       
       [3][300 Euro Kinderbonus bekommen Eltern], so steht es im
       130-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket, dass die Koalition diese Woche
       beschlossen hat. Große Dankbarkeit? 
       
       Konjunktivpaket. Könnte nutzen. Eine Studie des Familienministeriums ergab
       bereits 2008 „mehr als 150 ehe- und familienpolitische Leistungen“ des
       Staates im Volumen von über 200 Milliarden Euro. Einfluss auf die
       Geburtenrate: ungefähr null. Diesmal geht es direkt um den Konsum. Wie auch
       bei der Mehrwertsteuer. Man darf träumen, dass nun einige Preise sinken –
       man kann drauf wetten, dass sie im Januar mit derselben Begründung spürbar
       erhöht werden.
       
       In Göttingen sind alle Schulen dicht, die Stadt wird als neuer
       Corona-Hotspot gehandelt. Schuld daran [4][sollen Familien sein, die im
       sogenannten Iduna-Zentrum leben], einem heruntergekommenen Hochhaus am
       Rande der Stadt. Die Boulevardmedien scheinen damit einen neuen Sündenbock
       gefunden zu haben: die armen Ausländer. Schuld sind immer die anderen,
       oder? 
       
       Den Job, am unteren Ende unseres Wohlstandes herumzuleben, haben wir lange
       gern an Zuwanderer vergeben. Nun verwechseln wir beides – Zuwanderung und
       Armut – und dreschen drauf. Der Schlüssel zur gelingenden Migrationspolitik
       ist Sozialpolitik – Überraschung.
       
       Es werde keine Rückholaktionen mehr für deutsche Tourist:innen geben,
       sollte eine zweite Infektionswelle kommen. Das sagte Außenminister Heiko
       Maas diese Woche, als er die [5][Aufhebung der Reisewarnung ab dem 15.
       Juni] verkündete. Sollte man noch schnell ins Ausland fliehen, damit man
       nie wieder zurückmuss? 
       
       „Kaum waren sie alle wieder da, riefen sie auf dem Krisentelefon an, um zu
       fragen, wann sie wieder wegkommen“, seufzt ein gestresster Außenminister im
       Deutschlandfunk. Mit den Nachbarländern will er einheitliche Regelungen
       hinbekommen bis Mitte Juni. Dann wäre eine Reisewarnung gegen alle Länder,
       mit denen es keinen Deal gibt, fairer.
       
       Der Berliner Senat hat [6][das erste Landes-Antidiskriminierungsgesetz
       Deutschlands] verabschiedet. Wie viele Jahre wird’s dauern, bis die anderen
       Bundesländer nachziehen? 
       
       Das Gesetz kehrt – damit’s kein frömmelnder Sonntagsspaß bleibt – die
       Beweislast für die Behörden um. Prompt sind Polizeigewerkschaft und
       Unionsländer voll beleidigt und wollen der Hauptstadt nicht mehr
       amtshelfen. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir künftig beweisen müssen,
       nicht zu diskriminieren? Nach Berlin.
       
       Bei Sandra Maischberger sollten diese Woche vier weiße Menschen über
       Rassismus diskutieren. Nach Kritik in den Sozialen Netzwerken wurde doch
       noch eine Schwarze Frau eingeladen. Warum sind die öffentlich-rechtlichen
       Politsendungen so wenig lernfähig? 
       
       Um fair zu sein: Mit welcher Privatsender-Politsendung wollen wir
       vergleichen? Es ist noch immer ein unterkonkurrierter Markt und ein Indiz
       mehr, dass der freie Markt im Fernsehen nicht funktioniert. Eingriffe in
       redaktionelle Entscheidungen sind heikel; so war die Wiederholung einer
       Plasberg-Show auf Wunsch einiger Feministinnen grenzwertig und keine
       Heldentat einer selbstbewussten Redaktion. Bei „Maischberger“ reagierte
       eine breite Öffentlichkeit und die Lehre wurde vor der Sendung gezogen –
       also hat da etwas funktioniert.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       „Yes, we can“. Emre Can. O. k., wenn wir wieder reindürfen, rufen wir das.
       
       Fragen: Ambros Waibel, Erica Zingher
       
       7 Jun 2020
       
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